Wenn ein Netzbetreiber dreimal an die Tür klopft

Glasfaser: dulden oder mitgestalten?

Hauseigentümer sind gesetzlich zur Duldung verpflichtet, wenn der Glasfaseranschluss kommt. Dennoch gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, die Sie kennen und nutzen sollten – bis hin zum kostenlosen FTTH-Vollausbau.

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Die Glasfasern sind selbst mit Kunststoffummantelung so fein, dass sie sich ganz unauffällig im und am Gebäude verlegen lassen. Bild: Telekom
Die Glasfasern sind selbst mit Kunststoffummantelung so fein, dass sie sich ganz unauffällig im und am Gebäude verlegen lassen. Bild: Telekom

Zeitenwende herrscht auch in der Medienversorgung: mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) hatte bereits die Merkel-Regierung die Ablösung des Telefon- und Kabelanschlusses aus Kupfer durch Glasfaser eingeläutet. Unter Olaf Scholz hat die Koalition nochmals präzisiert: Ziel ist der Glasfaseranschluss bis in die Wohnung, FTTH (Fibre to the Home). Es genügt nicht, in Kabelnetze streckenweise Glasfasern einzuflechten; der pure Lichtleiter muss ununterbrochen bis in die Wohnung reichen.

Diese Festlegung machte Kabelnetzbetreibern ein Strich durch die Rechnung, die gegenüber der Wohnungswirtschaft mit Begriffen wie „Giganetz“ oder „Kabel-Glasfaser“ argumentierten, ein FTTH-Anschluss sei überflüssig. Das Argument, das sich Kabelnetze auf Gigabit-Tempo beschleunigen lassen, überzeugte die Politik nicht: die Bandbreite fällt im Kabel stark ab, wenn viele Nutzer gleichzeitig surfen und streamen. In FTTH-Netzen ist dagegen bei Gigabit und selbst bei Terabit noch lange nicht Schluss, physikalisch ist ihre Kapazität nahezu unbegrenzt. Das Kabelfernsehnetze obendrein Stromfresser sind – sie müssen elektrisch verstärkt werden und verbrauchen sechsmal mehr als Glasfaser – kommt erschwerend hinzu.

In Ungnade fiel der Kabelanschluss jedoch vor allem durch die Tatsache, dass er alle Hausbewohner auf einen einzigen Programm-Anbieter festlegt. Dies verstößt gegen EU-Verbraucherschutzgesetze, deshalb muss die Nebenkostenumlage von Kabelgebühren bis spätestens zum 30. Juni 2024 beendet werden. Die neue Wahlfreiheit beim TV-Empfang entspricht dem Verbrauchertrend: Seit das Fernsehen auch aus dem Internet kommt, Streaming-Plattformen wie Netflix oder MagentaTV auf dem Vormarsch sind und selbst ARD und ZDF ihre Mediatheken in den Mittelpunkt ihrer Strategien stellen, wird das klassische Kabelfernsehen zum Auslaufmodell. Allein Vodafone verlor im letzten Jahr 300.000 TV-Kunden.

Die politische und gesetzliche Klarstellung löste einen regelrechten Glasfaser-Boom aus: Internationale Finanzinvestoren, Energieversorger, kommunale Unternehmen und selbst regionale Elektroinstallateure (Antennen- und Kabelanlagenbauer) wittern Chancen auf gute Geschäfte; die Vielzahl der Anbieter mit klangvollen Namen wie „Eurofiber“, „Hello Fiber“ oder, ganz politisch-korrekt, „Unsere grüne Glasfaser“ ist inzwischen unüberschaubar. Überwiegend konzentrieren sich diese Anbieter auf den ländlichen Raum, wo wenig Wettbewerb und staatliche Fördermittel locken.

Das Geschäftsmodell von Finanzinvestoren ist nicht darauf ausgelegt, die Netze auf alle Ewigkeit zu behalten und Endkunden selbst mit zuverlässig verfügbaren TK-Diensten zu versorgen: das kennt die Wohnungswirtschaft bereits aus dem Kabelmarkt, wo die Netze nach einigen Jahren mit hohen Gewinnen an den nächsten Investor weiterverkauft wurden. In den Ballungsräumen zielen Elektroinstallationfirmen und Energieversorger oft darauf, die Hausverteilnetze aus Glasfaser neu zu bauen und anschließend an die großen Inhalte-Anbieter zu vermieten. Das Konzept, dass sich ein Hausnetzbetreiber als „Zwischenwirt“ zwischen den Mieter und den Telekommunikationsanbieter schiebt, ist der Wohnungswirtschaft ebenfalls aus dem Kabelfernsehen bekannt: es führt nicht selten zu Zuständigkeits-Hickhack bei Störungen. Aktuell sorgen vor allem die Durchleitungsentgelte für Ärger, weil sie mitunter selbst großen TK-Anbietern zu hoch sind. Dann hat der Hausbesitzer zwar ein Glasfasernetz, der Mieter kommt dann jedoch nicht an die Angebote von Telekom, 1&1 und anderen beliebten Anbietern heran.

