AAL im Wohnungsbau:

Besser von Anfang an altergerecht planen

Soll das Wohnen in den eigenen vier Wänden so lange wie möglich selbstbestimmt sein, helfen Komponenten des Ambient Assisted Living. In Neubauten und bei umfassenden Sanierungen von Wohngebäuden sollten sie gleich mitgedacht werden.

1105
AAL-Systeme sollten leicht bedienbar sein. Hilfreicher als eine App ist ein übersichtliches und gut erkennbares Schaltdisplay an einem festen Ort an der Wand. Bild: Dirk Dießel/ dsl-factory
AAL-Systeme sollten leicht bedienbar sein. Hilfreicher als eine App ist ein übersichtliches und gut erkennbares Schaltdisplay an einem festen Ort an der Wand. Bild: Dirk Dießel/ dsl-factory

Ambient Assisted Living (AAL) ist die Erweiterung von Smart Home mit einem lebensschützenden und -unterstützenden Ziel, das nicht nur kranken und pflegebedürftigen Personen gilt. Ohne das Internet of Things (IoT), das Alltagsgegenstände via Web intelligent handeln lassen kann, wäre es nicht denkbar. Dabei wird AAL nicht nur für Privatwohnungen wichtig, sondern für den ganzen Pflegebereich.

Was in einem Haus IoT- und damit AAL-fähig ist, hängt von den Komponenten und ihrer alltäglichen Verwendung selbst ab. Wichtig ist, dass die Technik und deren Vernetzung nicht den Alltag der Benutzer bestimmen, sondern an deren Gewohnheiten angepasst sind. Dazu gehört insbesondere eine hohe Benutzerfreundlichkeit.

>> Förderung für Barrierereduzierung beim Wohnen startet wieder

Normen beachten

Konkret für den pflegerischen Bereich im privaten Umfeld ist AAL inzwischen genormt, damit seine Anwendung auch in der Masse gut funktioniert. Es gilt die bereits 2013 veröffentlichte DINSPEC 77002 „Anforderungen an Ambient Assisted Living“ sowie die DINSPEC 91280 „Technikunterstütztes Leben (AAL) - Klassifikation von Dienstleistungen für Technikunterstütztes Leben im Bereich der Wohnung und des direkten Wohnumfelds“ von 2012.

Der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.) gibt an, dass anzuwendende Normen vom Anwendungsbeispiel abhängen. So kann etwa eine anwenderbasierte Spezifikation aus dem AAL-Umfeld (IEC TS 63134:2020, Active assisted living use cases) angewandt werden. Auch das „Errichten von Niederspannungsanlagen“ wird durch eine Vielzahl von VDE-Bestimmungen und DIN-Normen geregelt. Die bekannteste und wichtigste Normenreihe ist DINVDE 0100(VDE 0100). Sie gilt für zahlreiche Anwendungsbereiche und ist so aufgebaut, dass Planer und Errichter von Niederspannungsanlagen systematisch vorgehen können.

Im AAL-Umfeld wäre es zudem sinnvoll, wenn die Mindestanforderungen der DIN 18040 (Barrierefreies Bauen) gelten. Aber sicher spielen auch weitere Themen, wie Gebrauchstauglichkeitsnormen für Haushaltsgeräte, eine große Rolle. Die IEC 63008:2020 enthält Anforderungen zur Barrierefreiheit und Prüfverfahren. Sie sind unabhängig vom Gerätetyp beschrieben und damit auf alle Haushaltsgeräte anwendbar, egal ob es sich um eine Waschmaschine oder eine Klimaanlage handelt. Die Prüfung zur Sicherheit, elektromagnetischen Verträglichkeit und zu anderen Produkteigenschaften kann in entsprechenden Prüfstellen durchgeführt werden. Prüfstellen wie das VDE Prüfinstitut bieten auch die Prüfung und Zertifizierung der Sicherheit im Bereich des Datenschutzes, der Cyber Security und der Funktionalen Sicherheit an.

Datenschutz wesentlich

Was bei AAL-Technologien besonders beachtet werden muss, ist der Datenschutz. Schließlich lassen sich aus den Daten Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand, soziale Kontakte, Besuchszeiten von Pflegediensten und die Anwesenheit der Nutzer und Bewohner ziehen, die selbstredend hochsensibel sind. Deswegen muss von vornherein geklärt werden, welche Daten für eine optimale Betreuung, die von AAL-Komponenten unterstützt wird, nötig und transparent für die Beteiligten sind – und etwa in einer Cloud bereitgestellt werden – und welche in der Hoheit der Bewohner bleiben. Nur mit einer solchen Transparenz lässt sich bei den Bewohnern das nötige Vertrauen in solche Technologien schaffen. Und dieses Vertrauen ist überhaupt die Grundlage für den Einsatz von AAL.

