Klimaschonend wohnen

Energieberatung ist wie Häuserkampf

Selbstnutzer und private Vermieter für die energetische Sanierung stärker mobilisieren – darum ging es beim ifs Wohnungspolitischen Forum in Berlin. Oder anders gesagt um größeren Fortschritt durch viele kleine Schritte.
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„Wie der Aufbau der Trinkwasserversorgung im 19. Jahrhundert“, Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Dimension der energetischen Sanierung des Gebäudebestands. Bild: ifs
„Wie der Aufbau der Trinkwasserversorgung im 19. Jahrhundert“, Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Dimension der energetischen Sanierung des Gebäudebestands. Bild: ifs

Warum verläuft die energetische Sanierung von Wohngebäuden privater Vermieter und Selbstnutzer bisher so schleppend und das entsprechende Förderangebot bisher mehr oder weniger im Sande? Wie müsste die Förderlandschaft umgebaut werden, damit sich deutlich mehr tut als bisher? Kann das neue Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung dabei zu mehr Schwung verhelfen? Mit diesen Fragen befasste sich das ifs Wohnungspolitische Forum des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) in der Bundeshauptstadt. Experten aus der Praxis und von Verbänden debattierten dabei mit Vertretern der Bundesregierung und den baupolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen.

Deutschland klimaneutral bis 2050 – dazu hat sich die Bundesregierung international verpflichtet. Zu diesem Klimaziel muss auch der Wohngebäudebereich seinen Anteil leisten. Aber rund 80 Prozent derjenigen, die hier sanierungsverantwortlich sind, sind Kleineigentümer, Kleinvermieter und Selbstnutzer. Dem müssen Beratung und Zuschnitt der Förderung Rechnung tragen, so der Tenor der Veranstaltung. In welcher Weise, dazu gab es unterschiedliche Erfahrungen wie auch Vorschläge.

Alles oder nichts führt zu nichts

„Nur Masse schafft Klasse“, stellte DV-Verbandspräsident Michael Groschek dazu gleich eingangs fest. Wenn es nicht gelinge, diesen Großteil von Immobilieneigentümern und Nutzern zu mobilisieren, werde die Energiewende im Gebäudebereich scheitern. Schon der Einstieg in die Sanierung sollte deshalb Wertschätzung erfahren. Daher machte er sich für eine modulare Förderung speziell dieser Zielgruppe stark – statt nach dem Prinzip alles oder nichts zu verfahren.

Zwar sei es ökonomisch sinnvoll, möglichst viel auf einmal zu sanieren. Doch dürfe man die kleinen Immobilienbesitzer nicht überfordern, zumal viele von ihnen sich im fortgeschrittenen Alter nicht mehr mit einem Kredit belasten wollten, pflichtete dem auch Michael Geißler, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands e. V., bei. Nach seiner Einschätzung ist die Fördersystematik überprüfungswürdig, in jedem Falle optimierungsfähig. Beratung und Förderung müssten zielgruppengerecht aufgebaut werden. Seine Schlussfolgerung: Sanierungsvorschläge, die nicht auch wirtschaftlich einen Sinn machen, haben keinen Erfolg.

Das bedeutet: Statt „irgendwelche Benchmarks“ von außerhalb aufzunehmen, müssten Hausbesitzer tatsächlich vor Ort dezidiert über die technischen Möglichkeiten aufgeklärt und die konkreten Daten des Hauses, „die oft gar nicht mehr vorhanden sind“, aufgenommen werden.

Gute Erfahrungen mit einer solchen aufsuchenden Beratung hat man nach seinen Worten in und um Heidelberg mit der „Energiekarawane“ gemacht, die dort mehrere Jahre lang unterwegs war. Bürgermeister haben Eigentümer der Region angeschrieben und Beratung zu energetischer Sanierung angeboten. Rund 51 Millionen Euro Investitionsvolumen wurden dadurch in rund 10.000 Haushalten für unterschiedliche Maßnahmen angestoßen.

