Wohnungsbau

IW Köln: Normen beim Bauen überdenken

Der Wohnungsneubau ist in Deutschland zu teuer. Immer höhere Standards und immer mehr Regulierungen sind die Ursachen. Dass der Preisauftrieb durchbrochen werden kann, zeigen unsere niederländischen Nachbarn. Dort wurde mit einer mutigen Reform der Bauordnung erreicht, dass die Baukosten seit 2007 nur um 6 Prozent gestiegen sind – in Deutschland waren es 33 Prozent.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft IW Köln hat die Neubaukosten verglichen: Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, bedarf es auch eines Umdenkens hinsichtlich der Ansprüche an Neubauten und einer Entschlackung der Normenlandschaft. FOTO: ADOBESTOCK/FRENK58
Das Institut der Deutschen Wirtschaft IW Köln hat die Neubaukosten verglichen: Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, bedarf es auch eines Umdenkens hinsichtlich der Ansprüche an Neubauten und einer Entschlackung der Normenlandschaft. FOTO: ADOBESTOCK/FRENK58

Die Niederländer haben schon vor Jahren ihre Bauordnung reformiert. Sie stützt sich inzwischen hauptsächlich auf Ziele. Konkret bedeutet das: Es bleibt den Bauherren überlassen, wie sie Energie einsparen oder Wohnungen gegen Schall schützen, solange sie nur die  vorgegebenen Richtwerte erreichen. Das weckt das Innovationspotential der Baufirmen. So gibt es schon jetzt neue energiesparende Konzepte in der Fertigbauweise, die in Deutschland bisher aber kaum zum Einsatz kommen.

Um die deutsche Normenlandschaft zu entschlacken, müssten die Länder ihre jeweiligen Landesbauordnungen überarbeiten und veraltete oder unnötige Verordnungen streichen – eine Mammutaufgabe. Noch besser wäre daher eine Musterbauordnung, die offen für neue Technologien ist und auf viele Vorgaben verzichtet. Und das würde dann endlich auch den Anstieg der Baukosten eindämmen.

Auszug aus der Studie des IW Köln - Institut der Deutschen Wirtschaft

Um die Kostensteigerung im Wohnungsbau einzudämmen, müssen Standards im Bau überprüft werden. Auf internationaler (ISO), europäischer (EN) und deutscher (DIN) Ebene hat die Baukostensenkungskommission rund 3.300 für den Bau in Deutschland relevante Normen gezählt. Hinzu kommen noch zahlreiche Auflagen der Landesbauordnungen und der Kommunen.

Technologieoffene Normen legen den Grundstein für kosteneffizientere Bauweisen und bieten Anreize für Innovationen. Anstelle genauer Vorgaben sollten Ziele rücken, etwa hinsichtlich des Energieverbrauchs. Unsere niederländischen Nachbarn bauen nicht zuletzt auf Grund ihrer reformierten Bauordnung - die sich weitgehend auf Ziele stützt - günstiger (Meijer, Frits / Visscher, Henk / Sheridan, Linda, 2002).

Die Baukosten je Wohnung sind in den Niederlanden in den vergangenen 10 Jahren um lediglich 6 Prozent gestiegen. In Deutschland kostet Bauen im Jahr 2017 dagegen ein Drittel mehr als 2007). Es ist unzweifelhaft, dass viele Auflagen und Anforderungen für sich genommen richtig sind, in der Gesamtheit haben sie die Neubaukosten jedoch stark erhöht. Wichtig wäre es daher, wie in den Niederlanden die Bauordnungen komplett zu überprüfen und nicht mehr benötigte Regelungen zu streichen. Hinzu kommt, dass statt konkreter Vorgaben mehr Ziele formuliert werden sollten, um die Innovationstätigkeit der Bauwirtschaft nutzen zu können. Angesichts von bislang 16 Landesbauordnungen ist dies zweifelsohne eine große Aufgabe.

Einsparungen über entschlackte Musterbauordnungen

Über den Weg einer entschlackten und technologieoffenen Musterbauordnung könnten jedoch die direkten Effekte mittelfristig weitere Einsparungen bewirken. So bergen neue Konzepte in der Fertigbauweise Einsparpotenziale, welche jedoch aufgrund der geringen Fallzahlen bisher kaum zum Tragen kommen. Aktuell ist serielles Bauen im Mittel nur geringfügig preiswerter als konventionelle Bauweisen (GdW / BMI, 2018), aber bei einer einheitlichen Bauordnung wäre die Realisation von Größenvorteilen leichter.

Darüber hinaus wäre es hilfreich, wenn die Bauordnung mehr Experimentierklauseln zulassen würde. Insgesamt ist davon auszugehen, dass nicht jeder Neubau 50 Jahre und mehr genutzt werden wird. Angesichts der stark gestiegenen Zahl von Studenten ist aktuell der Bedarf an Wohnheimplätzen sehr groß, doch in ein paar Jahren wird der Bedarf aus demografischen Gründen wieder sinken (vgl. Voigtländer, 2017). In solchen Fällen wäre es richtig, die Anforderungen an Neubauten an die geplante kürzere Nutzungsdauer anzupassen.

Aufgrund der langen Leerstandszeiten von Studentenwohnheimen in den Semesterferien könnte auch über eine entsprechende Lockerung des Energiestandards nachgedacht werden, ohne den wichtigen Klimaschutz aus den Augen zu verlieren.

Das Beispiel Niederlande zeigt, dass es Möglichkeiten gibt, die Kostensteigerungen im Neubau einzudämmen. Allerdings ist eine Senkung eher unrealistisch. Günstiger Wohnraum wird daher auch in Zukunft vor allem im Bestand zu finden sein.

Hier können Sie den Kurzbericht des IW Köln einsehen (externer Link; PDF)

weiterlesen:
Serielles Sanieren nach dem Energiesprong-Prinzip
Lowtech und energieeffizientes Bauen 

Weiterführende Links:
www.iwkoeln.de

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