Alternativangebote sind nicht stets notwendig
Eigentümergemeinschaft kann Sachverständigen auch ohne Einholung von Alternativangeboten Aufträge vergeben.
Es entspricht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur, dass ein Beschluss einer Eigentümergemeinschaft zur Beauftragung etwa von Handwerkern nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn der Verwalter zuvor alternative Angebote eingeholt hat, unter denen die Eigentümergemeinschaft dann eine Auswahl treffen kann. Wie die im Folgenden erläuterte Entscheidung zeigt, ist die Verpflichtung, Alternativangebote einzuholen, allerdings kein Selbstzweck. Der Kläger ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Eigentümergemeinschaft hatte auf einer Eigentümerversammlung beschlossen, einen öffentlich bestellten und gerichtlich vereidigten Sachverständigen damit zu beauftragen, Art und Umfang von Sanierungsarbeiten an Betonbauteilen zu ermitteln. Für den Sachverständigen war ein Stundenlohn von 130 Euro und von 45 Euro für Sekretariatsarbeiten angesetzt. Insgesamt war in dem Beschluss für die Ermittlung des Sanierungsbedarfs, die Erstellung eines Leistungsverzeichnisses mit Angebotseinholung und Preisspiegel ein Betrag von insgesamt 15.000 Euro freigegeben worden, der aus der Instandhaltungsrücklage entnommen werden sollte. Diesen Beschluss hatte der Kläger angefochten. In der 1. Instanz hatte das Amtsgericht den Beschluss für ungültig erklärt, weil der Verwalter nicht vor der Beschlussfassung Alternativangebote eingeholt habe. Dagegen legte die Eigentümergemeinschaft Berufung zum Landgericht ein. Das Landgericht gab der Berufung statt und erklärte den Beschluss für ordnungsgemäß.Problemstellung
Die Entscheidung
Nach Ansicht des Landgerichts ist im Grundsatz anerkannt, dass jedenfalls bei der Beauftragung von nicht ganz geringfügigen Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen ein Beschluss nur dann ordnungsgemäß ist, wenn zuvor alternative Angebote eingeholt wurden. Die Einholung von Alternativangeboten ist allerdings kein Selbstzweck. Alternativangebote dienen dem Zweck, die Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft auf eine gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen. Gerade bei Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten gibt es regelmäßig verschiedene Herangehensweisen oder verschiedene Materialien, mit denen sich der angestrebte Erfolg erreichen lässt. Mit der Vorlage von Alternativangeboten wird die Eigentümergemeinschaft in die Lage versetzt, unter verschiedenen Angeboten sowohl das sachgerechteste als auch das wirtschaftlichste auszuwählen.
Daraus folgt aber auch, dass die Einholung von Alternativangeboten dann nicht erforderlich ist, wenn es gar keiner Auswahlentscheidung bedarf. Eine solche Situation sah das Landgericht bei der Beauftragung eines Sachverständigen als gegeben an. Das Sachverständigengutachten dient gerade dazu, hinsichtlich der verschiedenen technischen Lösungen aufzuklären, inwieweit das gemeinschaftliche Eigentum sanierungsbedürftig ist und welche Sanierungsmöglichkeiten bestehen. Bei der Beauftragung eines Sachverständigen geht es um dessen Qualifikation und zudem um sein Preisgefüge. Bei einem öffentlich bestellten und gerichtlich vereidigten Sachverständigen kann man davon ausgehen, dass die erforderliche Qualifikation vorliegt. Die Stundensätze hatte der Sachverständige der Wohnungseigentümergemeinschaft genannt. Der Kläger hatte nicht behauptet, dass andere Sachverständige erheblich günstigere Stundensätze angeboten hätten. Selbst wenn aber dazu in der Eigentümerversammlung Alternativangebote vorgelegen hätten, wäre keine Auswahlentscheidung möglich gewesen, weil es für den Preis der Begutachtung weniger auf den Stundensatz an sich als auf den Stundenaufwand ankommt. Der Arbeitsaufwand ist aber vorab kaum zu prognostizieren. Hinzu kommt aus Sicht des Landgerichts, dass die Eigentümergemeinschaft für die Beauftragung des Sachverständigen 15.000 Euro eingeplant hat, während für die Sanierungsarbeiten mehrere 100.000 Euro anzusetzen sind, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Beauftragung des Sachverständigen hat gegenüber den anstehenden Sanierungsmaßnahmen einen eher geringen Umfang. Auch deshalb waren alternative Angebote nicht erforderlich.
Konsequenzen
Die Entscheidung ist aus Sicht des Wohnungsverwalters nicht ganz unproblematisch. Die Regel, dass der Eigentümergemeinschaft vor jeder kostenauslösenden Entscheidung mindestens drei alternative Angebote vorzulegen sind, ist leicht zu praktizieren. Nunmehr wird die Fragestellung, ob bei einer bestimmten anstehenden Entscheidung der Eigentümerversammlung eine Auswahlentscheidung erforderlich und möglich ist, auf den Verwalter verlagert. Der Verwalter trägt künftig das gegebenenfalls auch Schadenersatz berechtigende Risiko, mit seiner Einschätzung falsch zu liegen. Andererseits befreit es den Verwalter von der gelegentlich mühseligen Arbeit, auch bei Kleinstaufträgen Alternativangebote einzuholen, selbst wenn es gar keine ernsthaften anderen Anbieter dieser Leistung auf dem Markt gibt.
Praxistipp
Liegt der Verwalter mit seiner Einschätzung, die Einholung von Alternativangeboten sei hier nicht erforderlich, falsch und wird der Beschluss deshalb erfolgreich angefochten, verzögern sich nicht nur die geplanten Sanierungsmaßnahmen, sondern es entstehen der Eigentümergemeinschaft weitere Kosten, die im Zweifelsfall auf den Verwalter abgewälzt werden können. Der Wohnungsverwalter sollte deshalb mit der ihm eingeräumten „Freiheit“ vorsichtig umgehen und vor jeder Entscheidung sorgfältig prüfen, ob nicht die Einholung von Alternativangeboten zu einer ausgewogenen Entscheidung beitragen könnte. JM
Dr. Jonas Müller

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