Deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft im Tief

Insolvenzen steigen bis August 2023 um 20 Prozent

Die Insolvenzen im deutschen Bau- und Immobiliengewerbe steigen deutlich: 2022 mit plus acht Prozent und bis August 2023 um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zu diesem Ergebnis kommt der Kreditversicherer Allianz Trade in seiner jüngsten Studie zum Bausektor.

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Symbolbild zum Thema extrem gestiegene Baukosten
Zoonar.com / DesignIt Bild: Zoonar.com / DesignIt
Symbolbild zum Thema extrem gestiegene Baukosten Zoonar.com / DesignIt Bild: Zoonar.com / DesignIt

Die Baubranche sei mit 21 Prozent aller Pleiten der Haupttreiber des nationalen Insolvenzgeschehens im Bau- und Immobiliensektor. Gleichzeitig verschärfe sich der Wohnungsmangel, denn die Zahl der Baugenehmigungen liege ein Drittel unter dem Vorjahr. Und es komme vermehrt zu Baustopps durch hohe Zinsen und Materialkosten. Der Kauf einer Immobilie bleibe deutlich teurer als Miete, selbst wenn Mieten um weitere 20 Prozent anziehen. Daher sei der Immobilienkauf auch bei vereinfachten Baugenehmigungen eine wenig attraktive Alternative.

Lange Zeit lief es wie geschmiert in großen Teilen der deutschen Baubranche – dank der Niedrigzinsphase. Mit dem Zinsanstieg folgte die Wende. Die Bauwirtschaft befinde sich aktuell in einem Tief: Die hohen Zinsen und massiv gestiegene Materialkosten führten zu Baustopps, Stornierungen sowie zuletzt auch zu Zahlungsverzügen und Insolvenzen. Schon im Jahr 2022 nahmen die Pleiten im deutschen Bau- und Immobiliengewerbe um acht Prozent zu (Baubranche + 11 %, Immobilien: + 10%). Im bisherigen Jahresverlauf bis einschließlich August 2023 bereits um 20 Prozent (Baubranche: + 16%,Immobilien: + 42%). Die beiden Branchen machen damit mehr als ein Fünftel (21%) aller Insolvenzen in Deutschland aus.

„Viele Bauprojekte liegen mit höheren Zinsen und Materialkosten auf Eis – mit sichtbaren Folgen für Projektentwickler, Bauunternehmen und vor allem den Wohnungsmarkt“, sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „2023 fehlen schätzungsweise 700.000Wohnungen. Bezahlbarer Wohnraum ist schon seit Jahren knapp, die aktuelle Situation dürfte dies noch weiter verschärfen.“

Insbesondere die Inflation habe den Druck auf den Wohnungsbestand erhöht. Die Mieten seien in diesem Jahr in ganz Deutschland in Rekordhöhe gestiegen – bei gleichzeitigen Reallohnverlusten. Gleichzeitig haben Inflation und steigende Zinsen die Neubauvorhaben jäh ausgebremst, weil der Wohnungsbau dadurch noch teurer geworden ist. Die Folge: Fast ein Drittel weniger Baugenehmigungen für Wohnungen (– 32 %) im August 2023 im Vergleich zum August 2022 und sogar minus 38 Prozent bei allen Gebäudearten.

Sandwich-Position von mittelständischen Subunternehmern

„Die Auftragslage trifft viele Projektentwickler und Bauunternehmer hart, da sie seit Monaten praktisch keine neuen Aufträge haben“, sagt Bogaerts. „Gerade die vielen mittelständischen Unternehmen sind als Subunternehmer oft in einer Art Sandwichposition mit geringer Preissetzungsmacht gegenüber großen Auftraggebern. Das macht sie besonders anfällig bei einer Verschlechterung der Auftragslage und der Konjunktur. Wer einen der wenigen Aufträge ergattern möchte, muss oft Abstriche bei den Margen machen.“

In den letzten Monaten zeichnet sich zwar eine ganz leichte Entspannung bei der Auftragslage ab, ein Turbo ist allerdings nicht in Sicht. Zudem erhöhen sinkende Real-Umsätze bei gleichzeitig hohen Kosten weiterhin den Druck auf die Unternehmen.

Steigende Insolvenzen – auch die großen Pleiten im Baugewerbe sind zurück

„Es zeigt sich aktuell, dass nicht alle diesem Druck standhalten können“, sagt Bogaerts. „Wir haben zuletzt in der deutschen Baubranche deutlich mehr Zahlungsverzüge und im bisherigen Jahresverlauf 16 Prozent mehr Insolvenzen gesehen, auch größere. Das gab es in den letzten Jahren nur sehr wenig.“

Im Immobiliensektor seien die Insolvenzen im bisherigen Jahresverlauf sogar um 42 Prozent gestiegen (beide Branchen zusammen + 20%).

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Die realen Umsätze im deutschen Baugewerbe seien in den ersten acht Monaten des Jahres 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um vier Prozent gesunken, nominal seien sie aufgrund der gestiegenen Baupreise um 5,4Prozent gestiegen. Ein kleiner Lichtblick seien die zuletzt leicht gesunkenen Materialkosten. Allerdings bewegen sie sich weiterhin auf hohem Niveau und Lohnkosten sowie Fachkräftemangel bereiten der Branche auch große Sorgen.

Sinkende Immobilienpreise: Jetzt doch lieber kaufen statt mieten?

Während die Baupreise steigen, sind die Preise von Immobilien zuletzt drastisch gesunken: Sie verzeichneten im zweiten Quartal 2023 mit minus 9,9Prozent einen Rekordrückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Ein leichter Anstieg der Septemberzahlen könnte signalisieren, dass die Talsohle eventuell aber erreicht ist und die Kaufpreise sich an einem Wendepunkt befinden.

„Trotz gesunkener Preise können sich viele Menschen den Hauskauf nicht leisten“, sagt Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade. „Die privaten ‚Häuslebauer‘ werden die Bauwirtschaft in der aktuellen Lage also nicht aus dem Nachfragetief ziehen. Das ist ein echtes Dilemma. Die Mieten sind explodiert, der Kauf scheint durch die hohen Kreditzinsen keine realistische Alternative zu sein, und eine Normalisierung ist kaum abzusehen – auch nicht durch vereinfachte Baugenehmigungen.“

Kauf bleibt deutlich teurer als Miete

Die Allianz Trade Studie berechnet die durchschnittliche monatliche Kreditbelastung eines privaten Haushalts für den Immobilienerwerb im Vergleich zu den durchschnittlichen Monatsmieten privater Haushalte in Deutschland zwischen 2011 und 2023. „Unsere Berechnungen zeigen, dass der Immobilienerwerb im Durchschnitt immer noch deutlich teurer ist als das Mieten in Deutschland“, sagt Gröschl. „Selbst wenn die Mieten auf der Grundlage des Niveaus von 2023 auf die gesetzliche Höchstgrenze von 20 Prozent steigen würden, würde die Differenz zwischen einer durchschnittlichen monatichen Kreditbelastung und einer durchschnittlichen monatlichen Miete immer noch 381 Euro betragen.“

Erst wenn zusätzlich zu den Mietpreissteigerungen die Immobilienpreise um 20Prozent gegenüber 2022 sinken würden – und damit um weitere zehn Prozent gegenüber dem derzeitigen Niveau – oder wenn stattdessen die Hypothekenzinsen zusätzlich zur Mieterhöhung auf 1,78Prozent sinken würden, lohnt sich der Hauskauf im Vergleich zur Miete. (Red.)

Redaktion (allg.)

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