Das jüngste Projekt steht in Bayreuth. Dort hat die Vonovia im Januar einen Neubau mit zwanzig Wohnungen fertig gestellt. Zwischen 40 und 140 Quadratmeter sind sie groß, für Senioren ebenso geeignet wie für Familien, mit einer Durchschnittsmiete von 9,50 Euro pro Quadratmeter. So weit nicht sonderlich bemerkenswert – wäre da nicht eine Besonderheit: Das Bayreuther Wohnhaus ist eines der ganz wenigen Beispiele im deutschen Wohnungsbau, bei denen Building Information Modeling (BIM) zum Einsatz gekommen ist.
Virtuelle Begehung bereits in der Planungsphase
Das ist eigentlich erstaunlich, gibt es doch derzeit kaum einen wohnungs- oder bauwirtschaftlichen Kongress, auf dem BIM nicht einen wichtigen Programmpunkt ausmacht. Dabei herrscht weitgehend Einigkeit, dass dieser dreidimensionalen Planungstechnologie die Zukunft gehört. „BIM“, definiert die Beratungsgesellschaft Roland Berger diese Methode in einer aktuellen Studie, „erfasst alle baurelevanten Daten auf einer Plattform, verknüpft sie und erstellt dann ein digitales Modell.“ Der Vorteil der Methode liege darin, dass alle Beteiligten das fertige Bauprojekt schon in der Planungsphase virtuell begehen und schnell modifizieren könnten.
„Bei unseren Neubauprojekten arbeiten wir konsequent mit BIM“, sagt Klaus Freiberg, der als Chief Operating Officer (COO) für das operative Geschäft der Vonovia verantwortlich ist. Doch wie funktioniert das konkret? „Unsere Architekten liefern eine 3D-Planung, die dann von den Nachunternehmern – also den von uns beauftragten Baufirmen – weiterverfolgt wird“, antwortet Freiberg.
BIM spart Zeit und Geld
Eine entscheidende Rolle spielen dabei die so genannten Attribute, mit denen die Planung unterlegt wird. Dabei erhält jedes Bauteil mehrere Attribute, durch die es eindeutig bestimmt wird. „Es wird also“, erläutert Freiberg, „zum Beispiel festgelegt, welche Schalter von welchem Hersteller in einer Wand angebracht werden oder welche Tapete von welchem Produzenten in welchem Umfang verwendet wird.“
Dieses Vorgehen hat einen entscheidenden Vorteil: Wenn – aus welchen Gründen auch immer – die Planung geändert wird, erfolgen die erforderlichen Anpassungen automatisch. Das macht der Vonovia-COO an einem konkreten Beispiel fest: „Wenn eine Tür vergrößert wird, wird automatisch die Wand verkleinert, und die entsprechenden Größen und damit auch Bestellvolumina der angrenzenden Bauteile werden ebenfalls angepasst.“ Ebenfalls automatisch liegen aktuelle Stücklisten aller Bauteile vor.
Das spart Zeit und Geld. „Wenn mit BIM gearbeitet wird“, begründet dies Freiberg, „muss kein Architekt mühsam Türklinken und Stützen zählen, da sich deren Zahl automatisch mit einem Mausklick ermitteln lässt.“ Mindestens so sehr ins Gewicht fällt ein zweiter Vorteil: Probleme, die sonst erst auf der Baustelle sichtbar würden und dann aufwendig behoben werden müssten, werden frühzeitig erkannt. Das wirkt sich beispielsweise bei der Kollisionsprüfung (Clash Detection) aus. „Der Klassiker ist, dass auf der Baustelle festgestellt wird, dass zwei Rohre aufeinander treffen“, verdeutlicht dies Freiberg. „Dann müssen im Zweifel suboptimale Lösungen vor Ort gesucht werden.“ Wenn man hingegen mit BIM arbeite, erkenne man das Problem rechtzeitig, sodass es auf der Baustelle viel weniger Probleme und Mängel gebe – und entsprechend weniger Nachträge, die ansonsten die Kosten in die Höhe treiben. „BIM“, betont Freiberg, „schafft Planungssicherheit. Und das ist sehr viel wert.“
Modulares Bauen hilft
Das klingt so einleuchtend, dass man sich fragt, warum nicht längst alle Wohnungsunternehmen auf diese Weise arbeiten. Doch die Vonovia hat die Besonderheit, dass sie ihre Neubauten in modularer Bauweise realisiert und dabei mit großen Modulbauspezialisten (im Falle des Bayreuther Neubaus mit der Firmengruppe Max Bögl als Generalunternehmer) zusammenarbeitet. Modulares Bauen bedeutet, dass standardisierte Elemente im Werk gefertigt, mit dem Tieflader auf die Baustelle gefahren und dort nur noch zusammengebaut werden, so dass die Bauzeit vor Ort auf wenige Wochen reduziert wird. „Da wir unsere Neubauprojekte in modularer Bauweise realisieren und dabei mit festen Partnern zusammenarbeiten, ist es für uns einfacher, BIM einzusetzen, als wenn wir mit wechselnden Nachunternehmern tätig wären“, sagt Freiberg. Hinzu kommt die Marktmacht des Wohnungskonzerns, der rund 350.000 Wohneinheiten bewirtschaftet und kurz vor Jahresende mitgeteilt hat, die österreichisch-deutsche Buwog AG mit weiteren 49.000 Einheiten und einer umfangreichen Neubau-Pipeline übernehmen zu wollen. Noch vor dieser Übernahme hatte Vonovia angekündigt, jährlich 2.000 Wohnungen errichten zu wollen.
Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nicht alle Wohnungsunternehmen eine so starke Ausgangsposition haben, sieht Freiberg die Situation in Sachen BIM hierzulande kritisch. In anderen Ländern sei man diesbezüglich weiter, merkt er an. „Die Entwicklung in Deutschland verläuft langsamer, als es wünschenswert wäre. Mein Eindruck ist, dass manche Marktteilnehmer nur die Kosten und den Aufwand für die Implementierung von BIM sehen und nicht die Chancen, die sich daraus für Planung, Bau und Bewirtschaftung ergeben.“
Bevor man aber mit BIM Geld sparen könne, müsse man erst einmal Geld investieren, betont der COO. „Man braucht die richtige Software, und vor allem muss man die Mitarbeiter schulen.“ Auf Seiten der Architektur und der Bauindustrie sind die Voraussetzungen im Übrigen nach Freibergs Worten nicht schlecht: Zumindest große Architekturbüros und Bauunternehmen sind heute durchaus in der Lage, mit BIM zu arbeiten. Und auch die nötige Software liegt von mehreren Anbietern vor.
Chancen für die Bewirtschaftung
Doch auch für einen Großkonzern wie Vonovia ist BIM ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. „Wir entwickeln uns immer weiter“, betont Freiberg. „Noch sind wir nicht bei hundert Prozent des Möglichen angekommen, aber doch bereits bei etwa achtzig Prozent.“ Ein Beispiel für die Weiterentwicklung: Beim bundesweit beachteten Pilotprojekt für das modulare Bauen, das Vonovia Ende 2016 in Bochum fertig stellte, waren die Beteiligten laut Freiberg bei den hinterlegten Merkmalen der Bauteile noch nicht so weit wie heute. Auch jetzt seien noch nicht alle relevanten Attribute BIM-basiert, räumt Freiberg ein. „Jetzt sind wir dabei, herauszufinden, welche Datentiefe wir tatsächlich brauchen“, erklärt der Vonovia-Vorstand. „Denn es ist nicht sinnvoll, alles bis ins letzte Detail zu erfassen, da aus unserer Sicht Aufwand und Nutzen selbstverständlich im richtigen Verhältnis stehen müssen.“
Der Nutzen bezieht sich dabei keineswegs nur auf die Planungs- und die Bauphase, sondern ganz wesentlich auch auf die Bewirtschaftung der Wohnimmobilien. Dieser Punkt gehe oft unter, hat das Schweizer Beratungsunternehmen pom+ Consulting AG Ende 2017 in einer Studie herausgefunden – jedenfalls sei vielen Marktakteuren nicht bewusst, „dass mit BIM die Qualität von Bauwerken durch optimale Prozesse und Daten über den gesamten Lebenszyklus sichergestellt wird“.
Dieses Potenzial heben will die Vonovia erstmals beim Bayreuther Wohnhaus. Dort hat sie neben allen Wohnungseingangstüren RFID-Chips angebracht. „Diese Chips enthalten Planunterlagen mit Informationen über alle Attribute“, erläutert Klaus Freiberg. „Wenn also der Wasserhahn tropft, sieht der Handwerker sofort, um welches Fabrikat es sich handelt.“
Wird BIM künftig konsequent umgesetzt, wird somit kein Handwerker mehr im Keller nach Planunterlagen forschen müssen – und der Wohnungsbestand lässt sich effizienter und kostengünstiger bewirtschaften.
Autor: Christian Hunziker, freier Journalist
Beitrag erschien zuerst in der Printausgabe der Zeitschrift IVV immobilien vermieten & verwalten. Wenn Sie keine Fachinformation mehr verpassen möchten, werden Sie Abonnent und genießen Sie viele Vorteile. >> mehr Infos IVV-Probeabo oder Einzelheft-Bestellung
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Christian Hunziker
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