Wo kommen wir hin, wenn wir Baumaterial nur ausborgen?
Deutschland hat gewählt. Auch die kommende Regierungskoalition wird – wie immer die Parteienkombination aussieht – das „bezahlbare Wohnen“ zum politischen Ziel erheben. Aber wie soll das funktionieren? Wichtige Preisindikatoren weisen für den Wohnungsbau in urbanen Zentren in die andere Richtung. Gerade hat das Statistische Bundesamt gemeldet: Bauland war in Deutschland noch nie so teuer wie 2020. Da, wo alle hin wollen, in die Großstädte, kostet der Quadratmeter Grund und Boden 17 mal mehr als in kleinen Ortschaften (Seite 6). Nachfrage und Bautätigkeit bewegen sich weiter auf hohem Niveau. Preistreibend wirkt auch der Mangel an Handwerkern und die Knappheit an manchen Baustoffen. Der vdw Niedersachsen Bremen schlug im Sommer Alarm: Mittlerweile lägen die Baukosten in Ballungsregionen teilweise deutlich über 5.000 Euro pro Quadratmeter. Eine kostendeckende Miete liege dann bei mindestens 12 Euro.
Aus einem weiteren Grund wird die Teuerung für das Bauen und Betreiben von Immobilien anhalten. Die weitgehende Dekarbonisierung des Betriebs von Gebäuden ist das erklärte Ziel der Klimapolitik. Die Branche trägt das Ziel im Prinzip mit, streitet lediglich über die effektivsten technischen Lösungen. Der Druck, zu deutlichen CO2-Einsparungen zu kommen, wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Klimaschutz ist teuer. Für die Nutzer von Gebäuden könnte moderner Klimaschutz dennoch finanzierbar bleiben, wenn Immobilieneigentümer die Erzeugung von Wärme, Kälte und Strom an Energiedienstleister abgeben. Der Markt des Energie-Contractings bietet attraktive Optionen (Bericht ab 32). Contractoren schöpfen ihren Gewinn aus den Einsparungen einer effizienten Energieerzeugung und betreiben die Anlagen (Blockheizkraftwerde, PV-Anlagen etc.) auf eigene Rechnung. Das kann bei mehr Klimaschutz eine finanzielle Entlastung für Immobilieneigentümer und Nutzer bringen. Viele Wohnungsunternehmen und Verwalter sind mit den Anforderungen einer klimafreundlichen Haustechnik schlicht überfordert. Warum also nicht externe Spezialisten machen lassen, die bei den Effizienzgewinnen einen wesentlich größeren Hebel ansetzen können (Interview Seite 35).
Das Energie-Contracting könnte noch aus einem anderen Grund zu einer wirksamen, weil CO2-vermeidenden Option werden. Die CO2-Steuer, die in diesem Jahr lediglich 10 Euro pro Tonne beträgt, wird nach der jetzigen Gesetzeslage bis 2025 auf 65 Euro steigen. Damit werden die Emissionen eines Gebäudes zu einem Faktor der Wertermittlung und der Finanzierungskonditionen.
Dass wir in Sachen Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen immer noch ziemlich am Anfang stehen, dieses Gefühl beschleicht mich angesichts der Unmengen an Rohmaterialien und grauer Energie, die in den Baustoffen steckt, mit denen wir Gebäude errichten. Zukünftig wird es daher wohl so kommen, dass die Nachhaltigkeit eines Gebäudes auch daran gemessen wird, wie viele Materialien bei Abriss einer Kreislaufwirtschaft zugeführt werden können. Die Cradle-to-Cradle-Bewegung (von der Wiege zur Wiege) operiert mit einer schönen Metapher; das Gebäude sei ein Materiallager und die Baustoffe werden für das Gebäude nur „ausgeborgt“ (Projektbericht Seite 41). Sicher stellt es einen technischen Fortschritt dar, wenn wir viele Materialien so aufbereiten können, das sie ein weiteresMal verbaut werden können. Auf einem anderen Blatt steht, ob es für diese Recyclingbaustoffe einen Markt gibt. Häufig ist das Originalmaterial günstiger – aber diese Preise steigen derzeit ja kräftig.
Thomas Engelbrecht
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