Beide Modelle bieten klare Vorteile: Dazu gehören niedrigere und planbarere Stromkosten für Mieter, eine höhere Attraktivität des Bestands, wirtschaftliche Vorteile für Gebäudeeigentümer, eine bessere Anschlussfähigkeit an Energie- und Klimastrategien sowie eine lokal verankerte Stromerzeugung, die zur Entlastung der Netze beitragen kann. Auch die Politik hat die Vorteile von PV-Anlagen erkannt: Es gibt immer mehr Vorgaben zu Pflichten zur Errichtung von Aufdachanlagen, auch in der Gebäuderichtlinie. In der Praxis herrscht aufgrund der Komplexität vieler Projekte jedoch weiterhin Zurückhaltung.
Besonders herausfordernd ist die wirtschaftliche Kalkulation solcher Großprojekte, für die in den meisten Fällen nicht nur ein neuer Partner, sondern auch ein neues Geschäftsmodell gefunden werden muss. Auch müssen sich die Unternehmen – abhängig vom gewählten Geschäftsmodell – mehr oder weniger mit dem (energie-)regulatorischen Rahmen auseinandersetzen.
Wer sich hier erfahrene Experten aus der Energiewirtschaft zur Seite holt, reduziert die Komplexität und gewinnt an Umsetzungssicherheit.
Die nachhaltige Transformation ohne Stolpersteine meistern
Um die technische Umsetzung umfassend zu gestalten, braucht es einen großzügigen Planungshorizont, der die Einführung neuer Versorgungsmodelle berücksichtigt. So passen klassische Verbrauchsprofile von Haushalten nicht zur PV-Erzeugung, Speicher sind (noch) teuer und die Abstimmung mit Netzbetreibern kann sich über Monate hinziehen.
Eine klassische Herausforderung ist die Abstimmung des Messkonzepts. In Deutschland gibt es rund 850 Verteilnetzbetreiber (VNB), die oft als grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) agieren. Auch wenn ein wettbewerblicher Messstellenbetreiber (wMSB) für die Umsetzung des Messkonzeptes beauftragt wird, akzeptieren nicht alle VNBs (auch nicht marktübliche) Messkonzepte sofort. Die Folge können zeitliche Verzögerungen von manchmal mehreren Monaten sein. Ohne erfahrene Partner in der VNB-Abstimmung kann es schwer werden, den Zeitplan einzuhalten.
Unsicherheit entsteht auch deshalb, weil die Realisierung neuer Erzeugungsanlagen und Lasten die Verteilnetze an ihre operativen Grenzen bringt. Von der Anmeldung über Netzverträglichkeitsprüfungen bis zur Inbetriebnahme vergehen in der Praxis oft mehrere Monate. Verzögerungen entstehen dabei durch fehlende Kapazitäten beim VNB oder unklare Zuständigkeiten auf Bauherrenseite.
Auch die aktuelle Rechtsprechung und Diskussion rund um die Kundenanlage sorgt für Verunsicherung. Mieterstromnetze insbesondere solche in Quartieren oder über Gebäudegrenzen hinweg sind in der Diskussion. Sollten Mieterstromnetze als Verteilernetz und nicht als (nicht regulierte) Kundenanlage einzuordnen sein, würden sich für die Beteiligten erhebliche Pflichten bzw. Unsicherheiten ergeben (siehe dazu den Artikel auf Seite 55).
Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht statisch sind. Strompreise schwanken, Fördersätze können sich ändern und neue gesetzliche Vorgaben müssen in bestehende Konzepte integriert werden. Unternehmen, die hier den Überblick verlieren, laufen Gefahr, dass die Wirtschaftlichkeit unter realen Bedingungen anders ausfällt als geplant.
Transparenz schafft Planungssicherheit
Trotz dieser regulatorischen und organisatorischen Unsicherheiten gibt es Wege, um Mieterstrom- und GVV-Projekte erfolgreich umzusetzen. Entscheidend ist, die bekannten Stolpersteine von Anfang an einzuplanen und strategisch vorzugehen. Wer die zentralen Erfolgsfaktoren berücksichtigt, kann Risiken reduzieren und zudem Zeit, Kosten und interne Ressourcen schonen.
