Selbst alltägliche Tätigkeiten werden im Alter zur Herausforderung. Menschen werden vergesslich, unsicher und wünschen sich dennoch ein eigenständiges Leben. Technische Assistenzsysteme können helfen Abläufe besser zu steuern, Arbeiten zu erleichtern und mehr Sicherheit zu bieten. Angehörige können oft aus der Ferne unterstützend eingreifen oder sich via Handy vom Wohlergehen der Großeltern überzeugen. Vieles ist möglich, doch nicht immer sind die komplexen Techniken einfach zu bedienen. Ältere Menschen fühlen sich hier schnell überfordert. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Franziska Giffey, erklärte anlässlich der Bundespressekonferenz am 12. August 2020: „Entscheidend, ist, dass wir die digitalen Angebote stärker an den Bedürfnissen ausrichten und ältere Menschen dabei unterstützen, mit der Entwicklung Schritt zu halten.“
Viele der alltagsunterstützenden Assistenzsysteme basieren auf intelligenter Smart-Home-Technik, die zunächst für Jedermann gedacht waren, um das Leben bequemer und unterhaltsamer zu gestalten. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD entwickelte diese Technologie weiter zum „Ambient Assisted Living (AAL) System“, das sich an den Bedürfnissen von älteren und körperlich eingeschränkten Personen orientiert. Hier definiert man die neue Technik wie folgt: „Ambient Assisted Living (AAL) steht für intelligente Umgebungen, die sich selbstständig, proaktiv und situationsspezifisch den Bedürfnissen und Zielen des Benutzers anpassen, um ihn im täglichen Leben zu unterstützen.“ Florian Kirchbuchner, zuständig für Smart Living & Biometric Technologies am Fraunhofer IGD in Darmstadt, teilt die Anwendungen grob in folgende Bereiche ein: Sicherheit, Komfort, Gesundheit und Teilhabe am Sozialen Leben (Soziale Netzwerke, FaceTime, Skype etc).
Assistenzsysteme verbessern Sicherheit, Komfort, Gesundheit und Kommunikation
Da ist zum Beispiel die „clevere“ Heizung, die „mitdenkt und sich an der Wettervorhersage orientiert, ein optimales Raumklima schafft und gleichzeitig den Energieverbrauch reduziert. Dank Smart Home werden die Jalousien entsprechend der Tageszeit gesteuert. Das alles kann man unter Komfort verbuchen. Für ältere Menschen zählt jedoch vor allem die Sicherheit. So schalten sich der Herd oder das Bügeleisen immer genau dann ab, wenn das System erkennt, das sich aktuell keine Person in der Küche aufhält. Zur Sicherheit gehören auch beleuchtete Sockelleisten, die nachts automatisch den Weg ins Bad ausleuchten, sowie vernetzte Rauchwarnmelder und die Fernüberwachung sowie smarte Notfallsysteme. Hierfür trägt die Person ein Sendegerät, das per Knopfdruck einen Alarm in der zuständigen Zentrale oder bei Angehörigen auslöst. Sinnvoll ist zudem eine elektrische Zutrittskontrolle mit Fingerabdruck und einem digitalen Türspion, die sich an üblichen Türen nachrüsten lässt. Der Zutritt kann zur Legitimation von Angehörigen, Pflegekräften oder Nachbarn frei programmiert werden. Der Bewohner kann zudem über ein Tablet oder seniorengerechtes Handy die Tür selbst vom Bett aus öffnen. Eine Videoübertragung zeigt ihm den Besucher.
Eine weitere sichere Anwendung im Alter sind Fitnessarmbänder zur Aufzeichnung und Kontrolle von Vitalfunktionen, die von Angehörigen und Pflegekräften aus der Ferne gelesen werden. Empfohlen werden zudem festinstallierte Sturzerkennungssysteme, die automatisch Hilfe herbeirufen. Hier erkennen Sensoren, die unter dem Teppich oder dem Parkett installiert werden, wenn eine Person stürzt.
Assistenzsysteme sollten altersgerecht und sicher sein
Doch ist nicht alles, was angeboten wird, tatsächlich sinnvoll. Viele technische Neuheiten sind für ältere Menschen wenig geeignet. Für Senioren werden daher zum Beispiel seniorengerechte Handys mit besonders großer Tastatur angeboten. Nur wenn die Einschränkungen älterer Menschen ausreichend berücksichtigt werden, wird die Technik zur Erleichterung, ansonsten können gut gemeinte Hilfsmittel schnell zu einem weiteren Stressfaktor werden.
Eine Alternative sind Stimmerkennungssysteme, wie sie beispielsweise von Amazon, Google und Apple angeboten werden. Mit ihrer Hilfe lassen sich Smart-Home-Funktionen über die Sprache aktivieren und steuern. Doch muss man sich bewusst sein, dass Anbieter immer auch Daten und Gewohnheiten speichern und diese Informationen kommerziell verwerten.