Technisch gesehen gibt es mehrere Möglichkeiten, AAL-Komponenten zu installieren. Entweder wird ein Komplettsystem erworben, das alle nötigen Komponenten beinhaltet, also Alarmmelder, Anwesenheitssensoren, vitale Überwachungsfunktionen, Notfallassistenten. Diese können entweder selbst- oder fremdausgelöst werden, ermöglichen eine Temperaturmessung, und beinhalten gleich vom Hersteller aus ein eigenes Vernetzungssystem und die Einkopplung in eine bereits vorhandene Gebäudeautomation.

Einbindung per Funk mit Tücken

Oder es handelt sich um Einzelkomponenten verschiedener Hersteller, die mit einem eigenen System miteinander und mit der Gebäudeautomation, aber auch mit Sprachassistenten verbunden werden. Letztes ist möglich, weil es bisher keinen einheitlichen AAL-Standard in Deutschland gibt. Es sind jedoch die angegebenen Normen zu beachten.

Doch gerade bei Geräten verschiedener Hersteller müssen die verschiedenen Funkstandards, neben WLAN und Bluetooth etwa Z-Wave oder ZigBee, aufwendig miteinander synchronisiert werden.

Wichtig bei der Auswahl der Komponenten ist natürlich, was benötigt wird. Ziel ist es, den Menschen in ihren Wohnungen eine sichere Umgebung zu bieten, die auch auf kleinste Alltagsstörungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen oder aber akute Unfälle reagiert.

AAL hat sich im breiten Alltag noch nicht durchgesetzt

Schaut man auf den Markt für smarte Komponenten, sind vor allem Sicherheitssysteme und Energieeffizienzsysteme gefragt. Vor allem erstere gehören in einen AAL-Katalog, da Senioren ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis haben. Allerdings schreitet die technische Entwicklung voran. Innerhalb von fünf Jahren sind die Kosten für AAL-Komponenten auf 20 Prozent des ursprünglichen Preises gefallen. Das wiederum könnte eine breite Markteinführung befördern.

Diese AAL-Tools gibt es

Dabei haben auch die Versicherungsträger, vor allem Pflege- und Krankenkassen, ein Wort mitzureden. AAL-Komponenten dürfen nicht in dem Ruf stehen, normale oder aber luxuriöse Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs zu sein. Sie müssen der Pflege und der Unterstützung für ein sicheres Leben in der wohnlichen Umgebung dienen. Doch wie nun funktionieren idealerweise solche AAL-Systeme?

Am besten funktionieren sie so, wie es sich die Bewohner und Nutzer wünschen. Und dazu gehört gerade bei älteren Menschen eben eine einfache Bedienbarkeit.

App-Steuerungen wären zwar optional immer anzubieten. Aber ein übersichtliches und gut erkennbares Schaltdisplay an einem festen Ort an der Wand ist mitunter deutlich hilfreicher. Sensorbasierte Systeme arbeiten dabei unauffällig im Hintergrund und bedürfen im Idealfall überhaupt keiner Steuerung oder sonstigen Bedienung. Dazu gehören solche, die das Öffnen und Schließen von Fenstern und Türen registrieren, oder solche, die etwa Stürze erkennen. Auch digitalisierte Brandmelder gehören in diese Kategorie und setzen, ebenso wie die Sturzsensoren, automatisiert einen Notruf ab.

In diesen Bereich fällt auch die Überwachung der Vitalwerte wie Blutdruck und Blutzucker und deren digitale Auswertung und Übermittlung an einen Pflegedienst oder eine Gesundheitseinrichtung. AAL kann hier sogar Handlungsempfehlungen geben, wenn diese Daten entsprechend eingebunden werden (siehe auch „AAL kann persönliche Sicherheit erhöhen“).

Elektrische Geräte, insbesondere Kühlschränke oder Herde, können ebenfalls mit Sensoren ausgestattet werden und zeigen an, ob sie offen oder in Betrieb sind. Bei Herden ist sogar eine eigene Abregelung denkbar, falls die Herdplatten zwar an sind, aber leer stehen.

Demenzgerechtes Bad

Nicht direkt im AAL verbunden, aber aufgrund von 1,5 Millionen an Demenz erkrankten Menschen hierzulande durchaus von Relevanz, ist auch an die entsprechende Einrichtung der Wohnung und insbesondere der Bäder zu denken. Als Vorbild können hier die Bäder in Reha-Kliniken oder Krankenhäusern dienen. Es kommt auf eine übersichtliche Raumgestaltung an (in die natürlich auch AAL-Komponenten gehören). Es sollte sparsam möbliert werden, da zu viele Ablagemöglichkeiten noch mehr Verwirrung stiften würden.

