Entwurf für ein neues Wohnungseigentumsgesetz

Die Regierung möchte Verwaltern mehr Befugnisse geben

Das Bundesjustizministerium hat den Entwurf für ein gründlich überarbeitetes Wohnungseigentumsgesetz vorgelegt. So sehen die Schwerpunkte des Reformentwurfs aus, der sich seit Mitte Februar in der Ressortabstimmung befindet.

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Ein entscheidungsfreudiger Immobilienmanager: Der Entwurf für ein neues WEG-Gesetz will Verwaltern mehr Handlungsvollmacht geben. Bild: alfexe/stock.adobe.com
Ein entscheidungsfreudiger Immobilienmanager: Der Entwurf für ein neues WEG-Gesetz will Verwaltern mehr Handlungsvollmacht geben. Bild: alfexe/stock.adobe.com

Thomas Meier der Präsident des Bundesfachverbandes der Immobilienverwalter (BVI) fand auf dem Neujahrsempfang des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) große Worte. Nach seiner Einschätzung „stellt der vorgelegte Gesetzentwurf bisherige Grundsätze des WEG-Rechts auf den Kopf“. Und auch der Geschäftsführer des VDIV, Martin Kaßler, begrüßte den Reformentwurf mit den Worten: „Mehr Rechtssicherheit, mehr Verbraucherschutz und erleichterte Beschlussfassungen beispielsweise bei baulichen Veränderungen und Sanierungsmaßnahmen waren längst überfällig.“

Unterdessen warnt der Verbraucherschutzverein „Wohnen im Eigentum“ (WiE) vor mehr Kompetenzen für den Verwalter, vor einer Aufwertung des Verwalters zu einer Art Manager der Wohnungseigentumsanlage. Auch der Verbraucherverband sieht einen großen Reformbedarf, spricht vom „Tanker WEG“, der wieder flottgemacht werden müsse. Die Reform müsse allerdings vor allem in eine Richtung zielen: mehr direkte Kontrolle und Sanktionsinstrumente für Eigentümer gegenüber dem Verwalter. Nach einer ersten Einschätzung erklärte Gabriele Heinrich, Vorstand Wohnen im Eigentum: „Positiv bewerten wir unter anderem, dass Vereinfachungen bei der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums wichtige Baumaßnahmen erleichtern. Der Entwurf enthält aber auch sehr risikobehaftete Regelungen, die zulasten der Wohnungseigentümer und des Verbraucherschutzes gehen. Insbesondere die geplante Stärkung der Position des Verwalters wird von WiE äußerst kritisch gesehen.“

Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke forderte weitergehende Änderungen: „Die Rechte der vermietenden Wohnungseigentümer dürfen nicht durch Mieterrechte eingeschränkt werden. Hier ist der Vorschlag aus dem Ministerium noch nicht konsequent“, betonte Warnecke.

Mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf strebt die Bundesregierung erstmals nach zwölf Jahren eine umfassende Reform des Wohnungseigentumsrechts an. Dies ist aus Sicht der beiden Eigentümerverbände dringend geboten, um die über 800.000 Wohnungseigentümergemeinschaften mit knapp neun Millionen Eigentumswohnungen auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten. Mit Blick auf die WEG-Verwaltung betonen beide Verbände, dass die Rechte der Wohnungseigentümer an oberster Stelle stehen müssten.

Werden also die Gewichte neu verteilt? Was steht im Reformentwurf des Bundesjustizministeriums?

Mehr Kompetenz für Verwalter – den Rahmen stecken die Eigentümer ab

Die originären Verwalterkompetenzen sollen dadurch gestärkt werden, dass Maßnahmen gewöhnlicher Verwaltung sowie Eilmaßnahmen auch ohne eine Beschlussfassung der Eigentümer unmittelbar durchgesetzt werden können. Im neuen § 27 heißt es dazu: „Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die die gewöhnliche Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mit sich bringt.“ Einschränkend formuliert Abs. 2: „Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten durch Beschluss einschränken oder erweitern.“

Unbeschränkte Vertretungsmacht für den Verwalter – Stärkung im Rechtsverkehr

Zukünftig soll der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich vertreten können. Seine Vertretungsmacht soll unbeschränkt sein und durch Vereinbarung oder Beschluss nicht beschränkt werden können. Wer mit einem Verwalter einen Vertrag schließt, muss nicht mehr befürchten, dass dessen Vertretungsmacht für den Abschluss des Vertrags nicht ausreicht. Dies diene zugleich dem Interesse der Wohnungseigentümer, über die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer effizient am Rechtsverkehr teilnehmen zu können.

