Mit dem Potsdam-Bonus möchten wir ortsansässigen Potsdamerinnen und Potsdamern sowie Menschen, die in Potsdam arbeiten, bevorzugt eine Wohnung zur Verfügung stellen“: Mit diesen Worten bringt die Potsdamer Sozialbeigeordnete Brigitte Meier das zentrale Anliegen des Potsdam-Bonus auf den Punkt, dessen Einführung die Stadtverordneten im Dezember 2021 beschlossen haben. Im Januar 2022 begann eine Probephase, in deren Verlauf zunächst Wohnungen der kommunalen Wohnungsholding ProPotsdam unter den neuen Vergabebedingungen vermietet werden.
Hintergrund der Initiative ist der angespannte Wohnungsmarkt in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Nach den letzten verfügbaren Zahlen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) standen 2020 nur 1,9 Prozent der Potsdamer Wohnungen leer. Die durchschnittliche Neuvertragsmiete beziffern die – hauptsächlich im preisgünstigen Segment tätigen – BBU-Mitgliedsunternehmen auf 7,63 Euro pro Quadratmeter. Das ist praktisch gleich viel wie im benachbarten Berlin (7,66 Euro pro Quadratmeter).
Kinderzahl und Pflegegrad mitentscheidend
Für den Potsdam-Bonus haben die Stadt Potsdam und die ProPotsdam einen detaillierten Kriterienkatalog erarbeitet. Dieser berücksichtigt den Ortsbezug (Wohnsitz, Arbeits- oder Ausbildungsstätte in Potsdam), die Anzahl der Kinder, das Einkommen und das Vorhandensein einer Behinderung oder eines Pflegegrads. Für jedes Kriterium wird eine bestimmte Anzahl Punkte vergeben (vgl. Kasten). Den Zuschlag für die Wohnung erhält, wer die höchste Punktzahl aufweist. Voraussetzung ist zudem eine passende Haushaltsgröße – für eine Dreizimmerwohnung können sich nur Haushalte mit mindestens zwei Personen bewerben, für eine Vierzimmerwohnung müssen es mindestens drei Personen sein.
Mit diesem Katalog orientiert sich Potsdam an den sogenannten Einheimischenmodellen, die hauptsächlich im süddeutschen Raum – besonders im extrem hochpreisigen Münchner Umland – seit Jahren verbreitet sind. Dort geht es in der Regel jedoch nicht um die Vergabe von Mietwohnungen, sondern von Baugrundstücken für bauwillige Familien. In einzelnen Kommunen (etwa in Neuried und Oberhaching) finden sich jedoch auch Einheimischenmodelle für Mietwohnungen.
Während die Baugrundstücke in Süddeutschland zu vergünstigten Preisen an Berechtigte vergeben werden, ist mit dem Potsdam-Bonus kein Mietnachlass verbunden. Auf diesem Weg angeboten werden zudem keine öffentlich geförderten Wohnungen, sondern ausschließlich frei finanzierte Einheiten. Ziel ist es laut ProPotsdam-Pressesprecherin Jessica Beulshausen, jährlich rund 250 Wohnungen mit dem ProPotsdam-Bonus anzubieten, was 50 Prozent der frei vermietbaren Wohnungen entspricht. Bis Mitte März waren vier Wohnungen nach dem neuen Kriterienkatalog vergeben, wobei die Resonanz Beulshausen zufolge „sehr groß“ war. Grundsätzlich, so die Sprecherin, sei das neue Vermietungskonzept „als ergänzendes Instrument der vielfältigen wohnungspolitischen Maßnahmen der Landeshauptstadt“ zu betrachten.
Knackpunkt Europarecht
Doch ist die Bevorzugung von Einheimischen mit dem in der EU geltenden Recht auf Freizügigkeit überhaupt zu vereinbaren? Diese Frage ist berechtigt. Denn 2006 meldete die Europäische Kommission – bezogen auf ein Einheimischenmodell in Nordrhein-Westfalen – Bedenken dagegen an, dass vergünstige Baulandpreise ausschließlich Ortsansässigen zugutekommen. Erst 2017 einigten sich die Europäische Kommission, die Bundesregierung und der Freistaat Bayern (in dem solche Modelle besonders verbreitet sind) auf ein europarechtsverträgliches Konzept. Demnach dürfen Bewerber berücksichtigt werden, deren Vermögen und Einkommen bestimmte Obergrenzen nicht überschreiten. Im weiteren Verfahren darf das Kriterium der Ortsgebundenheit bei der Punktevergabe nur mit bis zu fünfzig Prozent gewichtet werden.
Im Fall des Potsdam-Bonus macht das Kriterium des Ortsbezugs einen Anteil von lediglich dreißig Prozent aus. „Auf eine Wohnung mit ProPotsdam-Bonus kann sich jeder bewerben, der Ortsbezug ist keine Voraussetzung“, verdeutlicht Jessica Beulshausen von der ProPotsdam. „Bei der Gewichtung überwiegen soziale Kriterien wie zum Beispiel die Einkünfte und der Pflegegrad beziehungsweise Grad der Behinderung.“
Ausdehnung auf private Vermieter geplant
In Potsdam planen derweil die Verantwortlichen, den Potsdam-Bonus auf weitere Vermieter auszudehnen. Noch bis September läuft die Pilotphase, in der die Erfahrungen der ProPotsdam ausgewertet werden sollen. Danach könnten konkrete Verhandlungen mit weiteren Vermietern geführt werden, teilt die Stadt Potsdam auf Anfrage mit. Bereits jetzt sei in Gesprächen mit privaten Wohnungsunternehmen „an verschiedenen Stellen grundsätzlich Bereitschaft zur Einführung des Potsdam-Bonus signalisiert“ worden.
Die Auswahlkriterien
Ortsbezug (Wohnsitz oder Arbeits- bzw. Ausbildungsstätte): max. 30 Punkte.
Haushaltseinkünfte: max. 30 Punkte.
Anzahl Mietvertragspartner und einziehender Kinder: max. 20 Punkte.
Behinderung/Pflegegrad: max. 20 Punkte.
Weitere Informationen:www.propotsdam.de/mieten/propotsdam-bonus
Christian Hunziker

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