Abmahnung vor Entziehung des Wohneigentums

Die Regelung des § 18 WEG ist allerdings als „letztes Mittel“ gedacht und deshalb an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. In einer nun veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19.01.2007, Az. V ZR 26/06) hat sich dieser eingehend mit den Voraussetzungen auseinandergesetzt.

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Sachverhalt
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Gemeinschaft klagt gegen einen Wohnungseigentümer. Der beklagte Eigentümer, der seine Wohnung vermietet hat, zahlte das von ihm geschuldete Wohngeld seit 1997 regelmäßig erst nach gerichtlicher Geltendmachung. Seine Rückstände beliefen sich im Wirtschaftsjahr 2003/2004 auf 4.036,99 € und im Wirtschaftsjahr 2004/2005 auf 3.240,00 €, die er im Verlaufe des Rechtsstreits bezahlte. Auf einer Wohnungseigentümerversammlung vom 8.8.2004 beschloss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Beklagten, diesem das Wohnungseigentum zu entziehen, „da er fortlaufend seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der WEG verweigert oder diese erst durch aufwendige und langwierige Mahnverfahren erzwungen werden müssen“. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten. Der Aufforderung der Kläger vom 16. August 2004, ihnen freiwillig seine Wohnung zu verkaufen, kam der Beklagte nicht nach. Auch das Angebot der Kläger vom 21. September 2004, die gerichtliche Geltendmachung des Entziehungsbeschlusses zurückzustellen, wenn die Rückstände bis zum 6. Oktober 2004 ausgeglichen und das Wohngeld künftig pünktlich gezahlt würde, nahm der Beklagte nicht zum Anlass für entsprechende Zahlungen. Er zahlte sie vielmehr erst nach dem Urteil erster Instanz. Die Kläger möchten den Entziehungsbeschluss mit der vorliegenden Klage durchsetzen. Dem tritt der Beklagte entgegen.

Die Entscheidungen
Das Amtsgericht Darmstadt (Az. 311 C 56/05) hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht, das Landgericht Darmstadt (Az. 25 S 121/05), hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der BGH hat die Klage abgewiesen und ausgesprochen, dass die Kläger die Kosten des Rechtsstreits tragen. Er hat in seiner umfangreichen Entscheidung mehrere Einzelaspekte untersucht. Diese werden nachfolgend wiedergegeben.

Wer kann Entziehungsklage führen?
Der BGH stellte fest, dass die Kläger als Wohnungseigentümer dazu ermächtigt sind, die Entziehungsklage durchzuführen. Der BGH stellte weiter klar, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch einzelne Wohnungseigentümer im Übrigen ermächtigen könne, ihr zustehende Ansprüche geltend zu machen. Hierzu auch die Neuregelungen zur Teilrechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft in § 10 Abs. 6 WEG (vgl. Nötzold, Immobilien vermieten 7-8, S. 40f.) sowie die Klarstellung in § 18 Abs. 1 Satz 2 WEG.

Fortdauernd unpünktliche Zahlung
Die fortdauernde unpünktliche Erfüllung von Wohngeld- und anderen Zahlungsansprüchen der Eigentümergemeinschaft kann die Entziehung des Wohneigentums rechtfertigen. Die Entziehung setzt nach § 18 Abs. 1 WEG voraus, dass sich der betroffene Eigentümer einer so schweren Verletzung seiner ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern obliegenden Verpflichtung schuldig gemacht hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann. Hierunter fällt die Verletzung der Pflicht zur Lasten- und Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WEG. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist eine Entziehung wegen Wohngeldrückständen allerdings nur möglich, wenn sich der Wohnungseigentümer in Höhe eines Betrages, der 3 % des Einheitswertes seines Wohnungseigentums übersteigt, länger als 3 Monate in Verzug befunden und, § 19 Abs. 2 WEG, diesen Rückstand auch nicht bis zur Erteilung des Zuschlags nach § 57 WEG ausgeglichen hat. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, weil der Beklagte seinen Rückstand nach seiner Verurteilung in erster Instanz ausgeglichen hat.
Dies versperrt aber den Rückgriff auf die Generalklausel des § 18 Abs. 1 WEG nicht. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG hebt lediglich einen speziellen Anwendungsfall des § 18 Abs. 1 WEG beispielhaft hervor. Die unpünktliche Erfüllung dieser Pflicht kann ein Gewicht erlangen, das den anderen Wohneigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem säumigen Wohneigentümer unzumutbar macht.
Der BGH führte weiter aus, dass sich das Gemeinschaftseigentum sachgerecht nur verwalten lässt, wenn die Wohneigentümer die Aufbringung der dafür erforderlichen Mittel nicht nur beschließen, sondern die gefassten Beschlüsse auch umsetzten und die Wohngelder und Umlagen zahlen. Entzieht sich ein Eigentümer nicht nur gelegentlich und nicht nur geringfügig dieser Pflicht, kann vor allem dem Verwalter oder den mit der Verwaltung befassten Wohneigentümern je nach Umfang und Häufigkeit der Zahlungsverzögerungen die erforderliche Planungssicherheit genommen und die Verwaltung nachhaltig beeinträchtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn ein Wohneigentümer erst auf Mahnung oder Klage oder nur mit Verzögerung zahlt.
Stört ein solches Verhalten die ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums nachhaltig, kann es die Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar machen. Das hat das Berufungsgericht hier angenommen. Diese tatrichterliche Wertung ist nach Auffassung des BGH nicht zu beanstanden.

