Für ein schönes Wohngefühl

Wie Sicherheit in Quartieren entsteht und bleibt

Ob sich Menschen in einem Quartier sicher und gut aufgehoben fühlen, hängt von der architektonischen und städtebaulichen Gestaltung, dem sozialen Schutz durch lebendige Nachbarschaften und dem Sozialmanagement der Immobilieneigentümer sowie Vereinen und bürgerschaftlichen Initiativen ab.

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Nachbarschaftsfeste, am besten von den Bewohnern initiiert, schaffen Vertrauen. Eine lebendige Nachbarschaft erhöht die soziale Kontrolle und damit die Einhaltung von Normen und Werten. Bild: stock.adobe.com / Kzenon
Nachbarschaftsfeste, am besten von den Bewohnern initiiert, schaffen Vertrauen. Eine lebendige Nachbarschaft erhöht die soziale Kontrolle und damit die Einhaltung von Normen und Werten. Bild: stock.adobe.com / Kzenon

Das frühzeitige Zusammenwirken von Wohnungsunternehmen, Architekten, Landschaftsplanern, sozialen Einrichtungen, Mietervereinen und der Polizei schon in der Planungsphase kann zukünftige kriminelle Risiken wie Einbruch, Vandalismus, Diebstahl und Überfälle auf ein Minimum reduzieren und den Bewohnern das Gefühl der Geborgenheit und ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermitteln. Die Kooperation soll aber auch gewährleisten, dass die Bewohner sich mit ihrer Umwelt identifizieren, was zum Beispiel durch die Gestaltung eines humanen Wohnumfeldes und damit einhergehend einer Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden kann. Diese Ziele werden durch ein sinnvolles Zusammenspiel verschiedenster baulicher, planerischer sowie gestalterischer Maßnahmen erreicht.

Die Initiative „Sicherheitspartnerschaft im Städtebau in Niedersachsen“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität und Attraktivität unserer Städte und Gemeinden zu steigern. Dabei gibt sie dem Thema Sicherheit in Wohngebieten eine besondere Bedeutung. Um diesen Prozess zu verstärken, hat die Sicherheitspartnerschaft ein Qualitätssiegel für sicheres Wohnen entwickelt. Damit können Wohnobjekte in Städten und Gemeinden, die eine hohe Lebensqualität aufweisen und aktiv an einem positiven sozialen Umfeld arbeiten, ausgezeichnet werden.

Für die Vergabe des Niedersächsischen Qualitätssiegels für sicheres Wohnen werden neben technischen, objektiven Sicherheitsvorkehrungen auch Aspekte einbezogen, die die subjektive, gefühlte Sicherheitslage betreffen.

Dabei handelt es sich zum Beispiel um:

  • die Förderung von funktionierenden Nachbarschaften,
  • die Gestaltung und Sauberkeit von Innen- und Außenanlagen und
  • die Einbindung und Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen und Nahverkehrsmitteln.
Für die Entwicklung einer „Sicherheitsarchitektur“ und das soziale Quartiersmanagement von Wohnungsunternehmen hat die niedersächsische Sicherheitspartnerschaft 13 Kriterien in drei Schutzdimensionen entwickelt, die wir auszugsweise nachfolgend zitieren.

1 Schutz durch Städtebau, Architektur und technische Ausstattung

Kriterium 1: Zugangsbedingungen und technische Sicherung

Kontrollierte Zugänge auf das Grundstück und in das Haus besitzen einen hohen Stellenwert für das sichere Wohnen. Über eine (Video-)Sprechanlage kann beispielsweise frühzeitig festgestellt werden, wer Einlass begehrt. An belasteten Standorten kann dazu auch die elektronische Sicherung durch Videoanlagen gehören. Eine weitere wichtige Maßnahme kann sein, nicht einsehbare Außeneingänge zum Keller zu schließen und den Bereich unzugänglich zu machen. Verschließbare Hoftore ziehen klare Grenzen zwischen öffentlichem, halböffentlichem und privatem Bereich. Nutzräume wie Garagen oder Fahrradabstellräume sollten ebenfalls abschließbar sein.

