Als ein Teilgebiet der Informatik beschäftigt sich die Künstliche Intelligenz (KI) mit der Erforschung intelligenten Verhaltens und maschinellen Lernens, aber auch mit der praktischen Anwendung von Systemen, die menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität nachahmen können.
Welche aktuellen Anwendungen und Entwicklungen im Bau- und Immobilienbereich gibt es bereits, welche Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen entstehen dadurch? Die folgenden Beispiele zeigen potenzielle Einsatzmöglichkeiten und teilweise auch schon konkrete KI-Anwendungen in den Bereichen Planen, Bauen und Nutzen auf.
KI fürs Planen
Stadt- und Quartiersplanung: Bei der Planung von Städten und Quartieren fließt eine Vielzahl von Entwurfskriterien und -parameter in die Entwurfsüberlegungen mit ein – wie etwa das städtebauliche Umfeld, Klima-, Wind, Lärm- oder Belichtungsverhältnisse, soziologische Rahmendaten etc. Auf KI-Algorithmen basierende Software-Lösungen wie beispielsweise Spacemaker oder Propertymax versprechen eine schnellere Generierung von Entwurfsalternativen, unter Berücksichtigung aller relevanten Einflussfaktoren. So kann beispielsweise das individuelle Potenzial eines Standortes optimal ausgeschöpft und die bestmögliche Lösung gefunden werden – etwa die optimale Bebauung eines Grundstücks unter Beachtung baurechtlicher Vorgaben und qualitativer Parameter, wie Besonnung, Lärm etc.
(Beispiele: www.spacemakerai.com; www.propertymax.de)
Generative Gestaltung: Regelbasierte Prozesse, anwenderdefinierte Parameter und Verknüpfungen bestimmen bei der generativen Gestaltung das Entwurfsergebnis. Das ermöglicht eine mit konventionellen Planungsmethoden bisher nicht erzielbare Form- und Gestaltungsfreiheit. So können beispielsweise von der Natur inspirierte, bionische Formen einfacher geplant und über CNC-Maschinen oder 3D-Drucker auch direkt gefertigt werden. Verknüpft man die generative Gestaltung mit KI-Algorithmen, können auch komplexe Entwurfsvorgaben berücksichtigt und etwa Grundrisskonzepte unter Berücksichtigung von Raumfunktionen, Raumbeziehungen, Raumqualitäten etc. optimiert werden
(Beispiel:https://redshift.autodesk.de/generatives-design-ki)
Die Künstliche Intelligenz (KI) gehört im Bau- und Immobilienbereich zu den Schlüsseltechnologien der nächsten Jahre.
Bestandserfassung: Bei der Bestandserfassung per 3D-Laserscanner müssen Millionen von Messpunktdaten ausgewertet und so strukturiert werden, dass sie für die CAD- und BIM-Planung verwertbar sind. KI-basierte Analysemethoden liefern dabei Informationen über die Art des Bauteils (Wand, Stütze, Decke, Fenster, Rohrleitung), verknüpfen sie mit weiteren Daten – etwa zu Materialien oder Eigenschaften – und generieren aus diesen Informationen ein BIM-Modell. Andere KI-Projekte befassen sich mit der Vermessung und Auswertung von Räumen und Objekten mithilfe von Apps, die auf die besonderen Fähigkeiten aktueller Smartphone-, respektive 360-Grad-Kameras zurückgreifen. Aus den erfassten Messwerten wird selbstständig ein 3D-Modell berechnet
(Beispiele: www.actimage.de;www.bimkit.eu; www.immersight.com).
BIM-Modellkontrolle: Im Rahmen der BIM-Planung müssen Fachmodelle überprüft werden, ob sie mit Entwurfsvorgaben, baurechtlichen Vorgaben oder Richtlinien übereinstimmen. Werden sie zu einem Koordinationsmodell zusammengeführt, muss gewerkübergreifend kontrolliert werden, ob dabei Kollisionen entstehen. Das geschieht entweder manuell oder (halb-)automatisch. Automatisierte Modellprüfungen, die auf einer großen Wissensdatenbank und lernfähigen Algorithmen basieren, sind in der Lage auch komplexe Zusammenhänge zu überprüfen, beschleunigen dadurch Abläufe und entlasten Planer oder Behörden. KI wird künftig auch digitale Bauanträge unterstützen, indem diese beispielsweise auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, wie Mindestabstände etc. überprüft werden.
