Die Leidenschaft der Frau Spiewak-Berg

Solingen, die Stadt der scharfen Klingen und Scheren im Bergischen Land. Sie liegt in direkter Nachbarschaft zu den angesagten Großstädten Düsseldorf und Köln. Dort wird das Geld verdient, dort geht man aus und kauft schick ein. Solingen verliert Einwohner und Kaufkraft 14 % waren es nach der Statistik der Stadt im vergangenen Jahrzehnt. Die Wohnungsgenossenschaften der Stadt haben mit Leerstandquoten von bis zu 10 % zu kämpfen, berichtet Karin Spiewak-Berg. Sie hat trotzdem Spaß am Vermietungsgeschäft.

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"Ein bisschen Exklusivität soll schon sein", Karin Spiewak-Berg. Foto: Engelbrecht
"Ein bisschen Exklusivität soll schon sein", Karin Spiewak-Berg. Foto: Engelbrecht

Seit 15 Jahren führt sie den Beamten-Wohnungsbauverein Solingen. Mit einem dreiköpfigen Verwaltungsteam und einem Regiebetrieb von 17 Handwerkern hegt und pflegt Spiewak-Berg eine kleine, aber feine Genossenschaft, die in 200 Gebäuden 800 Wohnungen bewirtschaftet. „Wir haben keinen Leerstand, obwohl wir keine Dividende zahlen und unsere Anteile teuer sind“, berichtet Spiewak-Berg und legt mit einer rhetorischen Frage nach: „Das muss doch einen Grund haben?“ Die Antworten darauf erschließen sich Schritt für Schritt in einem Gespräch, das zeigen soll, dass der Vermietungserfolg der Genossenschaft viel mit den Prinzipien und der Führungskultur der Geschäftsführerin zu tun hat. Und mit ihrer Leidenschaft für den Beruf.

5 Mio. gegen Leerstand
„Ich habe von der Pike auf gelernt“, beginnt Spiewak-Berg, „damals hieß es immer, unsere Aufgabe ist die Versorgung breiter Bevölkerungsschichten. Das müssen wir heute neu definieren.“ Sie hält viele Genossenschaften für „verstaubt“. Es gebe kaum noch Mieter, die sich mit den traditionellen Werten wie dem lebenslangen Wohnrecht identifizieren können. Heute sei Mobilität angesagt, Männer und Frauen sind den ganzen Tag außer Haus. Genossenschaften sollten heute, sagt Spiewak-Berg, ein bisschen Exklusivität bieten. Neue Wohnungen lässt sie so planen, als wollte sie selbst darin leben. „Warum sollen Mieter schlechter wohnen als ich selbst?“
Ihre Ansprüche an das Wohnen werden zur Zeit bei der Modernisierung von vier kasernenartigen Wohnblöcken aus den frühen 1950er Jahren umgesetzt. Zwei Häuser in der Guntherstraße sind fast fertig, bis Ende 2013 sollen alle vier Gebäude mit insgesamt 88 Wohnungen saniert sein. Bis dahin wird die Genossenschaft 5 Mio. Euro investiert haben. Äußerlich werden sich die Gebäude voneinander unterscheiden, berichtet die Geschäftsführerin, durch unterschiedliche Dachneigungen, durch Dächer mit und ohne Gauben und verschieden farbigen Fensterrahmen. Die Mieter können sich aus einem vorausgewählten Sortiment ihre Fliesen und Sanitäranlagen aussuchen. Auch bei der Platzierung von Steckdosen und Lichtschaltern können Mieter ihre Wünsche äußern. Der Raum unter Dachschrägen wird auf Wunsch für den Einbau von begehbaren Schränken genutzt. Ein bisschen Luxus soll schon sein. Der beeindruckt insbesondere die Damen. Die Aussicht auf einen großen Kleiderschrank und ein modernes Bad seien wichtige Aha-Erlebnisse, sagt Spiewak-Berg. „Häufig sind es die Frauen, die die Entscheidung für eine Wohnung treffen.“