Telekom will bis 2030 alle Wohnungen an die Glasfaser anschließen

Die unübersichtliche Lage gibt der Telekom die Gelegenheit, sich gegenüber der Wohnungswirtschaft als seriöse und beständige Alternative zu präsentieren: Sie ist als einziger Anbieter bundesweit in Stadt und Land aktiv, spekuliert nicht auf den Verkauf ihrer Netze, betreibt ihre Glasfaser von A bis Z bis zum Nutzer – und bringt obendrein ihre Konkurrenz gleich mit: Wer einen Glasfaseranschluss von der Telekom in der Wohnung hat, wird nicht gezwungen, Telekom-Dienste zu nutzen, sondern kann ebenso gut auch von Angebote Vodafone, O2 oder 1&1 buchen. Damit hat der Nutzer die Wahl unter den vier führenden „Markenartiklern“, die allesamt professionelle TV-Angebote, Kundenservice und die kostengünstige Bündelung von Internet, TV, Telefon mit Mobilfunk bieten.

Ziel der Telekom ist, bis 2030 sämtliche Wohnungen und Geschäftsräume Deutschlands mit einem Glasfaseranschluss auszurüsten. Dafür investiert sie mehr als alle anderen Glasfaser-Anbieter zusammen: 30 Milliarden Euro. Diese gigantische Summe und die deutschlandweite Präsenz macht es sehr wahrscheinlich, dass Immobilieneigentümer und -Verwalter mit der Telekom oder einem regionalen Partner (etwa „Glasfaser Plus“ oder „Glasfaser Nordwest“) über den Glasfaseranschluss sprechen. Was gilt es dabei zu beachten?

Wichtig zu wissen

Der Glasfaseranschluss vollzieht sich in zwei Phasen: Erst werden die Liegenschaften im Ausbaugebiet erschlossen und ein Hausanschlusspunkt gesetzt. In der zweiten Phase werden die Wohnungen damit verbunden. Jede Phase folgt unterschiedlichen Spielregeln und bietet unterschiedliche Gestaltungsspielräume, die man kennen sollte. In der ersten Phase geht es dem Betreiber darum, ganze Straßenzüge effizient und zügig zu erschließen. Der Hauseigentümer wird wenige Wochen vor dem Anschlusstermin angeschrieben und gebeten, einen sogenannten „Herstellungsauftrag“ zu unterschreiben. Dazu ist der Netzbetreiber eigentlich nicht verpflichtet. Vielmehr ist der Hauseigentümer sind nach §134 gesetzlich verpflichtet, den Anschluss der Liegenschaft an ein „öffentliches Telekommunikationsnetz“ zu dulden. Dennoch sollte man den Auftrag nicht nur ausfüllen, sondern unbedingt das Angebot zu einer gemeinsamen Begehung des Gebäudes nutzen: Nur so können störungsarme Bauverfahren und der optimale Installationsort für den Hausanschluss vor Ort vereinbart werden. Tipp: man sollte sich nicht darauf blind verlassen, dass das Adressverzeichnis des Betreibers aktuell ist. Besser ist es, selbst aktiv den Kontakt aufzunehmen und dabei bereits die Möglichkeiten eines FTTH-Vollausbaus auszuloten. Denn in der Regel wartet der Betreiber nach der Installation des Hausanschlusses ab, ob ein Nutzer einen Dienst bestellt. Dann hat er nach § 145 Abs. 1 TKG das Recht, eine Glasfaserleitung in diese eine Wohnung zu verlegen. Dieser nachfragegetriebene Ausbau ist kostenlos und rechtlich einwandfrei, aber nervig und daher in der Immobilienwirtschaft nicht gern gesehen, denn es bedeutet, dass der Techniker immer wieder ins Haus kommt.

Die Alternative ist der FTTH-Vollausbau: Dabei erhalten alle Wohnungen auf einen Schlag einen Anschluss zur freiwilligen Nutzung. Bei einem Vollausbau lässt sich eine diskrete Leitungsführung planen und nach zwei, drei Tagen Bauzeit herrscht für Jahrzehnte Ruhe im Haus.

Viele Netzanbieter lassen sich den Vollausbau bezahlen und locken mit der Umlagefähigkeit der Baukosten (60 Euro/Jahr bis zu fünf Jahre) oder der Möglichkeit, die Miete um acht Prozent der Nettokaltmiete zu erhöhen (Modernisierungsumlage). Nicht jeder Vermieter möchte das angesichts explodierender Energiekosten seinen Mietern antun.

Der größte Haken ist jedoch, dass es den Hauseigentümer zum Netzeigentümer macht: Das ist weit weniger attraktiv, als es klingt, denn er wird so gegenüber der Bundesnetzagentur dokumentationspflichtig und muss auch eine Entstörung innerhalb bestimmter Zeitfenster nachweisen können. Unterm Strich bedeutet das mehr Bürokratie ohne Mehrwert für Mieter und Vermieter. Die einfachste Lösung ist, das Netzeigentum, Netzbetrieb und Entstörung in einer Hand zu belassen – am besten bei einem Betreiber, der beweisen kann, dass er sich damit auskennt und den Mietern ein lückenloses Programm an Diensten konkurrierender Anbieter machen kann.

Glasfaseranschluss in der WEG

Für den Hausanschluss muss kein Beschluss eingeholt werden, da er in der Regel kostenlos ist und der Verwalter damit nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG keine „erhebliche Verpflichtung“ eingeht. Standard-Verwalterverträge sehen in der Regel Handlungsfreiheit bei fristgebundenen Infrastrukturaufgaben vor. Für den Wohnungsanschluss sollte der Verwalter optimalerweise Vorratsbeschlüsse fassen lassen: Einzelanschluss nach Bestellung des Nutzers oder FTTH-Vollausbau?

Verwalter, die mehrere Objekte im Ausbaugebiet verwalten, haben bei der Telekom gute Chancen, einen kostenlosen Vollausbau auszuhandeln.

Stefan Susbauer

Stefan Susbauer
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