Bei der Ansprache von Wohnungseigentümergemeinschaften, auf die mehr als 20 Prozent des Wohnungsbestandes hierzulande entfallen, ist nach Geißlers Erfahrung deren extreme Vielstimmigkeit zur berücksichtigen. Bekanntlich gibt es dort nicht nur längere Entscheidungsprozesse, sondern auch schwierige Rahmenbedingungen, etwa in Bezug auf Kredite und Haftungsverhältnisse. Bei einem Pilotprojekt in Freiburg im Breisgau wurden 80 Wohneigentümergemeinschaften aufwendig beraten. Auch Hausverwaltungen waren einbezogen. Die Umsetzungsquote konnte verdoppelt werden. Auf dieser Basis wurde in Baden-Württemberg ein Förderprogramm entwickelt. Im Ergebnis dessen konnten Geißler zufolge Haftungsrisiken ein Stück weit reduziert und so Investitionen von WEGs realisiert werden, die sonst nicht möglich gewesen wären.

Geglücktes Experiment in Bottrop

Ein neues Fördermodell hat man in Bottrop in einem Quartier mit 70.000 Einwohnern, im Herzen der einstigen Zechenstadt, erprobt und hierzu – mittels einer Experimentierklausel – aus Städtebaufördermitteln einen eigenen Fördermitteltopf mit vereinfachten Förderkriterien kreiert. Dadurch konnten Eigentümer unbürokratisch Zuschüsse für Teil- und Vollmodernisierungen erhalten. „Wir fördern dann mithilfe von Städtebaufördermitteln indiziert am CO2-Einsparungsniveau“, erklärte dazu Burkhard Drescher, Geschäftsführer von Innovation City Ruhr, die bei dem Vorzeigeprojekt in punkto Energiewende federführend ist. Das bedeutet: Wenn beispielsweise der Austausch der Fenster zehn Prozent CO2-Ausstoß vom Gebäude erspart, erhalten die Hauseigentümer zehn Prozent Zuschuss für ihre Investition. Über diesen Weg wurden inzwischen rund zwei Millionen Euro Fördermittel ausgegeben und damit 16 Millionen Euro Investitionen für die energetische Sanierung freigesetzt. Ein Verhältnis von einem Euro öffentlichen Geldes zu fast acht Euro Gesamtinvestition. Darüber freuen sich Drescher zufolge auch die Handwerker in Bottrop. Zuvor war eine eigene Energieberatung aufgebaut worden. Über das Quartiersmanagement werden aufsuchende Energieberatungen organisiert. Wenn Interessenten in der allgemeinen Erstberatung waren, setzen mehr als die Hälfte der Ratsuchenden die vorgeschlagenen Maßnahmen auch um. Kommt der Energieberater mit dem Quartiersmanager direkt ins Haus, sind es gut drei Viertel. Inzwischen liegt die jährliche Sanierungsquote bei jährlich drei Prozent.

Von den 12.500 Wohngebäuden des Quartiers gehören 10.000 Einzeleigentümern. Aus Gründen des Klimaschutzes modernisieren nach Dreschers Erfahrung nur wenige Hauseigentümer. „Wenn ihnen aber der Energieberater vorrechnet, wie viel sie cash jeden Monat und jedes Jahr an Energiekosten sparen können, dann tun sie das.“ Genau das sei der Widerspruch zur derzeitigen Förderung. Kaum einer der vielen Bottroper, die dort ihr Haus in den letzten Jahren energetisch modernisiert haben, habe KfW-Förderungen in Anspruch genommen. Die Programme seien mehrheitlich durchgefallen. Warum? Ihr hohes Anforderungsprofil verlängere die Amortisationszeiten stark und verteure Investitionen dadurch so sehr, dass sich die Förderung für viele meist nicht rechne. Das sei der falsche Förderansatz.