Entziehung setzt Abmahnung voraus
Der BGH bemängelte jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, eine Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 Abs. 1 WEG wegen fortlaufend unpünktlicher Erfüllung der Lasten- und Kostentragungspflicht setze keine Abmahnung voraus. Zwar wird in § 18 Abs. 1 WEG eine Abmahnung nicht ausdrücklich erwähnt. Teilweise wird eine solche deshalb auch nicht besonders angesprochen oder wegen des Gewichts des Entziehungsgrundes nicht verlangt. Nach herrschender Ansicht ist Unzumutbarkeit dagegen erst anzunehmen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen, insbesondere eine Abmahnung, erfolglos geblieben sind. Der Gesetzgeber hat die Entziehungsklage als letztes Mittel zur Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens gegenüber einem von ihm so genannten Störenfried eingeführt. Als solchen sieht er einen Wohnungseigentümer an, der nicht nur seine Pflichten grob verletzt, sondern böswillig ist. Das lässt sich nach Ansicht des BGH, von Ausnahmefällen abgesehen, nur feststellen, wenn der Wohnungseigentümer zunächst zur Einhaltung seiner Pflichten angehalten wird - also eine Abmahnung erfolgt. Eine Abmahnung ist in dem zweiten, dem vorliegenden Fall näher liegenden Regelbeispiel des § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG zwar nicht vorgeschrieben. Hier wird aber ein der Abmahnung entsprechender Effekt dadurch erreicht, dass die Entziehung nach § 19 Abs. 2 WEG entfällt, wenn die Rückstände bis zum Zuschlag nach § 57 WEG ausgeglichen werden. Die Entziehungsklage hat daher selbst lediglich die Wirkung einer Abmahnung.
Die anderen Wohnungseigentümer haben die bestehenden und ihnen zumutbaren Möglichkeiten zur Unterbindung störenden Verhaltens auszuschöpfen, wozu damit auch die Abmahnung des betroffenen Wohnungseigentümers gehört. Auf sie kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, etwa dann, wenn diese der Gemeinschaft unzumutbar ist oder offenkundig keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Danach ist nach Auffassung des BGH hier eine Abmahnung erforderlich gewesen. Der Beklagte hat zwar seine Pflicht zur Zahlung des Wohngelds über Jahre hinweg nur auf gerichtliche Inanspruchnahme hin erfüllt. Die Kläger hätten die Gemeinschaft aber dessen ungeachtet fortgesetzt. Für den Beklagten war laut BGH ohne einen entsprechenden Hinweis nicht klar, dass sein Verhalten die Kläger nicht nur zur Einleitung gerichtlicher Verfahren zur Durchsetzung der Gemeinschaftsansprüche veranlasst, sondern aus ihrer Sicht Anlass zur Entziehung des Wohnungseigentums gab. Eine Abmahnung war den Klägern zumutbar.
Eine Abmahnung war nach Ansicht des BGH auch nicht aussichtslos. Der Beklagte hat zwar weder den Entziehungsbeschluss noch das Angebot der Kläger, von der Durchsetzung dieses Beschlusses bei fristgerechtem Ausgleich der Rückstände und künftig pünktlicher Zahlung Abstand zu nehmen, zum Anlass genommen, die Rückstände auszugleichen. Das besagt aber nicht, dass die zur Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 Abs. 1 WEG erforderliche Abmahnung auf den Beklagten ohne Eindruck geblieben wäre. Dass es ihnen um mehr, nämlich um eine generelle Änderung seines Zahlungsverhaltens und um eine Entziehung des Wohnungseigentums auch für den Fall gegangen war, dass er die Rückstände später doch ausgleichen würde, konnte der Beklagte bei objektiver Sicht nicht erkennen. Aus seiner Sicht begnügte sich die Gemeinschaft mit der Durchsetzung ihrer Zahlungsansprüche. Hätte sie weitergehende Konsequenzen ziehen wollen, so hätte sie das unmissverständlich deutlich machen müssen.

