Die EU hat sich im Dezember noch einmal ehrgeizigere Klimaziele auferlegt. Bis 2030 sollen die Mitgliedsstaaten ihre CO2-Emissionen gemeinsam um 55 Prozent senken. Eine große Stellschraube ist der Immobiliensektor und damit der Wohnungsbau. Denn Bau und Betrieb von Gebäuden sind für rund 36 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Europa verantwortlich. Allein deutsche Privathaushalte setzten 2018 insgesamt 84 Millionen Tonnen CO2 frei, überwiegend durch ihren Energieverbrauch, also für Heizung und Strom. Auf diesen Ausstoß fällt seit Januar dieses Jahres eine CO2-Steuer von 25 Euro pro Tonne an. Zahlen müssen sie alle Hauseigentümer und gewerblichen Vermieter, die mit fossiler Energie heizen, also Gas oder Öl. Vermieter dürfen die Zusatzkosten vollständig an die Mieter weitergeben. Allerdings wird die Steuer zunächst auf Bauweise und Betrieb von Wohnhäusern kaum Einfluss haben. Dafür fällt der Aufschlag zu gering aus: Die durchschnittlichen monatlichen Energiekosten von 2,25 Euro pro Quadratmeter werden sich durch die Steuer lediglich um 10 Cent erhöhen – das fällt kaum ins Gewicht. Mieter werden sich bei der Wohnungssuche weiterhin auf Quadratmeter, Lage und Ausstattung fokussieren – erhöhte Betriebskosten spielen da kaum eine Rolle. Auf dem Mietmarkt dürfte eine nachhaltige Bauweise damit auch künftig keinen Ausschlag geben. Zu einer Reduktion der Emissionen würde die CO2-Bepreisung nur dann beitragen, wenn Vermieter sie auf den Energiestandard des Gebäudes entrichten müssten und Mieter nicht auf einen umgelegten Anteil, sondern auf ihren individuellen Verbrauch.
Möglichkeiten des CO2-armen Bauens werden zu wenig genutzt
Längst gibt es Möglichkeiten, Gebäude CO2-arm zu bauen und zu betreiben – doch die Bundesregierung reguliert die Emissionen im Wohnungsbau bisher ausschließlich über die CO2-Bepreisung im Brenn- und Kraftstoffhandel. Vorgaben im seit November 2020 geltenden Gebäudeenergiegesetz (GEG) begrenzen lediglich den Primärenergiebedarf und fordern den Einsatz Erneuerbarer Energien. Treibhausgase werden nur als optionale Angabe im Energieausweis erwähnt. Auch das staatliche Förderungssystem mit Energiestandards, seit Jahresbeginn zusammengeführt in der „Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)“, berücksichtigt keine CO2-Emissionen.
Dennoch sollten Investoren, Bauherren und Projektentwickler bei zukünftigen Projekten auf die CO2-Bilanz achten – und zwar aus zwei Gründen. Erstens wird eine nachhaltige Bauweise bei Vergabeprozessen zunehmend wichtiger, wie auch aktuelle Beispiele zeigen. Städte sind für den Großteil der Emissionen verantwortlich und präferieren nachhaltige Bauprojekte, um ihren Schadstoffausstoß zu minimieren. Zweitens ist mittel- und langfristig sowohl mit einer Verschärfung der Bauvorschriften in Richtung CO2-reduzierter Bauweise sowie auch mit einer nochmals höheren CO2-Steuer zu rechnen. Bauprojekte, die diesen Entwicklungen Rechnung tragen, werden sich für Investoren auf lange Sicht stärker rentieren.
Deutsche Bauvorschriften hängen im EU-Vergleich hinterher
Die hierzulande geltenden Gesetze bilden die bereits seit Juli 2018 geltende EU-Richtline über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy performance of buildings directive, kurz: EPBD) nur unzureichend ab. Das am 1. November 2020 in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz (GEG), das vorangehende Verordnungen aktualisiert und zusammenfasst, ist zu stark auf Wärmeschutz fokussiert und berücksichtigt weder den Strombedarf des Gebäudes noch die Emissionen aus der Baustoffproduktion.
Das GEG gibt vor, dass der Transmissionswärmeverlust, also die normale Entweichung der Wärme über Wände, Dach, Fenster und Türen, um mindestens 15 Prozent unterschritten werden muss. Dazu kann entweder Dämmstoff in höherer Stärke verwendet werden, der aufgrund seines Flächenverbrauchs jedoch zulasten der Wohnfläche geht – oder auf technisch weiterentwickelte Materialien gesetzt werden, die zudem nachhaltiger sind, da in ihrer Herstellung weniger CO2 freigesetzt wird. In beiden Fällen werden die erhöhten Dämmstoffkosten jedoch nicht mehr durch einen geringeren Energieverbrauch amortisiert. Solange es keine konkreten Anforderungen an den gesamten CO2-Fußabruck eines Gebäudes gibt, werden auch in Zukunft nachhaltig erzeugte Baumaterialien kaum zum Einsatz kommen. Damit bleibt ein großes Einsparpotenzial ungenutzt.
