Intelligenter Lückenschluss in Berlin

In Zeiten knappen Wohnraums in Großstädten gilt es jede noch so kleine Baulücke intelligent auszunutzen. Eine solche Lücke füllten die Architekten Marc Dufour-Feronce und Andreas Reeg mit einem Mehrfamilienhaus im aufstrebenden Bezirk Berlin-Moabit. Das Besondere: Sie setzten hier zu großen Teilen auf den natürlichen Baustoff Holz, kombiniert mit Kalksandstein, Stahlbeton und Stahl. Es entstand ein sehenswertes Wohngebäude in Holz-Hybridbauweise.

Auf nur 100 m² Grundfläche entstand ein mehrgeschossiges Wohngebäude mit elf Wohnungen in Berlin-Moabit. FOTO: Gui Rebelo / rundzwei Architekten
Auf nur 100 m² Grundfläche entstand ein mehrgeschossiges Wohngebäude mit elf Wohnungen in Berlin-Moabit. FOTO: Gui Rebelo / rundzwei Architekten

Viel Holz und eine ausgeklügelte Planung

Die Planer des Berliner Architekturbüros rundzwei standen vor der Herausforderung: Wie baut man ein Wohnhaus mit mehreren Mietwohnungen, wenn nur 100 Quadratmeter Grundfläche zur Verfügung stehen? Ihre Antwort: Mit viel Holz und einer ausgeklügelten Planung.

Insgesamt entstanden auf den 100 Quadratmeter Grundfläche in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs elf Mietwohnungen – darunter neun Zweiraumwohnungen mit etwa 55 Quadratmeter Nutzfläche sowie zwei Maisonette-Wohnungen in den obersten Stockwerken mit circa 96 Quadratmeter Nutzfläche. Um das zu erreichen, sind die rundzwei-Architekten kreativ geworden: Zur Straße hin vergrößern gewölbte Erker die Wohnungen, auf der Rückseite haben die Planer das Treppenhaus und den Aufzug in den Hof hinein verschoben. Und schufen so die größtmögliche Nutzfläche.

Gutes Raumklima, effizientes Bauen: alles spricht für Holz

Im Mietwohnungsbau kommt es meist besonders darauf an, möglichst effizient zu bauen – bezogen auf die Bauzeit, aber auch auf den finanziellen Aspekt. Das sprach für den Baustoff Holz.

Die Fassadenelemente in Holztafelbauweise wurden inklusive der Dämmung (Holzfaser- und Einblasdämmung) und der Fenster komplett vorgefertigt, was den Bauablauf beschleunigt und die Ausbauarbeiten an der Baustelle deutlich reduziert hat. Zudem waren die Planer so überwiegend witterungsunabhängig.

Fassadenelemente aus Holz besitzen einen weiteren Vorteil gegenüber klassischen Baustoffen: Bei gleicher beziehungsweise besserer Dämmleistung warten sie mit deutlich schlankeren Aufbauten auf. Bei der sehr geringen Grundfläche wie im Fall des "Eisbergs" war das ein klares Argument für den Einsatz von viel Holz. Durch den Aufbau von Wänden und Dach erreicht das Wohnhaus außerdem den Niedrigenergie-Standard KfW 55. Den Namen "Eisberg" erhilet das Wohngebäude aufgrund der kalt anmutenden hellen Aluminium-Fassade.

Darüber hinaus sorgt Holz für ein gesundes Raumklima: Es kann bei hoher Luftfeuchtigkeit Feuchte aufnehmen und später wieder an den Raum abgeben. In Kombination mit Kalkputzoberflächen und offenporigen Innenwandbekleidungen wie beim Berliner "Eisberg" erfolgt so – ganz ohne komplexe Lüftungsanlage – eine natürliche Klimatisierung der Raumluft. Selbst dann, wenn die Mieter des Mehrfamilienhauses nicht ausreichend lüften sollten. Das wiederum verringert eventuelle spätere Bauschäden.

Haus besteht zu etwa 80 Prozent aus Holz

Doch nicht nur Bauzeit, Dämmleistung oder Feuchteregulierung sprechen für den Baustoff Holz. Auch in Sachen Nachhaltigkeit punktet der natürliche Werkstoff. Die Planer des Eisbergs setzten für Holzdecken, Holzstützen und Fassadenelemente beispielsweise auf regionales Fichtenholz aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern; die Fenster sind aus deutscher Kiefer.

Grob überschlagen besteht das Haus zu etwa 80 Prozent aus Holz, so Architekt Andreas Reeg. Und ist demnach ein riesiger CO²-Speicher.

Recycling möglich

Außerdem verzichteten die Architekten auf aufwändige Bodenbeläge und setzten stattdessen schlicht auf Sichtestrich. Auch sind alle Baumaterialien – bis auf Estrich und Putz – nur mechanisch befestigt. Das macht den Rückbau der Materialien und somit ihr Recycling deutlich leichter. In Sachen Recycling lohnt sich bei diesem Mehrfamilienhaus aus Holz zudem der Blick auf die straßenseitige Fassade. Sie ist mit einem Aluminiumblech überzogen, das einen hohen Recycling-Anteil hat und zu 100 Prozent wiederverwertet werden kann. Diese weiße, kühle Nordfassade ist auch der Ursprung des Namens "Eisberg". Einer, der den Witterungen trotzt.

Der Artikel erschien zuerst im Magazin "Hubert" - das Online-Magazin für Holz-Kultur, herausgegeben von Sorpetaler Fensterbau.

Autorin: Sandra Stein, Hubert

Das Projekt schaffte es auf die Longlist des Dezeen Awards 2020. Es ist außerdem nominiert für den DAM Preis 2021.

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