Helsinki baut am Wasser

Tuomas Rajajärvi, Architekt und Leiter des Stadtplanungsamtes bringt es auf den Punkt: „Die Stadtstruktur Helsinkis ändert sich momentan schneller als in den letzten hundert Jahren. In der Hauptstadt vollzieht sich ein großer Wandel.“

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Luftbild von Helsinki
Luftbild von Helsinki
Grund dafür ist die Verlagerung des Frachthafens von Vuosaari. Damit sind große Gebiete der Innenstadt zur Sanierung und Umgestaltung freigegeben worden.

Bauen und planen
Helsinki ist eine relativ junge Stadt mit heute 560.000 Einwohnern. Sie wurde 1550 auf königlichen Befehl gegründet und entwickelte sich nach wechselvoller Geschichte zur Großstadt. Seit 1964 wächst die Metropole nach einem Generalplan, der inzwischen zum Masterplan für die Verkehrs- und Bodenplanung des gesamten Siedlungsraumes wurde. Für die Infrastruktur unter der Erde entstand sogar ein unterirdischer Flächennutzungsplan. Die Stadt hat sich das Ziel gesetzt, 4.500 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Man rechnet bis 2020 mit etwa 600.000 Einwohnern.
Im internationalen Vergleich fühlt sich die finnische Hauptstadt als Musterstadt der Wohnungsstruktur: „Helsinki hat es geschafft, eine gesunde 50:50-Balance zwischen Eigentums- und Mietwohnungen innerhalb der Wohngebiete zu halten. Dieser Anspruch gilt auch in den neuen Bezirken“, so Rajajärvi.

Fischhafen Kalasatama
Der am Ostrand der Innenstadt Helsinkis entstehende Bezirk Kalasatama grenzt an drei Seiten ans Meer. Hier werden das 172 ha große ehemalige Hafengebiet Sörnäinen und das Kraftwerk auf der Insel Hanasaari zu Wohnstätten, Handelseinrichtungen und Gewerbegebieten umgebaut. Bis 2030 entstehen Wohnungen für 18.000 Einwohner und 12.000 Arbeitsplätze. Den Bewohnern der Stadt sollen neue, an ihre individuellen Bedürfnisse angepasste Wohnmöglichkeiten angeboten werden. Eine alte Gasfabrik wurde bereits zum Kulturzentrum Suvilahti umgewandelt und trägt zur alternativen Atmosphäre Kalasatamas bei.
Das Bild des Stadtteils wird von fünf riesigen sattelförmigen Terrassenhäusern geprägt, welche eine wunderbare Aussicht aufs Meer bieten. Die östlichen Teile des neuen Zentralparks werden als langer, schmaler Streifen bis nach Kalasatama reichen. Die fünf Kilometer lange Küstenlinie mit ihrer Promenade macht den Bezirk auch zu einem attraktiven Ausflugsgebiet.

Westhafen Jätkäsaari
Im Jahr 2008 wurde in Vuosaari, im östlichen Helsinki, der modernste Hafen der Ostseeregion eröffnet. So wurde der ehemalige Frachthafen in Jätkäsaari, an der südlichsten Spitze Helsinkis, frei für eine Umgestaltung. Auf der Fläche von 200 ha des Frachthafens sind für 16.000 Menschen Wohnhäuser geplant. Der Passagierhafen bleibt in Jätkäsaari erhalten, und am Rande des Hafengeländes entstehen Büro- sowie Geschäftsräume.
Der Stadtteil wird nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit entworfen. Die Stadtstruktur ist dicht, der Personennahverkehr stützt sich auf das Straßenbahnnetz und die Neubauten werden energieeffizient konstruiert. Das Bild von Jätkäsaari wird von siebenstöckigen Gebäuden geprägt und ein Wohnkomplex umschließt jeweils eine öffentliche Grünfläche. Der rund einen Kilometer lange Park „Hyväntoivonpuisto“ (auf Deutsch: Park des guten Willens) verläuft quer durch den ganzen Bezirk, bis zum Badestrand an der Spitze der Insel. Ein Wohnquartier gänzlich ohne Auto nennt sich „Grüne Meile“. Einiges von dem alten Industrieflair bleibt erhalten, unter anderem die von Lars Sonck entworfenen Magazingebäude. Außerdem wird ein alter Bunker zu einem Sportzentrum, einem Jugendkulturhaus und einer Bibliothek umgebaut.

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt vor, dass zu Prozessen, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, der Verantwortliche Verfahrensverzeichnis führen muss. Insbesondere bei einer Prüfung durch die Datenschutzbehörden muss der Verantwortliche...