Ein Beispiel für dieses Potenzial ist der Verbau von Zement mit hohem Anteil an Hüttensand, für dessen Produktion deutlich weniger Primärenergie benötigt und weniger Kohlendioxid-Emissionen ausgestoßen werden. Die Herstellung hüttensandhaltiger Zemente benötigt im Vergleich zur Produktion konventionellen Portlandzements wesentlich weniger Primärenergie und verursacht weniger Kohlendioxid-Emissionen. Ebenso kann die CO2-Bilanz durch eine Holzrahmenbauweise anstatt einer massiven Bauweise deutlich verbessert werden. Bei der Erwirtschaftung und Verarbeitung von Holz wird nahezu kein CO2 ausgestoßen – im Gegenteil, Holz bindet sogar CO2. Somit ist die Konstruktion komplett klimaneutral. Wichtig ist hier, dass ein nachhaltiger Holzanbau gewährleistet ist. Und auch Dämmmaterialien gibt es heutzutage als besonders emissionsarme Varianten, die auch mit entsprechenden Siegeln ausgezeichnet sind. Die vollständige Ökobilanz von Dämmstoffen hängt allerdings auch stark von der Heizmethode ab.
KfW-Standards veraltet und kontraproduktiv
Die für den Wohnungsbau geltende „Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)“, die seit 2021 aktuelle BAFA- und KfW-Programme für energieeffizienten Bau zusammenfasst, wird als zentrales Marktsteuerungsinstrument perspektivisch novelliert werden müssen. Die dem System zugrunde liegenden Referenzgebäude entsprechen im ausgewiesenen Primärenergiebedarf einem Standard von 2009. Und auch hier wird fast ausschließlich auf den Wärmeschutz abgezielt. Wenn die enthaltenden Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sind, baut kaum einer freiwillig nachhaltiger. Dabei sind heutzutage auch Passivhäuser sowie das „Plus Energiehaus“ für Normalverdiener erschwinglich – diese gehen nach Statistiken zugunsten der KfW-Häuser aber zurück. CO2-arme Baustoffe werden bisher nicht gefördert, generell gibt es kaum Vorgaben zum Baumaterial.
Erprobte nachhaltige Standards wie das „Null-Emissionsgebäude“ nach den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gibt es, sind jedoch bisher nicht gesetzlich verpflichtend. Diese beinhalten neben der Perspektive des Energiebedarfs auch eine ganzheitliche Bewertung der Ökobilanz (Life Cycle Assessment, kurz LCA). Bis 2025 ist mit verschärften Vorgaben in diese Richtung zu rechnen – insbesondere in Bezug auf „graue Emissionen“, also verbautes CO2. Andernfalls wird Deutschland seine ambitionierten Klimaziele für 2050 nicht erreichen.
Die Praxis kommt der Gesetzeslage zumindest in einem Bereich geringfügig zuvor: Bei Wohnungsbauprojekten in Großstädten ist eine leichte Trendwende in Richtung nachhaltiges Bauen zu erkennen. Bewerber, die nachweisen können, dass das geplante Objekt auch auf zehn bis zwanzig Jahre in die Zukunft noch zu einer guten Klimabilanz beitragen wird, werden präferiert. Es ist auch damit zu rechnen, dass die Kommunen bei der Vergabe vermehrt dazu übergehen, individuell strengere Kriterien und Mindeststandards aufzuerlegen. Bei Großprojekten kommen also schon vermehrt Lifecycle-Analysen zum Einsatz, bei denen die Kosten einer Immobilie über ihren gesamten Lebenszyklus, möglichst ab Bauplanung, durchgerechnet werden, um zu ermitteln, inwieweit sich Investitionen in eine energieeffiziente und CO2-arme Bauweise rechnen.
Nachhaltigkeitsfaktoren auch bei Transaktionen wichtiger
Auch im Kapitalmarkt gewinnt der Faktor Nachhaltigkeit an Bedeutung, da Fondsanbieter seit März 2021 in ihren Produkten auch CO2-Emissionen und andere Umweltfaktoren transparent darlegen müssen. Die neue Offenlegungsverordnung (2019/2088) der EU soll Geldströme in Richtung Nachhaltigkeit lenken, also CO2-schonende Investitionen fördern. Bei Transaktionen wird im Rahmen der „Due Diligence“, also der eingehenden Prüfung des Objekts hinsichtlich wertsteigernder beziehungsweise wertmindernder Faktoren vor dem Ankauf, verstärkt auch die Klimabilanz der Immobilie überprüft. Hier spricht man von einer „Carbon Due Diligence“. Dabei werden, ähnlich wie bei einem Energieaudit, gebäudebezogene und nutzerbezogene Energieverbräuche detailliert ermittelt und anschließend mit Vergleichsobjekten sowie Zielwerten abgeglichen. Bestenfalls sind auch konkrete Empfehlungen zur Optimierung der Energieeffizienz und CO2-Bilanz Teil der Carbon Due Diligence. Als Maßstab dient die ISO-Norm 16745 „Nachhaltigkeit von Gebäuden und Ingenieurbauwerken“.
Für Investoren, Bauherren und Betreiber gibt es viele gute Gründe, Energieeffizienz und CO2-Emissionen beim Wohnungsbau stärker zu berücksichtigen. Für die Zukunft zeichnen sich bereits strengere Bauvorgaben und höhere Besteuerungen ab. Eine Immobilie, die schon jetzt auf zukünftige Anforderungen ausgerichtet ist, ist in jedem Fall ein gutes Investment, das sich rentieren wird.
Bei Großprojekten kommen bereits vermehrt Lifecycle-Analysen zum Einsatz.
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Jörg Müller
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