Nach dem Ende des Sammelinkassos für Kabel-TV

Keine schwarzen Bildschirme in Mieterhaushalten

Wer gedacht hat, dass mit dem Wegfall der Umlagefähigkeit der Kabel-TV Entgelte am 30. Juni 2024 das Thema Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG) erledigt sei, wird aktuell eines Besseren belehrt.

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Mit dem Ende des Sammel­inkassos für 
TV-Gebühren könnten Millionen Bildschirme plötzlich schwarz werden: 
Dieses Szenario hat sich bislang nicht eingestellt, obwohl viele Verbraucher noch keinen individuellen Vertrag mit einem Netzbetreiber abgeschlossen ­haben. Bild: stock.adobe.com / Andrey Popov
Mit dem Ende des Sammel­inkassos für 
TV-Gebühren könnten Millionen Bildschirme plötzlich schwarz werden: 
Dieses Szenario hat sich bislang nicht eingestellt, obwohl viele Verbraucher noch keinen individuellen Vertrag mit einem Netzbetreiber abgeschlossen ­haben. Bild: stock.adobe.com / Andrey Popov

Die Beendigung der sogenannten Sammelverträge und der Umstieg auf individuelle Einzelverträge für die Kabel-TV-Nutzer sind derzeit in der praktischen Umsetzung. Und der durch die TKG-Novelle ausgelöste Hype in Sachen Glasfaserausbau nimmt weiter Fahrt auf und stellt die Immobilienunternehmen vor neue Herausforderungen. Tatsächlich gestalten sich die Themen insgesamt doch etwas komplizierter als angenommen.

Es ist noch etwas zu früh, um alle Marktreaktionen zu beurteilen. Aber welche Unkenrufe wurden im Vorfeld doch laut, dass die Umsetzung der TKG-Novelle zu schwarzen Bildschirmen, einer Kostenexplosion für die Teilnehmer und zu einem dramatischen Kundenrückgang führen würde. Der Druck auf die Immobilienwirtschaft und Netzbetreiber war und ist gewaltig.

Das Gros der Mieter hält an der Kabel-TV-Versorgung fest

Zu erwarten war, dass ein Teil der bisherigen Kabel-TV-Haushalte sicherlich die Gelegenheit nutzen würde, um neue Versorgungswege über IPTV (TV-Empfang über Internet) und vielleicht auch DVB-T (terrestrischer TV-Empfang) anzutesten oder sogar ganz auf ein festes TV-Abonnement zu verzichten.

Der größte Teil der Mieter wird aber nach wie vor sein TV-Programm bequem über den bisherigen Übertragungsweg empfangen wollen und keinen individuellen Vertrag mit einem Kabelnetzbetreiber abschließen.

Internet-TV erfordert Breitbandanschluss

Die teilweise von der Werbung suggerierten Szenarien sind bisher nicht eingetreten, auch wenn mit provakanten Aussagen und günstigen Konditionen versucht wurde, die Kabel-TV-Kunden zum Wechsel zu IPTV zu veranlassen. Allerdings wurde hier versäumt, darauf hinzuweisen, dass für den Empfang der angepriesenen IPTV Programme auch ein entsprechender Internet-Zugang mit ausreichender Bandbreite zur Verfügung stehen muss. Ein Punkt, der insbesondere bei älteren Mietern auf Unverständnis stößt und zu einem erheblichen Beschwerdeaufkommen bei den Anbietern gesorgt hat.

Die Netzbetreiber haben sich zum Teil schwergetan, den Umstieg von Sammelverträgen hin zu individuellen Kundenverträgen rechtzeitig vorzubereiten und umzusetzen. Auch dort, wo Immobilienunternehmen frühzeitig reagiert haben, hat nicht alles reibungslos funktioniert. Schon die Größenordnung an umzustellenden Wohneinheiten erfordert eine gewisse Demut – rund zehn Millionen Haushalte sollten in ein Einzelinkasso überführt werden und die entsprechenden vertraglichen Regelungen im Vorfeld ausgehandelt, schriftlich fixiert und die Mieter über den bevorstehenden Wechsel umfassend informiert werden. Hat doch der Gesetzgeber mit der Möglichkeit der Sonderkündigung (§ 230 TKG) zumindest in diesem Fall eine Schutzfunktion für Immobilienunternehmen vorgesehen und somit ermöglicht, von den bisherigen „Dienstleistungsaufträgen“ zu reinen „Konzessionsverträgen“ (Gestattungen) zu wechseln. Dabei wurde häufig festgestellt, dass zwar eine Sonderkündigung möglich war, dass das Netzeigentum der Hausverteilanlage trotzdem weiterhin beim Betreiber liegt. Eine Gemengelage, die einen Wechsel des Anbieters erschwert und einen Neubau einer Hausverteilanlage in dieser Zeitspanne kaum realisierbar macht. Damit ist eine einvernehmliche Regelung, unter anderem mit der Unterstützung von Beratungsunternehmen vonnöten, wie man weiterhin mit angepassten Vertragsbedingungen zusammenarbeiten kann. In der Regel wurden faire Verträge mit akzeptablen Endkundenpreisen angeboten und dann vereinbart.