Einer der größten Erfolgsfaktoren ist die Beteiligungsquote der Mieter. Gerade bei Bestandsmietern hängt viel von der Beziehung zwischen Vermieter und Mieterschaft ab. Wo Vertrauen besteht, lassen sich hohe Teilnahmequoten deutlich leichter erreichen. Umgekehrt kann mangelnde Kommunikation bereits in der Startphase für Zurückhaltung sorgen.
Die Wahl des passenden Betreibermodells ist besonders entscheidend. Diese unterscheiden sich deutlich in Bezug auf Verantwortung, Risiko und Wertschöpfung. Jedes Modell hat seine Vor- und Nachteile, die von Standortfaktoren, potenziellen Partnern und nicht zuletzt den eigenen Kompetenzen und Kapazitäten im Unternehmen abhängen. Wer diese Aspekte frühzeitig berücksichtigt, schafft die Grundlage für attraktive Projekte für alle Beteiligten.
Schließlich sollte die langfristige Vertragsbindung bedacht werden. Mieterstromprojekte sind auf Jahre und Jahrzehnte angelegt. Die Partnerauswahl sollte daher gründlich durchdacht werden. Wer hier zu Beginn Zeit investiert, spart sich diese langfristig wieder ein. Praktisch bewährt hat sich ein fester Projektlead mit klaren Schnittstellen zu Technik, Recht und Vertrieb. Zeitpuffer sollten von Beginn an eingeplant werden.
Die fünf Mieterstrom-Modelle
Für den Betrieb von Mieterstrom stehen der Wohnungswirtschaft fünf Modelle zur Verfügung. Welches passt, hängt davon ab, wie viel man investieren möchte, welche internen Ressourcen vorhanden sind, wie hoch die gewünschte Wertschöpfung sein soll und wie groß die Bereitschaft ist, sich mit (energie-)regulatorischen Themen auseinanderzusetzen:
1. Dachflächenvermietung: Der Mieter der Dachfläche trägt das volle Investitionsrisiko, erhält im Gegenzug aber auch alle Erlöse. Für das Wohnungsunternehmen als Vermieter fallen keine Investitionskosten an, was von Vorteil ist, wenn Kapital gebunden ist oder andere Projekte Priorität haben. Der organisatorische Aufwand ist minimal, da sich die Steuerung auf die Vertragsbeziehung zum Mieter beschränkt. Eine Dachmiete ist langfristig aufgesetzt, da der Dienstleister die vollen Investitionskosten des Mieterstromprojektes trägt.
2. Anlagenpacht: Hier errichtet das Wohnungsunternehmen die PV-Anlage in Eigenregie und verpachtet sie anschließend an einen Dritten, der den Betrieb übernimmt. Das Wohnungsunternehmen trägt die Investitionskosten und hat danach keinen operativen Aufwand mehr. Die Laufzeiten sind in der Regel deutlich kürzer als beim Dachflächenvermietungsmodell, wodurch flexiblere Anpassungen ermöglicht werden. Der Pächter übernimmt Betrieb und Vermarktung, was sich auch in den Erlösen des Gebäudeeigentümers zeigt. Dafür entfällt jedoch für den Bestandshalter die Notwendigkeit, die PV-Anlage im Betrieb kontinuierlich betreuen zu müssen.
3. Lieferkettenmodell: In dieser Variante betreibt das Wohnungsunternehmen die PV-Anlage selbst und verkauft den erzeugten Strom an einen externen Lieferanten. Dieser bündelt den PV-Strom mit Reststrom aus dem Netz zu einem Gesamtstromprodukt und liefert es an die Mieter. Strom, der im Gebäude verbleibt, wird für den Gebäudeeigentümer anders vergütet, als solcher, der in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Die Investition und der technische Betrieb der PV-Anlage liegen im eigenen Verantwortungsbereich, während Kundenseite und Reststrombeschaffung ausgelagert sind. Der Mieterstromanbieter und der Gebäudeeigentümer verfolgen hier das gleiche Interesse: Möglichst viele Mieter für den Mieterstrom zu gewinnen.
4. Operations- und Dienstleistungsmodell: Die Wohnungswirtschaft trägt das finanzielle Risiko von Investition und Erlös, reduziert aber den eigenen Aufwand, indem sie die Erstellung der Abrechnungsunterlagen und oft auch den technischen Betrieb der Anlage an einen Dienstleister auslagert. Der Bestandshalter wird selbst zum Energieversorger. Dieses Modell bietet einen Mittelweg zwischen eigener Wertschöpfung und schlankem Personaleinsatz. Wichtig ist eine enge Abstimmung mit dem Dienstleister, um Reaktionszeiten und Servicequalität zu gewährleisten.