(Beispiele: www.tuvsued.com; www.contilio.com; www.dlubal.com)
KI fürs Bauen
Baustellenkontrolle: Will man den Ist-Stand, Abläufe oder Ausführungsqualitäten auf Baustellen effizient kontrollieren, müssen Baustellendaten digital erfasst werden – beispielsweise indem Fotos oder Videos von Baustellen-Kameras, Mobilgeräten, 3D-Scannern, Drohnen, Robotern oder Helmkameras über KI-Algorithmen interpretiert und analysiert werden. Dabei werden Bauobjekte und deren Eigenschaften automatisiert erkannt und die Ergebnisse mit dem BIM-Ausführungsmodell abgeglichen. So entsteht ein digitales Abbild des aktuellen Bauzustands, das die Abrechnung vereinfacht oder den Baufortschritt, potenzielle Planungsabweichungen, Fehler oder Schäden dokumentiert. Mit den dabei gewonnenen Informationen lassen sich auch künftige Bauprojekte optimieren.
(Beispiele: www.buildots.com;www.eskimo-projekt.de; www.tuvsued.com; www.contilio.com)
Bauablaufsimulation: Simulationen der Bau- und Montageablaufplanung können – unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten, Mängel- und Bautagesberichten oder Logistikdaten – dabei helfen, Bau- und Montageprozesse zu optimieren. KI-gestützte Risikovorhersagen ermöglichen darüber hinaus reibungslosere Baustellenabläufe. Diese bedienen sich smarter Techniken zur Datenanalyse, der datenbasierten Ergebnisvorhersage oder maschinellen Lernsystemen. Dabei wird die zunehmende Anzahl digital geplanter Bauprojekte miteinander vernetzt, was die Verlässlichkeit von Risikovorhersagen steigert
(Beispiel: www.autodesk.com/bim-360).
Baurobotik: Roboter sind in der Bauindustrie längst im Einsatz. Auch auf die Baustelle drängen sie inzwischen – in Form von Mauer- und Bohrrobotern oder 3D-Druckern, die auf der Grundlage von 3D CAD- oder BIM-Daten Arbeiten ausführen. Bohrroboter beispielsweise orientieren sich selbstständig im Raum und bohren Löcher für Montage- und Installationsarbeiten – schnell, präzise und zuverlässig (siehe auch IVV 6/2022: Baurobotik macht langsam Fortschritte sowie IVV-Sonderheft 2023/2024: Mit Bits und Bytes statt Bohrer und Papier). Um noch komplexere Tätigkeiten autark ausführen und unvorhersehbare Situationen auf der Baustelle meistern zu können, müssen Roboter über viele Sensoren verfügen und lernfähig sein.
(Beispiele: www.baubot.com; www.bostondynamics.com; www.hilti.de; www.peri.de; www.trimble.com)
KI fürs Nutzen
Gebäudeautomation: KI macht Smart Home noch smarter. Neben der Kommunikation per Spracheingabe kann das KI-gestützte Smart Home über Machine-Learning-Algorithmen aus den Gewohnheiten der Bewohner Rückschlüsse ziehen und dadurch den Wohnkomfort erhöhen oder den Energieverbrauch optimieren. Für mehr Sicherheit sorgt die maschinelle Gebäudeüberwachung. Werden Video- oder Infrarotkameras miteinander vernetzt und über KI-gestützte Systeme ausgewertet, lassen sich Zutrittskontrollen, der Brandschutz oder die Gebäudeüberwachung verbessern. Mit KI gestützten Systemen können von der Lichtsteuerung bis zur Heizung alle technischen Systeme im Haus gesteuert und aufeinander abgestimmt werden.