Kriterium 2: Beleuchtung

Die Außenbeleuchtung der Wege und Gebäude ist so zu konzipieren, dass es keine dunklen Bereiche gibt. Innerhalb der Gebäude darf es ebenfalls keine dunklen Ecken geben. Denn eine mangelhafte Beleuchtung fördert Unsicherheitsgefühle und kann zu einer Verwahrlosung dieser Bereiche in den Abendstunden führen.

Eine gute Beleuchtung im Haus und um das Haus herum beugt potenziellen Einbrüchen vor.

Eine automatische Lichtsteuerung über Bewegungsmelder ist sowohl im Hauseingangsbereich als auch zur Ausleuchtung von Wegen und des Grundstückes sinnvoll.

Kriterium 3: Orientierung und Sicherheit

Bewohner fühlen sich unwohl und bekommen Angst vor Kriminalität, wenn das Wohnumfeld wegen einer verwirrend labyrinthischen Wegeführung unübersichtlich ist oder durch Büsche und Bäume so zugewachsen ist, dass keine Blickbeziehungen über das Areal möglich sind. Deshalb sollen die Flächen zwischen den Gebäuden übersichtlich geordnet sein und freie Blickbeziehungen sowie Transparenz bieten. Die Abfallbehälter sollten nicht in unbelebten und unübersichtlichen Bereichen abseits der Wege oder des Hauses angeordnet sein.

Kriterium 4: Sichere Abstellmöglichkeiten

Wenn Abstellmöglichkeiten für Fahrräder oder motorisierte Fahrzeuge fehlen, entsteht vor dem Haus schnell Unordnung durch „wildes Parken”. Es beruhigt beispielsweise, wenn Fahrräder nachts sicher in verschließbaren ebenerdigen Räumen in der Nähe des Hauseingangs untergestellt werden können. Park- und Abstellplätze im Freien dürfen nicht abgelegen sein, sondern sind in der Nähe zur Wohnbebauung anzulegen.

Kriterium 5: Räumliche Anordnung

Ein zentrales Merkmal der kriminalpräventiven Siedlungsgestaltung betrifft die Stellung der Gebäude auf dem Grundstück und in der Straße: Durch die Nähe der Wohnhäuser untereinander wird einerseits eine natürliche soziale Kontrolle gefördert. Andererseits ist es wichtig, dass die Gebäude konsequent zur Straße hin ausgerichtet werden. Die Anordnung der Fenster zu Straßen und Fußwegen geben einem Haus „Augen“, weil alle Ereignisse im öffentlichen Raum wahrgenommen werden können. Die Sichtbeziehungen aus den Fenstern regen die gegenseitige Aufmerksamkeit an. Gebäudevorsprünge wie Erker können zur besseren Überschaubarkeit des gesamten Wohnumfeldes beitragen. Wichtig ist auch eine überschaubare Größe von Gebäuden: Bei vereinzelt in die Fläche gestellten Hochhäusern ist die Kriminalitätsrate fast doppelt so hoch wie bei gruppierter niedriggeschossiger Bauweise.

Kriterium 6: Infrastrukturelle Anbindung

Die Anbindung von Quartieren an den öffentlichen Personennahverkehr verhindert die Isolation von Wohnstandorten. Der Anschluss an den ÖPNV ermöglicht es beispielsweise, dass die Wohnung in den Nachtstunden sicher erreicht werden kann. Die Haltestellen sollten mit transparenten Warte- und Unterstellmöglichkeiten ausgestattet sein und die Wege dorthin nachts gut ausgeleuchtet sein.

2 Schutz durch ein Sozialmanagement

Kriterium 7: Regelwerk der Nutzung

Eine von allen Parteien anerkannte und gelebte Ordnung mit klar formulierten Regeln ist ein geeignetes Instrument, um unerwünschte Ereignisse im Wohnhaus und im Wohnumfeld auszuschließen. Die Regeln müssen für die Bewohnerschaft leicht nachvollziehbar sein und von allen im Konsens getragen werden. Ein Regelkodex kann aber nur dann seine Wirkung entfalten, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner Verantwortung für die Einhaltung der Regeln übernehmen. Genauso wichtig ist es, dass die Anwendung und Einhaltung der Regeln regelmäßig überprüft wird.