Alexander Matheus vom VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut in Offenbach erklärt hierzu: „Die Informationssicherheit ist bei vielen Systemen unterschiedlich ausgeprägt, da es noch keine einheitlichen Anforderungen an Smart Home Systeme gibt. Der Kunde muss dem Hersteller vertrauen, dass die persönlichen Daten und Systeme geschützt sind. Für den Benutzter sind dann die Prüfsiegel hilfreich.“ Matheus weiter: „Speziell bei den Sprachassistenten muss man sich im Klaren sein, dass diese nur mit einer Internet-Verbindung funktionieren und alle Sprachkommandos zur Analyse in das jeweilige Rechenzentrum gesendet werden und man persönliche Daten preisgibt. Die Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) ist hier entscheidend.“ Matheus vom VDE betont: „Eine Wartung der Geräte (Batteriewechsel, Einspielen von Updates) ist wichtig und muss bei der Anschaffung berücksichtigt werden.“
Da viele Smart Home Systeme ihre Nachrichten entweder komplett über Funk übermitteln oder Funklösungen in kabelgebundene Systeme integriert werden können, ist eine Nachrüstung oft einfach. Zur Auswahl gibt es bereits sehr viele Funksysteme auf dem Markt. Es besteht sogar die Möglichkeit, die Stromleitung zu nutzen, um die Schaltbefehle zu den einzelnen Geräten zu übertragen. Bei diesem sogenannten „Powerline“-Verfahren werden die Datenpakete aufmoduliert oder eingekoppelt und so im Haus verteilt. Eines der gängigen und stabilen Übertragungswege ist der KNX-Bus. Doch können die Installation und Änderungen und die Konfiguration nur durch Fachleute erfolgen. Auch ist ein KNX-System hochpreisiger als etwa ein funkbasiertes Nachrüstsystem. Hinzufügen muss man: Günstig ist die Installation von Assistenzsystemen übrigens nie. Das bringt uns zum Thema „Finanzierung“. Die gute Nachricht: Viele Anwendungen werden mit Zuschüssen und günstigen Krediten unterstützt. Welche Anforderungen exakt gestellt werden, darüber gibt u. a. die DIN 18040 (Teil 2) Auskunft.
Förderprogramme schaffen finanzielle Sicherheit
Konkrete Hilfe bietet auch das Projekt „Der Digitale Engel“ (siehe Infobox), das praxisnah, persönlich und vor Ort vermittelt, wie die täglichen Abläufe und Gewohnheiten durch digitale Anwendungen erleichtert werden können. Eine wichtige Adresse ist die KfW. (Kreditanstalt für Wiederaufbau). Das entsprechende Förderprogramm 455b stellt unabhängig vom Alter bei positiver Bewilligung aktuell 6.250 Euro als reinen Zuschuss zur Verfügung. Darüber hinaus bietet die KfW in dem Programm „Altersgerecht Umbauen“ einen zinsgünstigen Kredit bis 50.000 Euro (Altersgerecht Umbauen Kredit – 159) an. Wörtlich heißt es: „Wir fördern Modernisierungsmaßnahmen für Wohneigentum, mit denen Sie Barrieren reduzieren und Ihren Wohnkomfort erhöhen.“ Nach eigenen Angaben der KfW gehören hierzu u. a. Bedienungs- und Antriebssysteme für Türen, Rollläden, Fenster, Türkommunikation, Beleuchtung, Heizung- und Klimatechnik sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Orientierung und Kommunikation. Weiter Einzelheiten finden sich im Internet. Die Kredite werden – wie bei der KfW üblich – über die Hausbank vergeben. Der Kunde schließt mit seiner Hausbank den Kreditvertrag auf Basis der Produktbedingungen ab. Die Kreditvergabe erfolgt entsprechend banküblicher Standards. Zuschüsse werden direkt bei der KfW online über das Zuschussportal beantragt. Wichtig ist auch, die Fördermittel immer vor Projektbeginn zu beantragen (Adresse siehe Infobox). Für Vermieter kann es in jedem Fall sinnvoll sein, sich hier vorzeitig zu informieren. Durch den demografischen Wandel wächst die Zahl älteren Menschen stetig, was für den Mietmarkt neues Potenzial bietet.

Auch der Herd kann mit dem Assistenzsystem kontrolliert werden. Die clevere Technik erkennt, wenn die Person die Küche verlässt und schaltet Geräte nach einer bestimmten Zeit aus. Zudem können diese über das Handy von Angehörigen ferngesteuert werden. Bild: Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD

Alexander Matheus vom VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut: „Beim Schutz persönlicher Daten muss der Kunde den Herstellern von Smart Home Systemen vertrauen." Bild: VDE
Weitere Informationen
Robert Schütz


Anhang | Größe |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 647.93 KB |
◂ Heft-Navigation ▸