Eine Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durch den Verwalter (jetziger § 27 Abs. 2) sieht der Entwurf nicht mehr vor.

Erweiterte Rechte für Eigentümer – durch Berichtspflicht des Verwalters

Das Recht der Eigentümer auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen wird im Gesetz festgeschrieben. Neu: Der Verwalter hat einmal jährlich einen Vermögensbericht zu erstellen, der über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft Auskunft gibt.

Eine Gemeinschaft soll sich leichter von ihrem Verwalter trennen können, wenn das Vertrauen verloren gegangen ist. Es soll dabei nicht mehr auf einen „wichtigen Grund“ ankommen. Beschränkungen der Bestellung oder Abberufung des Verwalters sollen nicht mehr zulässig sein.

Förderung von Elektroautos, Barrierefreiheit und Einbruchschutz – durch individuellen Rechtsanspruch

Jeder Wohnungseigentümer kann auf eigene Kosten eine Elektroladesäule einbauen, die Wohnung barrierefrei umbauen oder Einbruchschutz installieren lassen. Er braucht dazu keinen Beschluss der Eigentümergemeinschaft. Auch Mietern in Eigentumswohnungen soll dieser Anspruch zustehen.

Bauliche Veränderungen herbeiführen – durch einfache Mehrheiten

Die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen der Wohnanlage soll vereinfacht werden, insbesondere für Maßnahmen, die zu dauerhaften Kosteneinsparungen führen oder die Wohnanlage in einen zeitgemäßen Zustand versetzen. Bauliche Maßnahmen sollen grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden können. Die überstimmte Minderheit soll mit einer differenzierten Regelung zur Kostentragung vor unangemessenen Belastungen geschützt werden.

Aufwertung der Eigentümerversammlung – keine Hürden für Beschlussfähigkeit

Die Eigentümerversammlung ist der zentrale Ort der Entscheidungsfindung. Sie wird aufgewertet, indem die Ladungsfrist von zwei auf vier Wochen verlängert wird. Außerdem: Der Referentenentwurf sieht vor, das Beschlussfähigkeitsquorum aufzuheben, sodass Versammlungen unabhängig von der Zahl der vertretenen Miteigentumsanteile beschlussfähig sind. Im neu gefassten § 25 heißt es jetzt ganz simpel: „Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.“

Im Zuge der Digitalisierung soll es zukünftig gestattet sein, dass einzelne Eigentümer online an einer Präsenzversammlung teilnehmen. Das alte WEG-Gesetz kennt nur die physische Zusammenkunft. Auch die elektronische Beschlussfassung im Umlaufverfahren soll gestattet werden.

Stärkung des Verwaltungsbeirates – Größe des Beirates frei wählbar

Die Tätigkeit im Verwaltungsbeirat soll attraktiver werden, indem die Haftung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wird. Zudem sieht der Entwurf eine Flexibilisierung dahingehend vor, dass die Wohnungseigentümer die Größe des Verwaltungsbeirats nach den Bedürfnissen ihrer Gemeinschaft festlegen können. Bislang schreibt das Gesetz in jeden Fall einen Vorsitzenden und zwei weitere Eigentümer als Beisitzer vor.

Mehr Effizienz in der Verwaltung – weniger Streit vor Gericht

Um die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums effizienter zu gestalten, soll die bisher unklare Rolle der rechtsfähigen Gemeinschaft (= Verband) klarer konzipiert und ihre Teilnahme am Rechtsverkehr vereinfacht werden.

Mit einer klareren Fassung der Vorschriften zu Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, baulichen Veränderungen und zur Entstehung der rechtsfähigen Gemeinschaft soll das Streitpotenzial in Eigentümergemeinschaften reduziert werden. Ergänzend hierzu soll eine Änderung der gerichtlichen Verfahrensvorschriften eine effiziente Streitbeilegung fördern. So sind künftig beispielsweise Beschlussanfechtungsklagen gegen die Gemeinschaft zu richten, statt alle Wohnungseigentümer zu verklagen.