Um eine stabile Nachbarschaftsstruktur in einem Neubauprojekt aufzubauen, kann zum Beispiel ein gezieltes „Belegungsmanagement“ durchgeführt werden: Zuerst lernen sich die Bewohner vor dem Einzug kennen. Danach treffen sie sich in kleinen Gruppen und legen die Grundsteine für die Bildung von Hausgemeinschaften.

Kriterium 8: Förderung der Hausgemeinschaft

Eine Voraussetzung für funktionierende Nachbarschaften ist eine überschaubare Anzahl von Haushalten je Wohnhaus (z.B. max. drei bis vier Wohnungen je Stockwerk und zehn bis 15 Haushalte je Wohnhaus). Eine weitere Voraussetzung ist, dass sich Menschen begegnen und kennenlernen können. Dazu bedarf es Orten, Plätzen und Räumen der Begegnung (Spielplätze, Sitzgelegenheiten, Grillplätze).

Auf der anderen Seite fördern regelmäßige Mieter- oder Eigentümerversammlungen, bei denen Möglichkeiten der Mitsprache bestehen, den Zusammenhalt im Haus.

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Kriterium 9: Sauberkeit und Instandhaltung

Im Vordergrund stehen schnelle und verantwortungsbewusste Reaktionen, um Vandalismus und Unordnung zu beseitigen und zu verhindern. Nach dem „Broken Windows“-Modell erzeugt eine Vernachlässigung von Gebäuden und Freiräumen Furcht unter der Bewohnerschaft. Denn ein zerbrochenes Fenster, das nicht repariert wird, zieht weitere Zerstörungen innerhalb kurzer Zeit nach sich. Deshalb kommt es darauf an, einer zunehmenden Verschmutzung durch Abfall und Zerstörungen im Wohnumfeld vorzubeugen. Wenn die regelmäßige Reinigung und Instandhaltung unterbleibt, signalisiert der physische Verfall, dass eine Kontrolle des Verhaltens in dieser Gegend nicht mehr stattfindet oder zumindest eingeschränkt ist. Das verstärkt die Furcht in der Bewohnerschaft; die Menschen ziehen sich in die Wohnungen zurück und die verminderte Kontrolle erleichtert die Begehung von Straftaten.

Kriterium 10: Kooperation mit anderen Institutionen

In der Zusammenarbeit mit der Polizei können sicherheitsrelevante Maßnahmen am Gebäude und im Wohnumfeld fachgerecht vorbereitet werden. Andere Kooperationen mit der Polizei können zum Beispiel darin bestehen, dass ein regelmäßiger Kontakt gepflegt wird und angemessene Reaktionen auf unerwünschte Ereignisse erörtert werden.

Es kann aber auch mit anderen lokalen Institutionen und Trägern zusammengearbeitet werden. Gemeinsam mit den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe sowie mit der Gemeinwesenarbeit vor Ort können etwa Projekte zur Integration von Bewohnergruppen konzipiert werden. Ein anderes Beispiel ist die Kooperation mit einem Qualifizierungsbetrieb im Garten- und Landschaftsbau, der junge Arbeitslose ausbildet und mit der Gestaltung sowie Pflege der Freiflächen im Wohnumfeld beauftragt wird.

3 Schutz durch Nutzungsverantwortung

Kriterium 11: Beteiligung und Aktivierung der Bewohnerschaft

Dritter Baustein der Kriminalprävention ist das Engagement der Bewohnerschaft. Es steigert die Lebensqualität, wenn man der Nachbarschaft vertrauen und sich darauf verlassen kann, dass sie genauso wachsam die Ereignisse im Quartier beobachtet, wie man das selber tut. Besonders bewährt haben sich auch aktive Beteiligungsformen: Denn für Bereiche am und im Haus, die mitgestaltet worden sind, bringen Bewohnerinnen und Bewohner im Allgemeinen ein größeres Verantwortungsgefühl auf. Beispielsweise kann die Bewohnerschaft an der Freiraumplanung beteiligt werden und so eine höhere Verantwortungsbereitschaft entwickeln, sich für die Belange des Hauses und der Freiflächen auch persönlich einzusetzen.

