PV für die Eigenversorgung – wie das auf Wohnimmobilien funktioniert

Die aktuelle Krise lässt wieder die Selbstversorgung von Immobilien mit Energie interessant werden. Für Strom kommt Dach-Photovoltaik infrage. Doch die Investition ist zunächst teuer und bisher auch noch politisch über die Maßen reguliert. Dennoch setzen schon heute Immobilienverwalter und -besitzer auf diese Lösung. Ein Vorteil: stabile Preise auch in der Zukunft für einen Teil der Energieversorgung.

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Mit einem professionellen Mieterstromkonzept können Mieter dezentral mit CO2 -freiem Strom aus einer Photovoltaik-Anlage versorgt werden. Dazu kommen unterschiedliche Akteure zusammen: Gebäudeeigentümer, Mieter und Stromversorger. Bild: Mainova AG
Mit einem professionellen Mieterstromkonzept können Mieter dezentral mit CO2 -freiem Strom aus einer Photovoltaik-Anlage versorgt werden. Dazu kommen unterschiedliche Akteure zusammen: Gebäudeeigentümer, Mieter und Stromversorger. Bild: Mainova AG

Während viele Vermieter aufgrund von wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen nach wie vor zögerlich sind, wenn es um Mieterstromprojekte geht, zeigt sich ein deutlich höheres Interesse seitens der Mieter. Dies wird durch eine aktuelle Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts CIVEY im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy deutlich.

Fast zwei Drittel der befragten Mieterinnen und Mieter geben an, dass sie sich definitiv (49,3 %) oder eher (15 %) vorstellen können, den Solarstrom vom Dach ihres Wohnhauses direkt zu nutzen. Die Umfrage zeigt jedoch auch, dass immerhin 46 Prozent der Immobilienbesitzerinnen und -besitzer mehr oder weniger starkes Interesse an der Umsetzung eines Mieterstromprojekts haben. Allerdings gibt etwa ein Drittel der befragten Hausbesitzerinnen und -besitzer an, dass sie „auf keinen Fall“ oder „eher nicht“ bereit wären, eine Photovoltaikanlage zu installieren, um ihre Mieter mit Strom zu versorgen. Wohl ein Grund: Für den Einbau der nötigen Technik und die Investitionen wären die Vermieter vollverantwortlich.

Mieter hingegen lockt vor allem die Aussicht auf günstigere Strompreise (61,5 %). Dies wird gefolgt von der Tatsache, dass der genutzte Strom vor Ort erzeugt wurde (42,9 %) und dass er nachhaltig ist (41,6 %). Auch die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen wurde von 41,6 Prozent der Mieterinnen und Mieter als Anreiz genannt. 33,9 Prozent der Mieter wären sogar bereit, Geld in eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu investieren, wenn der Vermieter sich ebenfalls finanziell beteiligen würde.

Die wichtigsten Gründe für die Zurückhaltung seitens der Vermieter sind vor allem, dass größere bauliche Maßnahmen erforderlich wären (37,1 %), um eine Solaranlage umzusetzen. Des Weiteren schrecken 34,2 Prozent vor dem hohen bürokratischen Aufwand und der potenziell mangelnden Wirtschaftlichkeit (31,1 %) eines Mieterstromprojekts zurück.

Politischer Rahmen

Dennoch: Ohne die innerstädtische Dach-PV und potenziell eigengenutzen Strom wird es nicht gehen. Das Ziel lautet 215 Gigawatt Photovoltaik bis 2030. Das bedeutet einen jährlichen Zubau von 7,5 GW 2022 und 22 GW im Jahr 2026. Dieser Zubau soll nach den Vorstellungen des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums vom August 2023 etwa zur Hälfte auf Dächern erfolgen.

Das vom Bundeskabinett verabschiedete Solarpaket hat das Ziel, die Beteiligung der Bürger – hier also vor allem der Mieter – am Ausbau der Photovoltaik zu fördern. Es umfasst mehrere Maßnahmen: Die Vorschriften für die gemeinsame Nutzung von Photovoltaikanlagen, insbesondere in Mehrfamilienhäusern, werden erheblich vereinfacht. Dies geschieht durch die Einführung der „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“, die es den Gebäudebewohnern ermöglicht, Solarenergie ohne die üblichen Verpflichtungen eines Stromversorgers zu nutzen (lesen Sie dazu den IVV-Beitrag „Balkonsolaranlage in Miet- und WEG-Recht“ aus er November-Ausgabe). Die Nutzung von Mieterstrom wird ebenfalls erleichtert und für Gewerbegebäude zugänglich gemacht.

Die Vorschriften für sogenannte Stecker- oder Balkonsolaranlagen werden deutlich vereinfacht. Zukünftig wird es eine stark vereinfachte Anmeldung geben, ohne die Notwendigkeit eines neuen Zählers. Ein rückwärtslaufender Zähler wird vorübergehend akzeptiert. Die Installation solcher Anlagen erfordert weder eine Genehmigung noch die Beauftragung eines Elektrikers (lesen Sie dazu auch den Beitrag auf Seite 42).

Balkon-PV wird in den Katalog privilegierter Maßnahmen des Wohnungseigentumsgesetzes aufgenommen. Dies bedeutet, dass Wohnungseigentümer und Mieter das Recht haben, die Betreibung ihrer Balkon-PV-Anlage von der Gemeinschaft genehmigen zu lassen. Das Bundesjustizministerium hat diesen Aspekt bereits in den Entwurf zur Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes integriert.