Bedienelemente sollten kontrastreich sein, also das Gerät etwa weiß, die Funktionen farblich deutlich abgehoben, etwa mit Rot oder Anthrazit. Diese beiden Farben können gut von älteren Menschen erkannt werden, die unter einer Eintrübung der Linsen leiden. Die Farben können zudem dabei helfen, ein Orientierungssystem zu installieren – so können Striche oder Balken einen Weg vorgeben oder aber ein Bedienelement anzeigen.

Das Expertengremium DKE/AK 801

Das Expertengremium DKE/AK 801 befasst sich mit den Normen für AAL (mehr dazu hier: https://www.dke.de/801). Es ist die nationale Entsprechung des internationalen IEC-Systemkomitee AAL (SyC AAL). Von dem Gremium wurde eine Normungs-Roadmap entwickelt. Sie soll zeigen, welchen Mehrwert intelligente Technik für die Gesundheit in der Zukunft haben kann. Mehr dazu hier: https://www.dke.de/de/arbeitsfelder/home-building/normung-roadmap-smart… Gerade bei AAL ist auch die funktionale Sicherheit wichtig. Die entsprechenden Arbeitsfelder des Gremiums sind hier beschrieben: https://www.dke.de/de/arbeitsfelder/core-safety/funktionale-sicherheit

Erkennungsgenauigkeit von AAL Systemen

Sollen AAL-Technologien in Zukunft genutzt werden, setzt das vor allem eine breite Akzeptanz voraus. Fehlalarme und nicht ausgelöste, tatsächlich notwendige Notrufe müssen ausgeschlossen werden. Die EU hat in ihrem Internet of Things – An action plan for Europe dafür folgende IoT- Plattform als geeignet benannt: • FI-Ware • CRYSTAL • UniversAAL Mehr dazu hier: https://www.eesc.europa.eu/en/our-work/opinions-information-reports/opi…

Förderung von AAL-Technologien

Bisher konnten AAL-Technologien mit dem KfW-Zuschussprogramm Altersgerecht umbauen 455-B gefördert werden. Doch im Bundeshaushalt 2022 wurden dafür keine Mittel bereitgestellt. Derzeit ist keine Antragstellung möglich. Für wohnungswirtschaftliche AAL-Projekte stehen also lediglich Kredite im KfW-Programm 159 zur Verfügung. Mehr dazu hier: https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Bestehende-Immobili…

Frank Urbansky

Frank Urbansky
Journalist, Fachautor und Berater
AnhangGröße
Beitrag als PDF herunterladen418.77 KB

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel Besser von Anfang an altergerecht planen
Seite 24 bis 26
3.6.2024
AAL-Technologie ohne Marktdurchdringung
Der Bedarf an Wohnraum für Senioren und Menschen mit Handicap steigt von Jahr zu Jahr. Digitalisierung und insbesondere AAL-Systeme könnten den Mietern helfen, lange ein selbstbestimmtes Leben zu...
30.5.2022
AAL-Systeme in der Haustechnik
Interview mit Janina Laurila-Dürsch, Normungsmanagerin Health und Industry, Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE, zu individuellen Bedürfnissen, Sicherheit...
30.5.2022
„Pflege@Quartier“: innovatives Wohnkonzept der GESOBAU
Das Projekt „Pflege@Quartier“ verbindet digitale Assistenztechnik in den Wohnungen mit Dienstleistungen und Beratungsstellen im Quartier.
30.5.2022
Interview zum „Pflege@Quartier“ der Gesobau
In einem Interview mit der IVV erläutert Helene Böhm, Leiterin Sozial- und Quartiersmanagement bei der GESOBAU, die Hintergründe und den aktuellen Stand des Projekts nach drei Jahren. #AAL...
1.8.2023
Praktische Alltagshilfen im Alter
Die Berliner Wohnungsgesellschaft GESOBAU AG setzt verstärkt auf ein breites Angebot für ältere Menschen. Seit Juni können sich Interessierte in einer „Pflege@Quartier“-Musterwohnung im...
3.6.2024
Kfw-Programme „Altersgerecht Umbauen“
Mit dem Programm „Altersgerecht Umbauen“ (455-B und 159) fördert die bundeseigene Förderbank KfW Baumaßnahmen, die Barrieren reduzieren und die Sicherheit erhöhen – unabhängig vom Alter des Bauherr/...