Eine marginale Zinssenkung wird keinen Bauboom auslösen
Die Europäische Zentralbank betrieb seit der Finanzkrise 2008/09 eine sehr expansive Geldpolitik mit einer drastischen Reduzierung der Leitzinsen und einer starken Ausdehnung der Geldmenge. Dies führte zu einem Boom auf den Immobilienmärkten. Als Reaktion auf die Entwicklung der Inflationsrate in Europa bzw. Deutschland im Jahresverlauf 2021 folgte eine geldpolitische Wende. Ein Einbruch auf den Immobilienmärkten war die Konsequenz.
Im Juni 2024 hat die EZB erstmals wieder die Zinsen gesenkt und zwar um 0,25 Prozent auf 4,25 Prozent. Nach den schnellen und drastischen Zinsanhebung von 2022/23 erfolgte nun die Zinswende. Die EZB ist der Meinung, dass die hohen Inflationsraten der Vergangenheit angehören und das Zielniveau fast wieder erreicht worden ist.
Maßnahmen der EZB
Die Auswirkungen werden von den jetzt beschlossenen und vor allem den weiteren konkreten Maßnahmen der EZB abhängen. Seit der Jahrtausendwende gab es jeweils drastische Änderungen der Geldpolitik, und nicht nur leichte Modifikationen. So gab es im Herbst 2008 bei einem Peak von 4,25 Prozent innerhalb eines guten halben Jahres einen drastischen Rückgang auf 1,0 Prozent. Gleichzeitig wurde in der Folgezeit die Geldmenge durch Anleihekäufe stark ausgedehnt. Von Mitte 2022 bis zum Herbst 2023 hatte die EZB schnell und drastisch die Leitzinsen von 0 Prozent auf 4,5 Prozent erhöht.
Aktuell besteht aufgrund der Andeutungen der EZB bei Marktteilnehmern die Erwartung, dass, wenn überhaupt, es nur zu wenigen und leicht expansiven Zinsschritten kommen wird. Die Anleihekäufe sollen nicht ausgedehnt werden. Die Inflationsrate ist zwar deutlich zurückgegangen, liegt aber immer noch über dem Zielwert. Es wird Entspannung geben auf der Zinsseite, aber keine Rückkehr zur Niedrigzinsphase.
Reaktion der Geschäftsbanken
Zweitens hängen die Wirkungen von der Reaktion der Geschäftsbanken auf die Geldpolitik der Zentralbank ab. Üblicherweise wird erwartet, dass die Zinssenkungen der EZB von den Geschäftsbanken an ihre Kunden weitergegeben werden. Die langfristigen Hypothekenzinsen haben dagegen einen anderen Verlauf genommen. So kam es bereits zum Jahresbeginn 2022 und damit ein halbes Jahr vor den EZB-Maßnahmen zu einem Anstieg der Hypothekenzinsen. Die Markteilnehmer hatten die EZB-Schritte vorweggenommen. Dies gilt auch für die aktuelle Zinswende. Die Hypothekenzinsen sinken seit November 2023, wobei dies eindrucksvoll bei der Darstellung der Zinsentwicklung des Finanzierungsvermittlers Interhyp AG zu sehen ist. Innerhalb weniger Monate sanken die Zinsen um rund 80 Basispunkten. Ab Jahresanfang 2024 ist wieder ein leichter Anstieg festzustellen. Diese Bewegungen auf den Kapitalmärkten geschahen, obwohl die EZB keine Zinsschritte unternommen hatte.
Die Leitzinsänderungen der EZB sind nicht die einzigen und entscheidenden Faktoren für die Entwicklung der Hypothekenzinsen. Die Bauzinsen werden über die Renditen der Pfandbriefe, mit denen die Banken teilweise ihre Hypothekenkredite refinanzieren, von der Rendite der Bundesanleihen beeinflusst. Der Wiederanstieg der Kapitalmarktzinsen macht damit die Finanzierung teurer. Die Ursache wird erstens in der Entwicklung in den USA gesehen, wo nicht so schnell starke Zinssenkungen erwartet werden. Im II. Quartal gab es in den USA angepasste Zinserwartungen, die sich auch auf Europa ausgewirkt haben. Zweitens kann sich die EZB nicht von der Entwicklung in Amerika abkoppeln. Auch in Europa wachsen die Zweifel, ob es zu einer stärkeren Zinssenkung kommen wird. Drittens sind es vor allem die Erwartungen der Marktteilnehmer, die die Entwicklung bestimmen.
Folgen für die Immobilienmärkte
Drittens reagieren die Immobilienmärkte auf die Veränderung der monetären Rahmenbedingungen. Durch die Reduzierung der Leitzinsen beabsichtigt die Zentralbank, dass auch die Hypothekenzinsen sinken. Dadurch sollen die ökonomischen Aktivitäten angeregt und Impulse für die Immobilienmärkte gegeben werden. An der Knappheit des Angebots wird eine leichte Leitzinssenkung der EZB nichts Grundsätzliches ändern. Zwar würden die Finanzierungskosten für Bauvorhaben etwas reduziert, aber nicht in dem notwendigen Maße, um eine ausreichende Finanzierung zu erreichen. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen würden die erzielbaren Einnahmen aus den Mieten nicht ausreichen. Eine marginale Zinssenkung alleine wird keinen Bauboom auslösen.
Bei der Finanzierung reicht eine leichte Zinssenkung nicht aus, um die grundlegenden Verhältnisse zu ändern. Die Niedrigzinsphase hatte dazu geführt, dass sich zahlreiche Haushalte Wohneigentum leisten konnte. Aber die schon im historischen Vergleich aktuell niedrigen Zinsen lassen den Anteil an potenziellen Wohneigentümern deutlich sinken.
Beim Vergleich der Immobilienrenditen mit anderen Assets wird eine leichte Zinssenkung keine grundlegende Änderung der Situation herbeiführen. Die Investoren vergleichen die Renditen verschiedene Anlagemöglichkeiten, andere Assets sind von ihrer Verzinsung teilweise deutlich attraktiver. Daher werden auch hier nur geringe Impulse aus der neuen Geldpolitik zu erwarten sein.
Meiner Meinung nach hat die EZB mit der Zinssenkung zwar eine neue Phase der Geldpolitik eingeleitet, aber im Vergleich zu den vorherigen Phasen ist nur mit leichten Maßnahmen zu rechnen, die nur begrenzt Impulse für die Immobilienmärkte haben werden.