Keine Nachholung
Eine Abmahnung kann den ihr zugedachten Zweck nur erfüllen, wenn sie vor einem Entziehungsbeschluss erfolgt, woran es hier fehlte. Sie soll den Wohnungseigentümer vor dem drohenden Entziehungsbeschluss warnen. Gleichzeitig soll er erfahren, was er zu tun hat, um diesen Beschluss und seinen Vollzug zu vermeiden. Die Abmahnung hat aber auch den Zweck, sicherstellen, dass die übrigen Wohnungseigentümer den Entziehungsbeschluss nur fassen, wenn die Pflichtverletzung eine Fortführung der Gemeinschaft unzumutbar macht.

Häuser, in denen Wohnungen sind, können einer einzelnen Person oder einer einzelnen Gesellschaft gehören. Es gibt jedoch auch Häuser, die in Wohnungseigentum aufgeteilt sind und bei denen jede einzelne Wohnung einem einzelnen Eigentümer gehört - diese Wohnung...

Entziehungsgrund bei künftiger Pflichtverletzung
Der gefasste Entziehungsbeschluss macht nach Auffassung des BGH dem Beklagten aber - jedenfalls in Verbindung mit dem Schreiben vom 21. September 2004 - klar, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die fortdauernd unpünktliche Zahlung der Wohngelder durch den Beklagten nicht länger hinnimmt und dies zum Anlass für eine Entziehung nehmen will. Er stellt inhaltlich eine Abmahnung dar. Das hat zur Folge, dass ein Entziehungsgrund gegeben ist, wenn der Beklagte künftig, und sei es auch nur einmal, seine Zahlungsverpflichtungen in nicht nur zu vernachlässigendem Umfang unpünktlich erfüllt. Die Gemeinschaft kann dann den nach § 18 Abs. 3 WEG erforderlichen Entziehungsbeschluss fassen und auf Entziehung klagen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Beklagte unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Dauer seines Wohlverhaltens, annehmen darf, die zur Abmahnung führenden Vorgänge hätten sich für die Gemeinschaft erledigt.

Fazit
Der Verwalter von Wohneigentum muss diese Rechtsprechung unbedingt beachten. Vor einer Entziehungsklage ist unbedingt eine Abmahnung vorzunehmen.

§ 18 WEG lautet:
Entziehung des Wohnungseigentums
(1) Hat ein Wohnungseigentümer sich einer so schweren Verletzung der ihm gegenüber anderen Wohnungseigentümern obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, so können die anderen Wohnungseigentümer von ihm die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen. Die Ausübung des Entziehungsrechts steht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu, soweit es sich nicht um eine Gemeinschaft handelt, die nur aus zwei Wohnungseigentümern besteht.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen insbesondere vor, wenn
1. der Wohnungseigentümer trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen die ihm nach § 14 obliegenden Pflichten verstößt;
2. der Wohnungseigentümer sich mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen zur Lasten- und Kostentragung (§ 16 Abs. 2) in Höhe eines Betrages, der drei vom Hundert des Einheitswertes seines Wohnungseigentums übersteigt, länger als drei Monate in Verzug befindet.

(3) Über das Verlangen nach Absatz 1 beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von mehr als der Hälfte der stimmberechtigten Wohnungseigentümer. Die Vorschriften des § 25 Abs. 3, 4 sind in diesem Falle nicht anzuwenden.

(4) Der in Absatz 1 bestimmte Anspruch kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Redaktion (allg.)

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