BGH-Urteil zur Jahresabrechnung:

Wohnungseigentümer können auch nur Teile der Abrechnungsspitze anfechten

Die Jahresabrechnungen von Wohnungseigentümergemeinschaften landen nicht selten vor Gericht. Ein wichtiges Urteil des Bundesgerichtshofs stellt nun klar, dass Wohnungseigentümer auch nur einen Teil der Abrechnungsspitze anfechten können, der sich auf eine bestimmte Kostenposition bezieht.

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Abstimmung über die WEG-Abrechnung: Bisher war ungeklärt, ob Wohnungseigentümer nur den Beschluss über die Abrechnungsspitze insgesamt anfechten können oder ob auch eine Teilanfechtung zulässig ist. Foto: Adobestock/Claudia Paulussen
Abstimmung über die WEG-Abrechnung: Bisher war ungeklärt, ob Wohnungseigentümer nur den Beschluss über die Abrechnungsspitze insgesamt anfechten können oder ob auch eine Teilanfechtung zulässig ist. Foto: Adobestock/Claudia Paulussen

Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes 2020 beschließen Wohnungseigentümergemeinschaften nicht mehr über die Jahresabrechnung insgesamt, sondern nur noch über die Abrechnungsspitze der Wohnungseigentümergemeinschaft, also über die Summe der Abrechnungsspitzen der einzelnen Wohnungen. Dabei handelt es sich jeweils um die Differenz zwischen den Hausgeld-Vorauszahlungen gemäß Wirtschaftsplan und den tatsächlich entstandenen Kosten – im Ergebnis entweder eine Nachzahlung oder eine Erstattung.

Bisher war ungeklärt, ob Wohnungseigentümer nur den Beschluss über die Abrechnungsspitze insgesamt anfechten können oder ob auch eine Teilanfechtung zulässig ist. Dies hat der Bundesgerichtshof nun bejaht (Urteil vom 11.4.2025, Az, V ZR 96/24) – vorausgesetzt, die Abrechnungsspitze enthält eine „rechnerisch selbstständige und abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition“ (BGH) und vorausgesetzt, es ist anzunehmen, dass die Wohnungseigentümer „den Beschluss auch mit dem unbeanstandet gebliebenen Teil gefasst hätten“.

Streit um Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage

Im verhandelten Fall hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Abrechnungsspitzen aus den Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Jahr 2020 beschlossen. In den Abrechnungen wurden unter anderem Ausgaben in Höhe von 10.000 Euro, die aus der Erhaltungsrücklage beglichen worden waren, auf die Eigentümer nach Miteigentumsanteilen umgelegt – was eine der Eigentümer anfocht. Der Bundesgerichtshof erklärte nun diesen Teil des Beschlusses für ungültig – denn Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage dürften nicht in die Abrechnungsspitze einfließen. „Andernfalls würden die Wohnungseigentümer doppelt belastet, weil sie die Ausgaben bereits vorher durch entsprechende Beträge zur Erhaltungsrücklage finanziert haben“, heißt es in dem Urteil.

Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) begrüßt das Urteil. „Bei einer Teilanfechtung fällt der Streitwert niedriger aus als bei einer Anfechtung der gesamten Abrechnungsspitze, was dazu führt, dass die Prozesskosten niedriger sind“, sagt Dr. Sandra von Möller, Vorständin von Wohnen im Eigentum. Dies sei, so Möller, nicht nur positiv für den klagenden Eigentümer, sondern auch für die Wohnungseigentümergemeinschaft, gegen die die Klage stets zu richten ist. 

Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats erhoben werden

Einen Beschluss über die Abrechnungsspitze bzw. einen Teilbetrag der Abrechnungsspitze können Wohnungseigentümer nur innerhalb eines Monats ab dem Tag der Beschlussfassung anfechten, indem sie Anfechtungsklage beim Amtsgericht, in dessen Bezirk die Immobilie sich befindet, erheben. Nach dieser Frist wird der Beschluss automatisch bestandskräftig.

Kostenposition muss entweder falsch sein oder falsch umgelegt worden sein

Im verhandelten Fall konnte der klagende Eigentümer zeigen, dass eine Kostenposition komplett falsch ist – das dürfte allerdings nur sehr selten vorkommen. Nach der Auffassung von WiE dürfte eine Teilanfechtung aber auch zulässig sein, wenn ein Betrag falsch auf die einzelnen Wohnungseigentümer verteilt wurde, zum Beispiel wenn die Gebühren für die Straßenreinigung nach dem falschen Kostenverteilungsschlüssel auf die Wohnungseigentümer umgelegt wurden. Denn auch in diesem Fall dürfte davon auszugehen sein, dass die Wohnungseigentümer die richtigen bzw. richtig verteilten Kostenpositionen trotzdem beschlossen hätten. In der Klage müssten der Fehler und die sich daraus ergebenden Differenzen klar dargestellt werden.

Quelle: Wohnen im Eigentum (WiE) 

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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