„Kommunen können es besser“

Sein Fazit: Energieberatung und energetische Modernisierung können nur von unten organisiert werden – im Stadtquartier, mit vernünftigen Sanierungskonzepten und direkter Ansprache der Eigentümer. Das hat nach seinen Worten etwas von Häuserkampf. Seine Forderung an die Politik: Statt Einzelmaßnahmen zu fördern sollte der Bund das Geld an die Kommunen geben und ihnen im Rahmen der Selbstverwaltung die Freiheit lassen, dies auch zu verteilen. „Die Kommunen können das. Weil sie wissen, was die Bürger brauchen und wie sie denken.“

Rund 75 Prozent aller Sanierer tun dies ohne Fördermittel, nahm Michael Stephan, Geschäftsführer des Vereins Altbau plus aus Aachen, auf Dreschers Ausführungen sowie eine vzbv-Studie Bezug. Auch Aachen sei in dieser Hinsicht repräsentativ. Die gegenwärtige Förderlandschaft ist auch nach seiner Einschätzung für den kleinen Selbstnutzer und Privatvermieter nicht attraktiv: Sie benachteiligt diejenigen, die kleine Maßnahmen machen – zum Beispiel nur Fensteraustausch oder nur Heizungserneuerung. Demgegenüber gibt es bei einer Komplettsanierung hohe Tilgungszuschüsse. Was momentan an Fördermitteln ausgezahlt werde, gehe überwiegend an Bauherren und Institutionen, die sowieso Sanierungsmaßnahmen vorhätten, also „eine reine Mitnahmeförderung“.

Sein Vorschlag: Auch bei Einzelmaßnahmen sollte die prozentuale Verbesserung eines Baukörpers honoriert und das Gebäude dabei in einem Zeitraum betrachtet werden, in dem auch die Klimaziele erreicht werden sollen – bis 2050. „Bis dahin kommt ohnehin jedes Bestandsgebäude in die Sanierung.“

Einfach machen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz spannte in seinem Vortrag den Bogen vom Aufbau der Trinkwasserversorgung in Hamburg im 19. Jahrhundert – mit der Trennung von Frisch- und Abwasser – zum ökologischen Umbau der Gesellschaft heute. Auch ein Projekt, was viele Jahrzehnte brauche, Umdenken verlange, Auseinandersetzungen mit sich bringe und dem das neue Klimaschutzprogramm der Bundesregierung diene, warb er hier zugleich in eigener Sache. Das Neben- und Durcheinander von Gesetzen zur Energieeinsparung und zu erneuerbaren Energien soll nach seinen Worten beendet werden. Erreicht werden soll dies durch das neue Gebäudeenergiegesetz, das Scholz zufolge voraussichtlich im Frühjahr 2020 kommen soll.

Zwei Drittel der Wohngebäude in Deutschland wurden vor der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet, bezog sich Scholz auf das Potenzial zur Energieeinsparung. Ein Drittel der Heizungsanlagen ist demnach älter als 20 Jahre. Wärmedämmung und Heizungstechnologien seien häufig nicht mehr zeitgemäß. Da gebe es viel bessere Lösungen, betonte der Bundesfinanzminister. Das sei keine Raketenwissenschaft. Da müsse man nicht besonders viel können, sondern es letztlich nur machen. Verschiedene Maßnahmen sollen dabei unterstützen.

Förderlandschaft im Wandel

Der Bestand müsse im Einklang mit bezahlbaren Mieten energetisch umgebaut werden, erklärte er. Dafür werden steuerliche Anreize geschaffen – eingebettet in die bestehenden Förderprogramme. Diese werden einfacher gestaltet und zu einem aufeinander abgestimmten Angebot aus Steuererleichterungen, Zuschüssen und Förderdarlehen zusammengefasst. Die Tilgungszuschüsse des KfW-Gebäudesanierungsprogramms werden um zehn Prozent erhöht. Auch das KfW-Programm zur energetischen Stadtsanierung soll aufgestockt werden. Es wäre sinnvoll, „sich in der Nachbarschaft unterzuhaken“, beispielsweise für die Nutzung von Fernwärme oder die Kraft-Wärme-Kopplung, so Scholz. Die Maßnahmen sollten über verschiedene Gebäude und ihre Funktionen hinweg geplant werden, sodass am Ende alle im Quartier besser dastehen. „So alltäglich wie es für uns heute ist, sauberes Trinkwasser aus dem Hahn zu bekommen, so normal wird für uns in Zukunft auch Klimaneutralität sein. Wir werden uns wundern über Zeiten, in denen es anders war.“

