Mehr als ein Strohfeuer

Bauen mit Strohballen

In Bayreuth fand der erste Fachkongress für das Bauen mit Strohballen statt. Der Fachverband (FASBA) hofft auf eine DIN-Normierung bis 2024 für die Statik von „Mauerwerken“ aus Stroh.

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Rund 60 Häuser hat Virko Kade mittlerweile in Österreich mit Strohballen gebaut und die Nachfrage wächst weiter. Bild: Kade
Rund 60 Häuser hat Virko Kade mittlerweile in Österreich mit Strohballen gebaut und die Nachfrage wächst weiter. Bild: Kade

Gut 100 Gebäude aus Stroh haben allein die Referenten bei den 1. Bayreuther Strohballen-Bautagen seit 1995 bereits errichtet. Mehr als 100 Architekten, Bauinteressenten, Energieberater, Prüf-Ingenieure und Baustofflieferanten haben die zweitägige Fachtagung an der Universität besucht. Selbst aus den Niederlanden und Italien waren Teilnehmer angereist, um dem Biobaustoff mit den CO2-Bestwerten zu mehr Verwendung im Bauwesen zu verhelfen.

Rund 40 Millionen Tonnen Stroh fallen laut Bauernverband jährlich in Deutschland als Nebenprodukt der Getreideernte an. Ein Erfahrungswert aus Österreich besagt, dass nur die Hälfte davon als Einstreu in der Tierhaltung, als Dünger und Erosionsschutz auf dem Feld, bedingt als Tierfutter und zunehmend als Grundstoff für Bio-Reinigungsmittel und Bio-Plastik (PLA) verwendet wird. Daneben dient Stroh als Isolierverpackung und zur Herstellung von Papier und Bio-Energie.

Als Dämmstoff findet Stroh bereits Anwendung

Als Dämmstoff im Hausbau werden Stroh und andere Pflanzenreste wie Hanf oder Schilf schon länger verwandt. Entsprechend stieg zuletzt der Preis für 100 Kilogramm Stroh von 8,20 Euro 2019 auf aktuell 10,70 Euro, so Anton Huber vom Bayerischen Bauernverband. Dass mit Strohballen (Dichten von 140 bis 200 Kilo je Kubikmeter) aber ganze Häuser mit bis zu vier Etagen gebaut werden, ist ein Trend, der seinen Ursprung in den 1980er-Jahren in holzarmen US-Bundesstaaten hat und seit den 1990er-Jahren aus Österreich, der Schweiz und Südtirol zunehmend nach Deutschland kommt, ging Strohballenbauer Virko Kade auf die jüngere Geschichte ein. Mit Stroh, Lehm oder Holz baue die Menschheit seit Jahrtausenden. Kade hat seit 1998 rund 60 Gebäude mit Stroh errichtet, vor allem in Österreich und Südtirol, davon ein Viertel lasttragend.

Bauhaus-Universität Weimar setzt sich für Baugenehmigungen ein

Dass diese Häuser genehmigt werden, darum macht sich vor allem die Bauhaus-Universität in Weimar seit Jahren verdient, die den Einsatz des Baustoffs, der CO2 bindet und regional überall verfügbar ist, wissenschaftlich untersucht und begleitet. Dabei arbeiten die Wissenschaftler eng mit einem Architekten-Trio um Florian Hoppe zusammen, das seit Jahren mit Stroh in Verbindung mit einer Holzkonstruktion plant, baut und zunehmend die Strohballen auch lasttragend einsetzt. Mit anderen Akteuren der Branche hat Hoppe aus Weimar mittlerweile den Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V. (FASBA) gegründet, der neben Beratung und Vernetzung vor allem die Normierung voranbringen will, damit Bauwillige leichter eine Baugenehmigung erhalten.

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt vor, dass bei der Erhebung von personenbezogenen Daten der Betroffene zu informieren ist. Unter anderem soll dem Betroffenen mitgeteilt werden, zu welchem Zweck die Daten verarbeitet werden, an wen die Daten weiter...

Ziel ist es, von der kosten- und zeitintensiven Einzelfallprüfung zu Standards zu kommen, auf die sich Baubehörden berufen können.

Ab 2024 allgemeine Norm für Baugenehmigungen?

Architekt Hoppe ist zuversichtlich, bis 2024 mit der Normierung für den lasttragenden Strohballenbau soweit zu sein, dass es keiner Einzelfallgenehmigungen mehr bedarf. In der Schweiz, so Architekt Werner Schmidt aus Graubünden, der für einen Investor zuletzt 28 Wohneinheiten mit Stroh errichtet hatte, ist die Regulatorik geringer. Dort überwiegt die Haltung, Bauherr und Architekt würden schon wissen, was sie tun. In den Alpen hatte eines seiner Häuser sogar einen Lawinenabgang schadlos überstanden. Der Architekt, der als Grand Seigneur des Strohballenbaus gilt: „Im Haus hatte es nur ordentlich gerumpelt.“

Einig sind sich die Experten, dass Strohhäuser selbst in Deutschland trotz der Einzelfallgenehmigung tendenziell günstiger sind als herkömmliche Häuser. Nicht zuletzt, weil deren Baustoffpreise zuletzt massiv gestiegen waren und weite Transportwege verursachen. Hinzu kommt, dass die Häuser mit ihren bis zu 1,2 Meter dicken Stroh-Außenwänden nahezu ohne Heizung auskommen. Und: Selbst in Deutschland wächst die Expertise bei Architekten, Statikern, Zimmerleuten und Baubehörden, mit Stroh lasttragend zu bauen. Am 12. und 13. September 2023 finden die 2. Strohballen-Bautage in Weimar statt.

Leonhard Fromm

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Artikel Bauen mit Strohballen
Seite 41
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