Kriterium 12: Übernahme nachbarschaftlicher Verantwortung

Das Abtreten von Verfügungsrechten an die Bewohner hilft, deren Engagement für das Wohnhaus und das Wohnumfeld anzuregen. Mit der Übernahme von Verantwortung für einen Mietergarten oder für die Pflege des Vorgartens wächst die Bereitschaft, sich um wohnbezogene Angelegenheiten zu kümmern und sich bei Gefährdungen persönlich einzusetzen. Ein anderes Beispiel betrifft die Übernahme von Baumpatenschaften oder Spielplatzpatenschaften.

Kriterium 13: Belebung des Quartiers

Sicherheit im Stadtraum hat auch etwas mit Geschäftigkeit, mit sichtbaren Aktivitäten und mit Leben auf der Straße zu tun. Die Anwesenheit von Menschen und die kontinuierliche Nutzung von Stadträumen gehört zu den wesentlichen Voraussetzungen für Sicherheit. Der Effekt gegenseitiger sozialer Kontrolle kann durch die Mischung unterschiedlicher Nutzungsfunktionen im Erdgeschoss wie Gaststätten mit offenem Straßenblick, Kioske, Pförtnerhäuschen, Werkstätten oder Einzelhandelsgeschäfte gefördert werden. Der Vorteil besteht in einer über den gesamten Tag verteilten Nutzungsfrequenz.

Auch die Mischung unterschiedlicher Wohnungsgrößen in den Häusern leistet einen Beitrag zur Belebung. In diesem Fall leben Menschen in verschiedenen Lebenssituationen zusammen: zum Beispiel Familien mit mehreren Kindern, Alleinerziehende mit einem Kind, alleinstehende ältere Personen und Paare. Weil die Bevölkerungsstruktur nicht einseitig ist, findet dann im Wohnumfeld mehr soziales Leben statt. Es gibt zu jeder Tageszeit Leute, die mitbekommen, was im Haus und im Außenbereich passiert.

So funktioniert soziale Kontrolle

Eine intensive Nachbarschaft, in der viele Menschen untereinander in Kontakt stehen, erhöht die soziale Kontrolle und damit die Einhaltung von Normen und Werten. Die eigene Beobachtung der anderen und das Gefühl, beobachtet zu werden, machen den grundlegenden wechselseitigen Mechanismus sozialer Kontrolle aus. Starke soziale Kontrolle vermindert die Häufigkeit von Regelübertretungen, denn diese werden bemerkt und geahndet. Außerdem können die Bewohner eher darauf vertrauen, dass ihnen die Nachbarn zu Hilfe kommen, falls sie verbal oder physisch angegriffen werden. Aus einem Quartier, in dem spürbar soziale Kontrolle ausgeübt wird, werden sich schließlich unerwünschte Personen fernhalten, denn sie müssen damit rechnen, dass ihr Verhalten entdeckt und sanktioniert wird. Soziale Kontrolle kann durch verschiedene Instrumente gestärkt werden:

  • Initiierung Nachbarschaftsinitiativen und Unterstützung des Ehrenamtes,
  • Mieterbeteiligung, etwa bei der Erstellung gemeinsamer Regeln und bei der Auswahl neuer Mieter,
  • Einrichtung von Nachbarschaftstreffs und die Gründung von Nachbarschaftsvereinen.

Die Eignung dieser Instrumente ist allerdings stark von den Rahmenbedingungen in einem Wohnquartier abhängig, dabei spielt insbesondere die soziale Bewohnerstruktur und deren Entwicklung eine wichtige Rolle. Deshalb sollte das Sozialmanagement immer die jeweiligen Ausgangsbedingungen berücksichtigen. Auch sollte geprüft werden, in welcher Form zum Beispiel Vereine und Sozialeinrichtungen in das Sozialmanagement einbezogen werden können.

Literaturhinweise

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan
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Artikel Wie Sicherheit in Quartieren entsteht und bleibt
Seite 28 bis 31
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