Angleichung von Wohnungseigentums- und Mietrecht

Der Referentenentwurf sieht aufeinander abgestimmte Regelungen zur Förderung der Elektromobilität, des Gebrauchs durch Menschen mit Behinderung und zum Einbruchschutz und eine Duldungspflicht des Mieters bei Baumaßnahmen vor. Zur Harmonisierung der Betriebskostenabrechnung lautet der Entwurf eines geänderten § 556a Abs. 3: „Ist Wohnungseigentum vermietet und haben die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart, sind die Betriebskosten nach dem für die Verteilung zwischen den Wohnungseigentümern geltenden Maßstab umzulegen.“

Welche Knackpunkte gibt es? – Position des VDIV

In einer schriftlichen Stellungnahme an die IVV-Redaktion urteilt Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbandes der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV): „Der Referentenentwurf bringt für Immobilienverwaltungen einige Erleichterungen mit sich – aber auch neue Herausforderungen.“ Erschwerend auf die Verwalterpraxis auswirken dürfte sich, so seine Einschätzung, die vorgesehene Verlängerung der Einberufungsfrist zur Eigentümerversammlung von zwei auf vier Wochen sowie das 100-prozentige Beschlussquorum bei Umlaufbeschlüssen. Eine zusätzliche Herausforderung für den Verwalter bringe die Pflicht, jährlich einen Vermögensbericht zu formulieren. Martin Kaßler weist auch darauf hin, dass es der Reformentwurf Wohnungseigentümern zukünftig einfacher machen wolle, sich von einer Verwaltung zu trennen, wenn man mit der Leistung unzufrieden ist. „Es soll nicht mehr erforderlich sein, für das Abberufungsrecht auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds abzustellen.“

Angesichts der geplanten erweiterten Vertretungsbefugnisse für Verwalter kritisiert der VDIV, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet, Zugangsvoraussetzungen für die Ausübung des Berufs zu schaffen. Der Berufsverband fordert von der Politik schon lange die Einführung eines Sachkundenachweises für Immobilienverwalter. Der VDIV werde im Gesetzgebungsverfahren darauf hinwirken, dass ein Sachkundenachweis Eingang in die WEG-Reform findet, so Martin Kaßler gegenüber der IVV.

Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum

Auf Anfrage der Redaktion verwies Wohnen im Eigentum (WiE) auf das Positionspapier „Dienstleister oder Geschäftsführer“, das bereits im Juni letzten Jahres als Reaktion auf den Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe veröffentlicht wurde. Die grundsätzliche Position des Verbraucherschutzverbandes Wohnen im Eigentum lautet, die Vereinfachung der WEG-Verwaltung müsse ohne Stärkung der Verwalter möglich sein. WiE stellt sich dem Ziel der Reform entgegen, die Kompetenzen des Verwalters in Richtung von Geschäftsführern zu erweitern. Damit würden die Entscheidungsrechte der Eigentümer beschnitten und ihre Risiken deutlich erhöht. Doch die Kritik von WiE ist noch fundamentaler. Der Eigentümerverband sieht ein Verfassungsrecht angegriffen. Das Selbstbestimmungs- und Selbstorganisationrecht der Wohnungseigentümer würde beschnitten und man „kratze“ an der Eigentumsgarantie, nach der Wohnungseigentum „echtes Eigentum“ sei. Nach dem jetzigen Recht liege die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich in den Händen der Wohnungseigentümer. Diese hätten die Kernkompetenz zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums, also das alleinige Recht, sich selbst zu verwalten und zu organisieren. Es steht für den WiE außer Frage, dass die Zuständigkeiten des Verwalters im Innenverhältnis und die Vertretungsrechte nach außen konkretisiert werden müssten, um die Verwaltung effizienter zu machen. Eine Konkretisierung dürfe aber keinesfalls zum Einfallstor für eine Generalklausel werden, die den Verwaltern ein weitergehendes Handeln ohne Beschluss ermöglicht.

Wie geht es weiter mit der Reform?

Das Bundesjustizministerium hat den beteiligten Ministerien und den Interessenverbänden eine Frist bis Mitte Februar für Stellungnahmen gesetzt. Argumente und Bedenken finden Eingang in die weitere Beratung des neuen Gesetzes.

Thomas Engelbrecht

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Artikel Die Regierung möchte Verwaltern mehr Befugnisse geben
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