Das Solarpaket wird zusammen mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmewende und dem Gebäudeenergiegesetz am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Zuvor wird die Solarreform noch im Bundestag diskutiert.

Wohnungswirtschaft handelt

Die langen Wege der Politik spannen auch die Wohnungswirtschaft auf die Folter. Doch hier gibt es Initiativen, die diesen Prozess zumindest im unternehmerischen Bereich beschleunigen sollen. Der GdW, der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft, und Ampeers Energy haben eine wegweisende Kooperation geschlossen, um die CO2-Emissionen im Gebäudesektor bis 2045 um mindestens fünf Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren.

Der zeitlich unbefristete Kooperationsvertrag trat am 6. April 2023 in Kraft. Er bietet den Mitgliedsunternehmen des GdW Lösungen zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen, etwa eine CO2-Bestandsaufnahme gemäß der Arbeitshilfe 85 des GdW, die Planung und Umsetzung von Maßnahmen für eine Klimastrategie sowie den optimierten Betrieb und die automatisierte Abrechnung aller Energieflüsse mithilfe eines selbstlernenden Energie-Management-Systems.

Darüber hinaus unterstützt Ampeers Energy die Erschließung neuer Refinanzierungsquellen durch Geschäftsmodelle wie Mieterstromangebote oder den Verkauf von Ladestrom im Zusammenhang mit der wachsenden E-Mobilität.

Quartier Anna-Sofien-Höfe: Fast alle Mieter für Eigenstrom

Unabhängig davon gibt es auch in der Wohnungswirtschaft Beispiele für die Implementierung eigener Stromtarife dank Dach-PV, so die Anna-Sofien-Höfe der Baugenossenschaft Langen eG. Es ist das erste Projekt seiner Art für die Baugenossenschaft und soll künftig auch auf Bestandsgebäude ausgedehnt werden. Das Herzstück des Mieterstrommodells ist eine Photovoltaikanlage auf den Dächern der Anna-Sofien-Höfe. Die Anlage besteht aus 546 Modulen und hat eine Leistung von über 200 kWp. Damit kann ein erheblicher Teil des Netzstroms ersetzt werden. Das ist auch kostengünstiger für die Mieter. Die Baugenossenschaft hat sich für die prosumergy GmbH aus Kassel als Contracting-Partnerin entschieden. Fast alle Mieter haben sich an dem Projekt beteiligt.

„Das Quartierskonzept zeichnet sich dadurch aus, dass alle Modulflächen über einen gemeinsamen Anschlusspunkt an das öffentliche Netz angeschlossen sind. Der erzeugte Solarstrom kann zunächst zwischen allen Gebäuden verteilt werden, bevor er in das öffentliche Netz eingespeist wird“, erklärt Daniel Netter von prosumergy. So könne jede Modulfläche jeden Letztverbraucher im Quartier erreichen, ohne den Solarstrom über das öffentliche Netz leiten zu müssen (siehe auch Drei Fragen an …).

Die vier Wechselrichter der PV-Anlage sind dabei über ein gemeinsames Energiemanagementsystem (Data Manager M von SMA) miteinander verbunden. Über dieses erfolgt das Einspeisemanagement, die Umsetzung der Direktvermarktung zur Einspeisung der Überschussmengen und die Visualisierung der Energiebilanz. Durch die Verteilung des Solarstroms im gesamten Quartier inklusive Parkdeck kann eine hohe Eigenverbrauchsquote erreicht werden, schätzt Netter.

Wohnungsunternehmen Strenger mit Komplettlösungen für PV und Ladepunkte

Auch das Wohnungsbauunternehmen Strenger arbeitet an solchen Modellen, hier mit dem Hannoveraner Energiedienstleister Enercity und Rockethome als Contracting-Dienstleister. Das Joint Venture Rockethome Climate Solutions unterstützt bei der Planung und Umsetzung von Photovoltaikanlagen, Ladeinfrastrukturen, Wärme-Lösungen und digitalen Erlebniswelten sowie Mieterstromoptionen.

Die Mieterstromlösung ermöglicht es den Bewohnern, direkt von auf den Dächern installierten Photovoltaikanlagen erzeugten Strom zu beziehen. Selbst bei geringer Sonneneinstrahlung erhalten die Nutzer Ökostrom. Überschüssiger Strom wird ins Netz eingespeist. Das senkt die Stromkosten für die Mieter, da Netzentgelte und andere Gebühren entfallen.

156 Elektroladestationen in verschiedenen Projekten installiert

Die Wohnungsbaukonzepte berücksichtigen auch den Bedarf an Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. In verschiedenen Projekten wurden insgesamt 156 Ladepunkte installiert, die mit 100 Prozent Ökostrom betrieben werden. Einige Projekte sehen zudem eine Autarkie von etwa 25 Prozent beim Ladestrom vor, die durch die Photovoltaikanlagen gewährleistet wird.

Eine eigene App ermöglicht es den Bewohnern, verschiedene Funktionen in ihren Wohnungen zu steuern, von der Beleuchtung bis zur Wallbox für Elektrofahrzeuge.

Frank Urbansky

Frank Urbansky
Journalist, Fachautor und Berater
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Seite 26 bis 28
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