Zu geringes Wohneigentum in Deutschland

„Steigende Mieten werden mehr Rentner in die Armut drängen"

Die Zahl der Menschen, die in den eigenen vier Wänden leben, sinkt. Das erhöht die Gefahr von Altersarmut, weil steigende Mieten viele Rentner finanziell auszehren. Die aktuelle Studie „Wohneigentum in Deutschland“ des Pestel-Instituts weist den niedrigsten Wert seit 15 Jahren aus.

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Altersarmut ist Mieterarmut: Rentner, die Wohneigentum besitzen, haben in der Regel deutlich mehr Geld zum Leben als Mieterhaushalte. Bild: Adobestock/Bilderstöckchen
Altersarmut ist Mieterarmut: Rentner, die Wohneigentum besitzen, haben in der Regel deutlich mehr Geld zum Leben als Mieterhaushalte. Bild: Adobestock/Bilderstöckchen

Die eigenen vier Wände besitzen immer weniger Menschen: Die Eigentumsquote in Deutschland liege nach aktuellen Zensuszahlen mittlerweile bei unter 44 Prozent. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht mit 41,8 Prozent sogar einen noch geringeren Wert auf der Grundlage von Daten der Mikrozensus-Zusatzerhebung Wohnen 2022. Die Tendenz sei weiter rückläufig, so das Pestel-Institut, das die Wohneigentums-Studie im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) erstellt hat. Langfristig müsse Deutschland mehrheitlich vom Mieter- zum Eigentümerland werden: „Eine Eigentumsquote von 50 Prozent und mehr wie in Österreich, den Niederlanden und Schweden würde mehr soziale Stabilität bringen“, sagt der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Immerhin sei Wohneigentum ein wichtiger Garant für die Altersvorsorge. Denn Mieten würden für Seniorenhaushalte in Deutschland zunehmend zu einer finanziellen Belastung: „Steigende Mieten drängen mehr und mehr ältere Menschen in die Altersarmut“, warnt Günther.

„Wer in Rente geht, den trifft der Mieten-Schock“

Wohneigentum sei immer auch Altersvorsorge. „Wenn es in der neuen Bundesregierung demnächst um die fällige Rentenreform geht, dann spielt das Wohnen im Alter eine zentrale Rolle. Insbesondere älteren Menschen wächst die Miete schnell über den Kopf: Wer in Rente geht, den trifft oft der Mieten-Schock. Für viele Seniorenhaushalte wird die Miete zur K.o.-Miete. Oder anders gesagt: Altersarmut ist Mieterarmut“, so Studienleiter Günther. Eine bezahlte eigene Immobilie sei deshalb der beste Schutz vor Mietsteigerungen im Alter.

Modellrechnung: So viel mehr Geld haben Eigentümer in der Tasche

Die Studie macht in einer Modellrechnung den direkten Vergleich zwischen einem Mieter- und einem Eigentümerhaushalt: Beide leben auf 100 Quadratmetern Wohnfläche. In beiden Haushalten verdienen zwei Berufstätige gleich viel Geld – nämlich das Durchschnittseinkommen als Vollzeit- und Halbtagskraft. Nach 45 Jahren im Job bleiben dem Mieterhaushalt mit dem Eintritt in die Rente gerade einmal 1.450 Euro netto im Monat zum Leben. Der Eigentümerhaushalt hat dagegen 2.200 Euro zur Verfügung. Fazit: „Die Miete zwingt die Menschen dazu, im Alter den Gürtel erheblich enger zu schnallen“, sagt Studienleiter Matthias Günther.

Eigentumsquote sinkt seit 2011

Einen Rückgang der Wohneigentumsquote bestätigt auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Zwischen 2011 und 2022 sei die Quote landesweit um 0,9 Prozentpunkte gesunken. In allen westdeutschen Bundesländern sei der Anteil zurückgegangen, in Bremen und Schleswig-Holstein sank der Anteil mit jeweils knapp drei Prozent am stärksten. Im Osten stieg er dagegen in allen Bundesländern, in Sachsen am stärksten um 1,6 Prozent. Die gegenläufige Entwicklung in Ost und West ist nach IW-Einschätzung zum Teil immer noch auf Nachholeffekte nach der Wiedervereinigung zurückzuführen.