5. Aktiv-Modell: Hier liegen Investition, Risiko und Wertschöpfung vollständig beim Gebäudeeigentümer, inklusive aller hieraus entstehenden Verpflichtungen. Die Erlöse sind am höchsten, gleichzeitig müssen Know-how, Personal und Prozesse für technischen Betrieb, Abrechnung, Kundenservice und Rechtskonformität vorhanden sein. Dieses Modell eignet sich für Unternehmen mit klarer Strategie, die langfristig Kompetenz im eigenen Haus aufbauen wollen.
In der Regel bedeutet mehr Wertschöpfung auch mehr Verantwortung. Das gilt auch für PV-Projekte. Das kann lohnend sein, muss aber zur Unternehmensstrategie und -Größe passen. Positiv ist, dass es heute eine Vielzahl spezialisierter Partner gibt, die genau dort Unterstützung bieten, wo sie benötigt wird.
Erst pilotieren, dann durchstarten
Wohnungsunternehmen, die frühzeitig Pilotprojekte starten, verschaffen sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern auch Handlungsspielraum. Kleine, klar abgegrenzte Projekte eignen sich beispielsweise dazu, Prozesse zu testen, interne Abläufe zu optimieren und Partnerschaften zu erproben. Die dabei gesammelten Erfahrungen lassen sich später auf größere Bestände übertragen und ermöglichen es, Fehler aus der Pilotphase zu vermeiden.
Die Rolle externer Partner ist dabei entscheidend. Sie können Technik, Abrechnungssysteme und insbesondere Know-how einbringen, müssen aber sorgfältig ausgewählt werden. Neben Preis und Leistung sind auch Stabilität, Referenzen und die Fähigkeit, Projekte an die spezifischen Strukturen eines Unternehmens anzupassen, entscheidende Kriterien.
Mieterstrom und GGV sind nicht nur technische Projekte, sondern auch strategische Bausteine einer modernen ESG-Politik. Dies ist nicht nur für regulatorische Anforderungen sowie die Dekarbonisierung der Gebäudewirtschaft relevant, sondern wirkt sich auch positiv auf die Außenwirkung gegenüber Mietern, Investoren und Kommunen aus.
Die erste Umsetzung eines Projekts ist meist die schwierigste. Danach lassen sich Strukturen, Verträge und Partnerbeziehungen auf weitere Projekte übertragen. Daher lohnt es sich mit schlanken, kleinen Projekten zu starten um hier zu lernen. Die Prozesse werden in Folgeprojekten schneller, interne Widerstände sinken und die Akzeptanz steigt.
Warum sich der Aufwand lohnt
Wohnungsunternehmen, die Erfahrungen mit Mieterstrom oder GVV sammeln, profitieren mehrfach. Sie sichern sich einen Vorsprung und bauen internes Know-how auf, das für künftige Projekte entscheidend ist. Sie schaffen Mehrwerte für ihre Mieter und realisieren neue Erlöszweige. Die Nachfrage nach lokal erzeugtem, nachhaltigem Strom wird weiter steigen, während die regulatorischen Spielräume für ein Untätigbleiben abnehmen. Materialkosten für PV-Anlagen sind auf einem historischen Tief, während der Eigenverbrauch von Solarstrom die günstigste Energiequelle auf dem Markt darstellt.
Wirtschaftlich tragfähige Projekte lassen sich heute deutlich leichter umsetzen als noch vor wenigen Jahren. Es gibt Erfahrungen mit der Technik und den verschiedensten Geschäftsmodellen. Der politische Druck auf den Gebäudesektor zur Realisierung von PV-Aufdachanlagen und Dekarbonisierungsmaßnahmen wird weiter wachsen. Der Gebäudesektor sollte sich (spätestens) jetzt mit Geschäftsmodellen und regulatorischen Themen auseinandersetzen. Wer bereits PV-Projekte realisiert hat, sollte seine Strategie vor dem Hintergrund des aktuellen regulatorischen Rahmens prüfen und ausrollen. Wer jetzt beginnt, kann von vorhandener Technik und bereits gesammelter Branchenerfahrung profitieren.
Von der Strategie zur Umsetzung
Das sind die Unterschiede:Mieterstrom und Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV)
Magdalena Strasburger
Dr. Alexander Dlouhy
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