Drei Jahre Mieterstromgesetz

Da ist keine Spannung drauf

Vor drei Jahren ist das Mieterstromgesetz in Kraft getreten, doch bei der Energiewende in den Städten hat sich fast nichts getan. Photovoltaikanlagen auf Dächern sind in den Städten auch heute noch eine Seltenheit. Elf Verbände fordern eine Entbürokratisierung der dezentralen Stromerzeugung.
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 Bild: Grammer Solar/R. Ettl
Bild: Grammer Solar/R. Ettl

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW), Haus & Grund, Deutscher Mieterbund, Verbraucherzentralen und andere sind sich in ihrer Kritik einig: Unzumutbare Hürden für die Anwender des Mieterstrommodells und ein unnötiger Bürokratieaufwand bewirkten, dass nur etwa ein Prozent des gesetzlich möglichen Mieterstrompotenzials in der Praxis umgesetzt worden sei. Die Verbände fordern die Bundesregierung daher in einem gemeinsamen Papier auf, das „wirkungslose“ Mieterstromgesetz grundlegend zu überarbeiten.

„Kostengünstigen Solarstrom beziehen, der vor Ort umweltschonend im eigenen Wohnviertel erzeugt wird. Das bleibt für Bewohner von Mehrfamilienhäusern auch drei Jahre nach Verabschiedung des Mieterstromgesetzes der absolute Ausnahmefall. Das Modell ist zu bürokratisch und rechnet sich nicht“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des GdW.

Woran hapert es?

Das Mieterstromgesetz vom Juli 2017 hat diverse Hemmnisse nicht beseitigt. Das gegenwärtige Konstrukt ist nicht kostendeckend. Die Projekte sind häufig zu kleinteilig, erfordern dennoch viel Aufwand bei der Realisierung. Nach wie vor sind die staatlichen Umlagen ein Problem. Kritiker nennen hier vor allem die EEG-Umlage. Die bestehende finanzielle Förderung könne das nicht ausgleichen. Es gebe keinen wirklichen Preisanreiz. Und der Verwaltungsaufwand in Richtung des Netzbetreibers und zur Anmeldung der Anlagen ist im Verhältnis zu ihrer Größe sehr hoch. Diese Mischung an Restriktionen – wirtschaftlich schwer darstellbar, wenig attraktive Preise und die hohe administrative Komplexität – verhindere den Durchbruch für dezentrale Solarstromanlagen zur Energieversorgung von Mietern.

Bereits ein Jahr nach Inkrafttreten des Mieterstromgesetzes, im Sommer 2018, hatten der GdW und der BSW Bundesverband Solarwirtschaft eine ernüchternde Zwischenbilanz gezogen und klar die Hindernisse für die Energiewende in den Mieterquartieren aufgezeigt. Von Juli 2017 bis April 2018 wurde lediglich 108 förderfähige Mieterstromprojekte bei der Bundesnetzagentur angemeldet. Die Gesamtleistung der dabei installierten Photovoltaikanlagen betrug 2,8 Megawattpeak (MWp); damit war die jährliche gesetzliche Höchstgrenze von 500 MWp nicht im Ansatz ausgeschöpft worden. In einer gemeinsamen Erklärung des BSW Solar und des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW) ist die Rede von „unnötigen steuerlichen und bürokratischen Barrieren“, die durch das Mieterstromgesetz nicht beseitigt worden seien. Abschreckend wirkten vor allem die Komplexität des Geschäftsmodells, die zu geringe Wirtschaftlichkeit sowie das komplizierte Zählerwesen und der komplizierte Netzanschluss.

Der Bundesverband Solarwirtschaft hatte 2018 im Rahmen einer Onlinebefragung unter Stromproduzenten und Wohnungsunternehmen 118 Antworten zu den Schwierigkeiten des Geschäftsmodells erhalten. Die Befragten forderten damals neben der Beseitigung steuerlicher Nachteile vor allen Dingen eine Abschaffung der EEG-Umlage auf direkt gelieferten Solarstrom (74 Prozent), die Entbindung kleinerer Projekte von Energieversorgerpflichten (51 Prozent) sowie ein einfacheres Zähler- und Abrechnungswesen.

Was das Gesetz von 2017 eigentlich bewirken sollte

Beim Photovoltaik-Mieterstrom handelt es sich um Strom, der auf einem oder mehreren Gebäuden durch Solarenergie erzeugt und im Wege der Direktvermarktung an die Bewohner geliefert wird. Da dieser Strom ohne Nutzung eines allgemeinen Versorgungsnetzes zu den Kunden gelangt, enthält der Preis keine staatlichen Abgaben wie Netznutzungsentgelte, Konzessionsabgaben, KWK-Umlage oder Stromsteuer. Vor Inkrafttreten des Gesetzes hatten Mieter die volle EEG-Umlage von damals rund sieben Cent je Kilowattstunde zu zahlen, während Eigenheimbesitzer mit Solaranlage auf dem Dach von einer reduzierten EEG-Umlage auf selbst produzierten Strom profitierten.

Um die Wettbewerbsfähigkeit von PV-Mieterstrom zu erhöhen und den solaren Ausbau in den Städten zu fördern, garantiert das neue Mieterstromgesetz den Betreibern von PV-Mieterstromanlagen in Abhängigkeit von der Größe der Anlage und dem aktuellen EEG-Einspeisetarif einen Zuschlag von bis zu 3,8 Cent/kWh. Förderfähige Anlagen sind jedoch auf 100 kWp begrenzt. Auch ein Höchstpreis für PV-Mieterstrom wurde vom Gesetzgeber festgelegt. Er muss mindestens 10 Prozent unter dem am jeweiligen Ort geltenden Grundversorgungstarif liegen.

Stromverkauf „infiziert“ Mieteinnahmen mit Gewerbesteuer

Eine entscheidende steuerliche Hürde für die dezentrale Stromproduktion konnte jedoch mit dem Mieterstromgesetz nicht beseitigt werden. Wohnungsunternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energien oder aus der Kraft-Wärme-Kopplung gewinnen, verlieren die Gewerbesteuerbefreiung in der Vermietungstätigkeit. Beim Verkauf von Strom an die Mieter fällt Gewerbesteuer an. Diese Steuer würde die Erlöse aus der Vermietung „infizieren“. Wird in Zukunft keine Lösung für die „Gewerbesteuerinfektion“ von Mieteinnahmen gefunden, so die damalige Kritik des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), bleibe das Gesetz zur Förderung von Mieterstrom ein zahnloser Tiger ohne Wirkung in der Praxis.

Elf Verbände fordern Reform des Mieterstromgesetzes

Die Bundesregierung hatte im Herbst 2019 einen Vorschlag zur Anpassung des Mieterstromgesetzes vorlegen wollen, dies jedoch nicht getan. Anlässlich des dritten Jahrestages des Gesetzes am 25. Juli 2020 fordert das Bündnis aus elf Verbänden die Bundesregierung deshalb auf, das nachzuholen. Die Forderungen lauten unter anderem:

  • Finanzielle Förderung von Eigenstromverbrauch und Mieterstromverbrauch gleichstellen.
  • Die finanzielle Förderung muss bei Mietern und Selbstnutzern von Wohneigentum ankommen.
  • Die steuerlichen Hemmnisse für Vermieter abbauen.
  • Genehmigungsfristen verkürzen.
  • Contractingmodelle mit Drittanbietern ermöglichen.

Thomas Engelbrecht

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