Besonders jüngere Menschen ohne Wohneigentum

Besonders jüngere Haushalte seien vom Rückgang betroffen, so das IW-Institut weiter. So sank die Wohneigentumsquote der unter 50-Jährigen zwischen 2011 und 2022 um mehr als vier Prozentpunkte auf 30,4 Prozent. Unter den älteren sei sie mit knapp 57 Prozent mittlerweile beinahe doppelt so hoch. Vor allem die aktuell jüngere Generation sei von den stark gestiegenen Immobilienpreisen und Eigenkapitalforderungen betroffen.

Eine leichte Entspannung des Marktes erkannte das IW-Institut im dritten Quartal 2024. Sinkende Zinsen und steigende Einkommen spielten Käufern in die Karten, trotz wieder steigender Kaufpreise. Eine vierköpfige Familie mit einem mittleren Vollzeit- und einem mittleren Teilzeiteinkommen musste Ende 2022 noch 45 Prozent des gesamten Einkommens für ein Eigenheim monatlich aufbringen. Im Herbst letzten Jahres seien es 40 Prozent gewesen, wie die neuen Ergebnisse des IW-Wohnindex für das dritte Quartal 2024 zeigten.

Zum Gesamtbild gehöre aber auch, dass Eigentum im vergangenen Jahrzehnt noch deutlich erschwinglicher gewesen sei. Anfang 2018 musste eine Familie weniger als 30 Prozent des monatlichen Haushaltseinkommens für das Eigenheim ausgeben. Eine Rückkehr zu diesem Niveau werde es mittelfristig allerdings nicht geben, so die Prognose der IW-Wissenschaftler. Das Pestel-Institut kommentiert die Probleme der „Nestbauer-Generation“ mit den Worten: „Die meisten 25- bis 45-Jährigen wohnen heute zur Miete. Der Staat hat aus ihnen quasi eine komplette Mieter-Generation gemacht.“

Immer weniger Menschen sparen für die eigene Wohnung

Die steigende Zurückhaltung beim Wohneigentumserwerb spiegelt sich auch in Herbstumfrage 2024 des Verbandes der Privaten Bausparkassen. In dieser werden Bundesbürger regelmäßig nach den Gründen für das Sparen befragt. Von 2.000 befragten Bürgern im Alter von über 14 Jahren haben nur noch 33 Prozent „Wohneigentum“ als Sparmotiv angegeben, ein Rückgang um elf Prozent gegenüber der Vorjahresbefragung. Seit drei Jahren sei die „Altersvorsorge“ das beherrschende Sparmotiv und erreiche regelmäßig über 50 Prozent der Nennungen, so auch in der jüngsten Herbstbefragung (56 Prozent). Dahinter habe sich der „Konsum“ als zweitstärkstes Motiv etabliert (45 Prozent).

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Für das Jahr 2023 verzeichnet der Verband der Privaten Bausparkassen einen „historischen Rückgang bei der privaten Wohnungsbaufinanzierung“. Die gesamte Kreditwirtschaft habe 117 Milliarden Euro weniger an Darlehen ausgereicht. Das sei etwa ein Drittel weniger im Vergleich zum Jahr 2022. Der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts, Matthias Günther beschreibt die Lage mit drastischen Worten: „Für Durchschnittsverdiener ist die Chance auf Wohneigentum heute gleich Null. Die Enttäuschung der Menschen darüber ist enorm.“ Die Bedingungen, sich Wohneigentum anzuschaffen, seien „denkbar schlecht“.

Wie kann der Kauf von Eigentum erleichtert werden?

Was schlagen die Analytiker vor, um die Eigentumsbildung in Deutschland zu erleichtern? „Ein ganz wichtiger Punkt ist Sicherheit. Die Menschen brauchen von der neuen Bundesregierung eine verlässliche Wohnungsbaupolitik für mindestens zwanzig Jahre“, sagt Institutsleiter Matthias Günther. Verunsicherung sei „Gift für die Investition in Wohneigentum“.

Das Pestel-Institut spricht sich außerdem für eine „Starthilfe des Staates“ bei der Wohneigentumsbildung durch ein Darlehen mit niedrigem – etwa auf zwei Prozent dauerhaft festgeschriebenem – Zins aus. Dies könne fehlendes Eigenkapital ersetzen.

Außerdem sollten die Bundesländer beim Ersterwerb von Wohneigentum, das selbst genutzt wird, komplett auf die Grunderwerbsteuer verzichten, so das Pestel-Institut. Diese liege immerhin zwischen 3,5 Prozent in Bayern und 6,5 Prozent in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und dem Saarland.

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
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Artikel „Steigende Mieten werden mehr Rentner in die Armut drängen"
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