Unternehmen mit eigenen Koax-Netzen haben starke Verhandlungsposition

Immobilienunternehmen, die Eigentümer einer koaxialen Infrastruktur sind, konnten das Momentum durch gezielte Angebotsabfragen oder Ausschreibungen optimal nutzen. Der Wettbewerb der Kabelnetzbetreiber untereinander führte zu ausgezeichneten Angeboten, sodass das Preisgefüge für Endteilnehmer häufig unter dem der bisherigen Sammelvertragskonditionen lag, abgesehen davon, dass gleichzeitig auch der Neubau einer Glasfaser-Infrastruktur bis in jede Wohnung (FTTH) verhandelt werden konnte.

Mit diesen Verträgen wurde konkret auf die gestiegene Nachfrage nach Glasfaser reagiert, die insbesondere durch massive Vertriebsmaßnahmen einzelner Anbieter geschürt wurde. Es steht außer Frage, dass die vorhandenen Brückentechnologien Kupfer-Doppelader (altes Telefonnetz) und die koaxiale Infrastruktur (Kabelnetz) an ihre physikalischen und wirtschaftlichen Grenzen stoßen werden, aber es ist unbedingt sinnvoll, den Prozess eines weiteren Netzausbaus als Migrationsszenario selbstbestimmt zu planen und umzusetzen. Die TKG-Novelle hat zwar den rechtlichen Rahmen definiert, der den freien Zugang eines Glasfaseranbieters zu einem Gebäude ermöglicht (§ 134 TKG), aber der Ausbau mit Glasfaser bis in jede Wohnung sollte die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort umfassend berücksichtigen. Kompetente Beratung hilft im Dschungel von Vertragsbedingungen, den richtigen Pfad zu finden.

Bislang keine größere „Abklemmaktion“ von Netzbetreibern

Aber erst einmal muss der Wechsel von Sammel- zu Einzelinkasso vollzogen werden. Fakt ist, dass bisher nicht alle Haushalte umgestellt werden konnten. Große Kabelnetzbetreiber haben in diesen Fällen bei Neuverträgen zugesichert, dass der Vertragsbeginn für Gestattungen zwar bis zum 1. Januar 2025 verschoben werden kann, ohne dass dem Vermieter oder den Mietern Kosten entstehen, aber die Verunsicherung bei Mietern bleibt, dass gegebenfalls doch der Bildschirm schwarz wird.

Tatsächlich ist abzuwarten, wie die angekündigten „Abklemmaktionen“ verlaufen werden – dann werden die Bildschirme wirklich schwarz werden, wobei es interessant bleibt, wie mit den vielen Nutzern von Internet-Leistungen umgegangen werden soll, insbesondere wenn Signallieferant und Netzbetreiber (Netzebene 4-Betreiber) nicht ein und dasselbe Unternehmen sind. Hier wird uns noch einige Überraschung erwarten, wenn eine Sperrung des Kabel-TV Signal erfolgt und der Empfang von Internet nicht mehr möglich sein wird.

Trotz aller durch die TKG-Novelle verursachten Probleme und Mehrarbeit bei vielen Immobilienunternehmen sollte aber auch klar sein, dass bei Millionen von Haushalten bereits vor dem 30. Juni 2024 die freie Wahl eines Kabel-TV Anschlusses gegeben war – hier darf nicht vernachlässigt werden, dass auch bei diesen Immobilienunternehmen die Verträge zur Medienversorgung auslaufen und bei einem Neuabschluss auch der zukünftige Glasfaserausbau berücksichtigt werden muss.

„Viele Mieter verspüren keinen Handlungsdruck“

Seit dem 30. Juni 2024 sind die Kabel-TV-Gebühren nicht mehr Teil der umlagefähigen Betriebskosten. Die damit erforderliche millionenfache Umstellung auf individuelle, private Versorgungsverträge verläuft offenbar schleppend, aber auch geräuschlos und ohne Brüche im Telekommunikationsmarkt. Auf Anfrage der IVV-Redaktion erklärt Claus Wedemeier, Referatsleiter Digitalisierung beim GdW: „Nach unserer Einschätzung werden die tatsächlichen Auswirkungen der Gesetzesänderung erst sichtbar, wenn Signalabschaltungen oder -sperren in relevanter Größenordnung erfolgt sind.“

Zwar hätten Wohnungsunternehmen mit dem Auslaufen der Betriebskostenumlage für den Breitband- bzw. TV-Anschluss ihre Verträge mit den Kabelnetzbetreibern im Regelfall auf Einzelinkassovereinbarungen zwischen Anbieter und Mieter umgestellt. Zahlen über die Akzeptanz von Einzelvereinbarungen bei Mietern lägen dem GdW jedoch nicht vor, so Claus Wedemeier. „Wie wir alle in den Medien lesen können, haben Kabelnetzbetreiber offensichtlich mit relevanten Kundeneinbußen zu kämpfen. Offensichtlich lassen sich viele Mieter mit dem Abschluss von Einzelverträgen aber auch noch Zeit, weil sie, sofern die Anbieter die Versorgung trotz fehlenden Vertrags noch aufrechterhalten, keinen hohen Handlungsdruck verspüren.“

(Red.)

Dietmar Schickel

Dietmar Schickel
DSC Consulting
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Artikel Keine schwarzen Bildschirme in Mieterhaushalten
Seite 32 bis 33
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