Kronberg
Die geologischen Verhältnisse in Kruunuvuorenranta (Kronberg) gestatten, Gebäude direkt am Ufer oder sogar über dem Wasser zu bauen. Das neu zu erschließende Stadtviertel mit maritimem Flair versteht sich als Gartenstadtteil des 21. Jahrhunderts. Es liegt auf dem Westzipfel der Insel Laajasalo, im östlichen Helsinki. Baubeginn war bereits in diesem Jahr, nachdem der Ölhafen von Laajasalo stillgelegt wurde.
Kruunuvuorenranta wird unmittelbar am Meer liegen, und die Aussicht ist beeindruckend: die Innenstadt im Westen, die Ostsee samt Suomenlinna im Süden und das Inselreich im Osten. Das neue Wohngebiet für etwa 10.000 Menschen bietet eine Mischung von diversen Mehrfamilienhäusern und anderen niedrigen Gebäuden. Das städtische Gelände wird von einem Grüngürtel aufgelockert, der sich wie ein Zentralpark durch den Bezirk zieht. Die Uferzonen und der Badestrand werden viele Spaziergänger und Freiluftsportler anlocken. Per Luftlinie liegt Kruunuvuorenranta nur 3 km vom Zentrum Helsinkis entfernt. Die Straßenverbindung an der zerklüfteten Uferlinie entlang erstreckt sich über 10 km. Geplant ist auch eine Brücke für die Straßenbahn direkt zum Stadtkern. Eine Alternative wäre, eine Fährverbindung zum Zentrum einzurichten.
Für alle Vorhaben haben Architekten und Planer eine interaktive Struktur mit den Bürgern eingerichtet. „Laituri“ (Kai) heißt das Informations- und Ausstellungszentrum für das Helsinki von morgen. Ständig finden dort bürgernah Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen, Seminare und Vorträge zu den Themen Bauen, Verkehr und Architektur statt.

Energie-Fahrplan
Für alle Wohnprojekte sehen die Planungen hohe Ansprüche an die Energieeffizienz vor. Durch die vom Meer umgebene Lage bestehen besondere Herausforderungen. Besonders die Baumaterialien werden durch die Wetterverhältnisse an der Küste stark beansprucht. Insgesamt bleibt die nachhaltige Entwicklung die wichtigste Richtlinie für die neue Struktur der Stadt. Prof. Jarek Kurnitski von SITRA, dem Finnischen Innovation Fonds, betreut verschiedene städtische Programme: „Gegenwärtig werden viele Häuser noch mit Strom beheizt. Der Standard der Gebäude entspricht dem Stand von 1976. Zwar werden bereits 50 % der Häuser zentral mit Wärme versorgt, aber es geht jetzt um geringeren Energieverbrauch und reduzierte Emissionen“.
In Helsinki soll der CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 % gesenkt werden. Vorgesehen sind dafür auch das CCS-Verfahren und die Verpressung des CO2 in Norwegen. Das Bündel von Maßnahmen für eine verbesserte Energieeffizienz setzt auf Innovationen und den Einsatz regenerativer Energien. So hat der städtische Energiekonzern, Helsinki Energie, eine neue Energieproduktionsmethode entwickelt. Dabei wird Restwärme aus Computern als Fernwärme genutzt. Diese entsteht im unterirdischen Computerzentrum der Stadt bei der Kühlung der Computer. Gegenwärtig können so 500 Einfamilienhäuser mit Wärme versorgt werden. In der Diskussion ist die Umrüstung aller Straßenlaternen auf LED-Leuchten. Ökologisch interessant auch ein Projekt zum Mülltransport, bei dem die Entsorgung von den Wohnungen über eine Pipeline per Druckluft direkt zum Kraftwerk erfolgt. Für die neu zu errichtenden Stadtteile wird stark in Niedrigenergiehäuser investiert. Das Ziel heißt „Low2No“. Gemeint ist der Weg von wenig CO2-Ausstoß zur Null-Emission.
Bei den Erneuerbaren Energien spielt die Windenergie mit derzeit knapp 1 % Anteil an der Stromerzeugung noch keine große Rolle; bis zum Jahr 2030 soll er auf 10 % anwachsen. Das Solarprogramm entwickelt sich langsam gemäß der Richtlinie der EU. Für die vorhandenen Kraftwerkskapazitäten setzt die Stadt verstärkt auf Holz. Daraus soll Biogas gewonnen werden, um den Einsatz von Kohle und Erdgas zu minimieren. Geplant ist bis 2020 aber auch ein neues Kernkraftwerk mit einer Leistung von 1.600 MW. Die finnische Hauptstadt ist Teil des europäischen Netzwerks „Living Labs“. Es entwickelt Innovationen regional und setzt sie an Ort und Stelle um. 2012 feiert Helsinki ihr 200. Jubiläum als Hauptstadt Finnlands und ist zeitgleich die Welt-Designhauptstadt. Anlass genug, um sich vom Fortgang der öko-urbanen Umgestaltung erneut zu überzeugen.

Günter Knackfuß
Freier Journalist

Weiterführende Links:
www.helsinkilivinglab.fi
www.laituri.hel.fi

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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