Aufstockung bringt mehr Erlöse
Moderne Ansprüche an das Wohnen kann die Genossenschaft derzeit am besten in den 24 Maisonette-Wohnungen erfüllen, die im Zuge der Modernisierungen in der Guntherstraße bis 2013 entstehen. Die vier Wohnblöcke werden um eine Etage aufgestockt. Die zweistöckigen Maisonettes sind ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg des 5-Mio.-Projektes, denn sie bringen zusätzliche Mieteinnahmen. Spiewag-Berg erzählt, dass die Interessenten Schlange stehen. „Wir könnten schon heute die Maisonette-Wohnungen vermieten, deren Bau noch gar nicht begonnen hat. Das haben wir so nicht erwartet.“
Vor Beginn des Modernisierungsprojektes stand für Spiewak-Berg fest: Die alten Wohnungszuschnitte sind nicht mehr vermietbar. „Mieter, die da heute noch einziehen, würden die Siedlung herunterziehen.“ Höherwertige Wohnungen dagegen, so ihre Erfahrung, locken Mieter an, die auf die Wohnung und das Umfeld achten. „Die trennen ihren Müll und achten auf Sauberkeit im Flur.“ Ein schönes Wohngefühl wird durch viele Details erzeugt. Karin Spiewak-Berg möchte auf dem Außengelände zwischen den vier modernisierten Gebäuden Obstbäume pflanzen lassen. „Kinder erleben Äpfel doch nur noch im Supermarkt-Regal“. Klingt nach heiler Welt in Solingen. Und die Chefin sagt weiter: „Man hat wunderbare Mieter wenn man sich kümmert“. Zwar sei vieles in einer kleinen Genossenschaft einfacher, aber wie in jeder Branche entscheidet letztlich der Kunde. „Wir haben Zulauf, die Mieterschaft verjüngt sich. Wir können uns die Mieter aussuchen und so Nachbarschaften gestalten. Wenn ein Mieter auszieht, bringt er meist schon einen Nachmieter mit“.

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Warmmiete bleibt konstant
Kundenorientierung war auch im Vorfeld des Modernisierungsprojektes Guntherstraße ganz wichtig und bedeutet, die Mieter durch frühzeitige Information ins Boot zu holen, denn sie müssen während der Sanierungsarbeiten in ihren Wohnungen bleiben. Spiewak-Berg räumt ein, dass die Überzeugungsarbeit in diesem Fall leicht war, denn sie konnte den Mietern versprechen, dass die Warmmieten nicht steigen werden. Es werde keine modernisierungsbedingte, sondern lediglich turnusmäßige Erhöhungen der Kaltmieten geben, versichert die Geschäftsführerin. Durch den Einsatz von Luftwärmepumpen werden sich die Heizkosten glatt halbieren. „Ich kann die Kollegen nicht verstehen, die leichtfertig sagen, die Kosten kann man auf die Mieter umlegen. Die haben nur ein Portemonnaie“. Spiewak-Berg sieht sich in der Pflicht, Nebenkosten zu reduzieren, denn andernfalls seien die Mieter den Energiemärkten geradezu ausgeliefert.
Der Beamten-Wohnungsbauverein kann dank der Sanierung erstmals auch mit ökologischen Argumenten im Marketing punkten. Mehrere regionale Medien, darunter auch der WDR, haben die positive Öko-Bilanz der sanierten Gebäude zum Thema gemacht. Mit der Fertigstellung des ersten Gebäudes in der Guntherstraße konnte die Genossenschaft melden, dass die ersten 27 Mieter CO2-neutral mit Energie versorgt werden. Nicht nur der Allgemeinstrom und der Strom, mit dem die Luft-Wasser-Wärmepumpen arbeiten, sind zertifizierter Strom aus regenerativer Erzeugung. Auch die Mieter konnte die Geschäftsleitung ausnahmslos davon überzeugen, „sauberen“ Strom zu beziehen.
Ein Hauch von Exklusivität, Komfort und eine saubere Öko-Bilanz - das ist das Rezept von Karin Spiewak-Berg gegen Leerstände, die sich ihrer Erfahrung nach wie ein Waldbrand ausbreiten, wenn man nicht durch Modernisierung gegensteuert. „Ich habe das große Glück, dass die Kapitalkosten historisch niedrig sind“, relativiert sie den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Genossenschaft. Von Glück spricht Spiewak-Berg ein zweites Mal als sie feststellt: „Ich habe das Glück, hier arbeiten zu dürfen.“ Wenn das keine Leidenschaft für die Wohnungswirtschaft ist.

Thomas Engelbrecht

Weiterführende Links:
http://www.bauverein.net/

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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