Podiumsrunde mit Bundestagsabgeordneten

In der Runde wurde deutlich: Die Effizienzstandards in der Bestandsförderung – etwa beim Wärmeschutz – sind zu starr. Denn was bei dem einen Haus gut und kostengünstig funktioniert, kann bei einem anderen zu einer Kostenexplosion führen. Nötig sei eine einfach handhabbare Breitenförderung wie auch deutlich mehr finanzielle Unterstützung der Kommunen, um die Gebäudeeigentümer zu mobilisieren. Denn Sanierungsmanagement und Beratungsnetzwerke lassen sich nicht im normalen Tagesgeschäft stemmen.

Private Eigentümer profitieren vom Klimaschutzpaket

Kurz vor Weihnachten hat der Bundesrat dem geänderten Klimaschutzpaket der Bundesregierung zugestimmt. Dieses bringt neben einer CO2-Steuer auch steuerliche Vergünstigungen für energetische Sanierungsmaßnahmen an privaten Wohngebäuden.

Geregelt werden die „Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden“ im Einkommensteuergesetz (EStG). Interessant für die Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern und für Besitzer von Eigentumswohnungen ist § 35c EStG. Die Neuregelung ist Teil des Klimaschutzprogramms 2030 und beschreibt konkret die Möglichkeiten und Fristen. Gefördert werden demnach energetische Maßnahmen wie die Wärmedämmung von Wänden, Geschossdecken und Decken sowie die Erneuerung beziehungsweise die Optimierung von Fenstern oder Außentüren, die Erneuerung oder der Einbau einer Lüftungsanlage, die Erneuerung der Heizungsanlage, der Einbau von digitalen Systemen zur energetischen Betriebs- und Verbrauchsoptimierung und die Optimierung bestehender Heizungsanlagen, sofern letztere älter als zwei Jahre sind. Gefördert wird dies sowohl bei selbst genutzten Wohnhäusern wie auch bei selbst bewohnten Eigentumswohnungen.

Auch Kosten für Energieberater sollen künftig als Aufwendungen für energetische Maßnahmen gelten. Absetzen können Steuerpflichtige die Kosten für eine energetische Maßnahme erstmals in dem Kalenderjahr, in dem die Sanierung abgeschlossen wird. Ermäßigt wird die Einkommensteuer in diesem ersten wie auch im zweiten Kalenderjahr um je sieben Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um je 14.000 Euro. Im dritten Kalenderjahr können weitere sechs Prozent der Aufwendungen geltend gemacht werden, höchstens jedoch 12.000 Euro für das begünstigte Objekt. Insgesamt kann also für jedes Objekt ein Förderbetrag in Höhe von 20 Prozent der Aufwendungen – höchstens jedoch 40.000 Euro im Laufe von drei Jahren nach Abschluss der Sanierung abgesetzt werden.

Der Verband Privater Bauherren (VPB) begrüßt die lange Laufzeit der Steuervergünstigung. Die energetischen Baumaßnahmen müssen nach dem 31. Dezember 2019 begonnen werden und vor dem 1. Januar 2030 abgeschlossen sein. Private Eigentümer hätten damit zehn Jahre Zeit. Das bringe ihnen Planungssicherheit und gebe ihnen ausreichend Gelegenheit, sich firmen- und produktneutral zu informieren, Maßnahmen passend zur Immobilie zu planen und diese sorgfältig umsetzen zu lassen.

Für die steuerliche Förderung infrage kommen sowohl Einzelmaßnahmen als auch umfassende Sanierungen, die mit Hilfe eines Sanierungsfahrplans schrittweise realisiert werden.

Quellen: VPB und Bausparkasse Schwäbisch Hall AG(Red.)

Redaktion (allg.)

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Artikel Energieberatung ist wie Häuserkampf
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