(Beispiele: www.iconag.com; www.milestonesys.com)
Immobilienverwaltung: In der Immobilienverwaltung findet die KI ein vielfältiges Betätigungsfeld. KI-Werkzeuge können beispielsweise Energieverbräuche, den Brandschutz oder die Gebäudesicherheit analysieren, um Steuerungs- und Überwachungssysteme zu automatisieren. Sie zeigen Energiesparpotenziale von Immobilien auf, indem sie Verbrauchsdaten und Kosten sammeln, analysieren und Prognosewerte liefern. Im Büro können Inhalte eingegangener E-Mails maschinell ausgewertet und verarbeitet werden, um entsprechende Vorgänge automatisiert anzustoßen. Auch beim Verfassen von E-Mails oder der Korrespondenz kann die KI mit vorformulierten Texten Immobilienverwalter unterstützen. Auch Mieter können profitieren: Stellt der Mieter einen Schaden fest, bereitet die KI die übermittelten Informationen automatisch auf, sodass Schadensmeldungen schneller bearbeitet werden können.
(Beispiele: www.casavi.com; www.konfuzio.com)
Vorausschauende Wartung: Im Gegensatz zur herkömmlichen reaktiven Wartung, die erst nach Störungen eingreift, bietet die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) Vorteile. Ungeplante Ausfälle technischer Bauteile werden vermieden, Servicetermine und die Wirtschaftlichkeit von Liegenschaften werden optimiert, Wartungstermine sind besser planbar. Dazu erfassen IoT-Bauteilsensoren (Internet der Dinge) Betriebs- und Zustandsdaten, die zentral mithilfe intelligenter Algorithmen ausgewertet werden. Anhand der Nutzungsmuster und anderer Parameter lässt sich automatisch der optimale Zeitpunkt für Wartungsmaßnahmen ableiten.
(Beispiele: www.techem.com; www.schueco.de; www.tuvsud.com)
Gebäudeüberwachung: Die maschinelle Bildauswertung erweitert die Möglichkeiten visueller Überwachung. Werden mehrere Video- oder Infrarotkameras miteinander vernetzt und über KI-gestützte Systeme ausgewertet, ist eine effiziente rund um die Uhr-Überwachung von Gebäuden möglich. Als Basis dienen Daten aus Überwachungskameras und ein IP-basiertes Videomanagement-System, das auch sehr viele und hochauflösend e Videodaten in digital verwertbare Informationen umwandelt und eine maschinelle Auswertung ermöglicht. Über eine Gesichtserkennung können Zugänge kontrolliert und die Sicherheit verbessert werden. Visuelle Kameras und Infrarotkameras ermöglichen einen wirksamen Brandschutz.
(Beispiele:www.milestonesys.com; www.boschbuildingsolutions.com)
Chancen und Risiken
KI ist längst Teil des Planens, Bauens und Nutzens – oder wird es gerade. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und in ihren Potenzialen noch kaum zu überblicken. Als Datenbasis nutzen KI-Systeme große Datenmengen (Big Data), anhand derer sie ihre Algorithmen, etwa zur Mustererkennung, trainieren und optimieren. Das können Planungs- und Ausschreibungsdaten, Stücklisten, Aufmaßdaten, Fotos, Schadensmeldungen, Mängellisten oder Sensordaten sein.
Werden diese Daten kombiniert und ausgewertet, können sie neben der Planung und Bauausführung auch den Betrieb und die Verwaltung von Immobilien optimieren. Je größer die Datenbasis ist, umso zuverlässiger arbeiten KI-Systeme. Welche Quantität und Qualität diese Daten haben, wie diese vom jeweiligen KI-System verknüpft und welche Bewertungs- und Entscheidungskriterien herangezogen werden, ist nicht immer transparent und nachvollziebar. Deshalb sollte man sowohl die Ergebnisse von KI-Systemen stets kritisch hinterfragen und auf Plausibilität prüfen als auch auf eine datenschutzkonforme Verwendung der Daten achten.
Was ist und was kann KI?
Lünendonk & Hossenfelder (Hrsg.): Digitalisierung: Fokus künstliche Intelligenz im Facility Management, Lünendonk-Whitepaper 2019, Mindelheim
Marian Behaneck


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