Energiemanagementsysteme in der Wohnungswirtschaft

Mehr must have als nice to have

Die Änderungen rechtlicher Regelungen wie des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und der Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) mit Beginn 2023 machen den Einsatz von Energiemanagementsystemen in der Wohnungswirtschaft zu einem Muss.

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Eine digital und smart eingebundene Heizung lässt sich gut visualisieren und steuern. Bild: Buderus
Eine digital und smart eingebundene Heizung lässt sich gut visualisieren und steuern. Bild: Buderus

Niemand muss hier Neuland betreten. Denn mehrere wissenschaftliche begleitete Projekte, insbesondere BaltBest, zeigen, wie diese Systeme effizient und gewinnbringend in der Wohnungswirtschaft eingesetzt werden können. Dabei wird es in Zukunft auch darum gehen, Immobilien nach den Kriterien von Environment, Social & Governance (ESG-gerecht) zu steuern. Die Vorteile, Verbrauchsdaten digital zu erfassen und Anlagen mittels Energiemanagementsystemen (EMS) zu steuern, sind klar zu benennen. Immobilien sparen auf diese Weise bis zu 30 Prozent Energie ein. Das ergaben mehrere Projekte und Messserien, bei denen vergleichbare Wohnimmobilien mit dem nicht ausgerüsteten Urzustand verglichen wurden. Solche Systeme sind sowohl außen- als auch innentemperaturgeleitet und ermitteln den Wärmebedarf anhand der Belegung in den Räumen.

Heizungsaltanlagen im Bestand

BaltBest, das für „Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsaltanlagen im Bestand“ steht, war eines dieser Projekte, das von 2018 bis 2021 lief. Sieben große Wohnungsunternehmen mit 100 Mehrfamilienhäusern, der Branchenverband GdW sowie Heizungs- und Energieunternehmen nahmen daran teil. Es war der bis dato größte Feldtest zur Frage, wie mithilfe von EMS in der Wohnungswirtschaft eine höhere Effizienz zu erzielen sei. Die Projekte Alfa und Beta, von Mitgliedsverbänden des GdW initiiert, liefen von 2012-2014 bzw. 2016-2020, hatten jedoch einen deutlich geringeren Umfang.

>> Interview mit BaltBest-Experte Prof. Dr.-Ing. Grinewitschus: „Energieeffiziente Betriebsführung kostet fast nichts“ (BaltBest steht für "Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsanlagen im Bestand".)

Die Wohnobjekte wurden mit einer Funk-Messinfrastruktur, die über 5.800 Sensoren des Energiedienstleisters Techem enthielt, ausgestattet. Eindeutiges und auch erwartetes Ergebnis: Wohnungswirtschaftliche Prozesse rund um die Gebäudebeheizung lassen sich deutlich optimieren. Dazu sind kontinuierliches Monitoring und digitale Anlagensteuerung nötig. Auch das veränderte Verhalten der Bewohner trägt zur besseren Energieeffizienz bei.

Basierend auf den Ergebnissen wurden von den BaltBest-Initiatoren drei Maßnahmen empfohlen:

  • Korrekte Einstellung der witterungsgeführten Vorlauftemperatur, mit der die Rücklauftemperatur abgesenkt werden kann;
  • Reduzierung der Raumtemperaturen bei Abwesenheit der Bewohner;
  • bestimmungsgemäße Installation und Nutzung von Smart-Home-Systemen (siehe auch Interview „Energieeffiziente Betriebsführung kostet fast nichts“).

Smart-Home-Standards für Einbindung nutzen

Die technische Einbindung erfolgte bisher häufig über vorhandene Haustechnik-Kommunikationssysteme, so KNX oder verschiedene Bus-Systeme. Im Zuge der „Smarthomisierung“ und vor allem des Smart-Meter-Rollout können auch netzbasierte Kommunikationslösungen wie EnOcean, ZigBee oder Z-Wave oder das seit Herbst 2022 in Deutschland verfügbare Matter (auf das sich Apple und Google geeinigt haben und das für alle anderen Standards offen ist) genutzt werden.

Verwalter können aus dieser geordneten Datenflut neue Geschäftsmodelle entwickeln. Dazu gehören Abrechnungsdienstleistungen, die zu einem besseren Nutzerservice führen. So kann beispielsweise Energie dann bezogen werden, wenn sie günstig ist (etwa nachts als Speicherstrom) und zur Verfügung gestellt werden, wenn in der Immobilie die höchsten Lasten anfallen und der Energiebezug meist am teuersten ist.

Bei der Wärme sind Modelle vorstellbar, die Liefergarantien enthalten, aber auch Einsparungsziele, die letztlich dem Nutzer und Mieter zugutekommen. Beschleunigt wird dieser Prozess ohnehin durch die EU-Energieeffizienz-Richtlinie (EED). Gebäudeeigentümer oder Verwaltungen müssen demnach schon jetzt ihren gewerblichen Mietern und Nutzern Verbrauchsinformationen unterjährig zur Verfügung stellen. Neben diesen eher finanziellen Aspekten wird auch der Komfort in digital gesteuerten Gebäuden steigen. Das wiederum erspart dem Personal Zeit für Kontrollen.

Befördert wird dieser Prozess derzeit von zwei Faktoren. Zum einen ist das der Smart-Meter-Rollout: Da, wo Gateways installiert werden, also übergeordnete Datensammler, könnten diese auch für das Erfassen von Wärmedaten verwendet werden. Technisch sind sie dafür geeignet. Allerdings hat hier der Messstellenbetreiber zuerst Zugriff. Zudem zielt die Gesetzgebung von EU und Bund konsequent auf höhere Energieeffizienz ab. Damit ist die Einführung von EMS unerlässlich.

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ESG bereits heute mitdenken

Energiemanagementsysteme bekommen in Hinblick auf die zukünftige Wohnbauförderung eine ganz neue Bedeutung. Die EU-Taxonomie und die EU-ESG-Verordnung (für Environment, Social und Governance) sehen schon heute vor, dass beim Bau neuer Gebäude der Primärenergiebedarf 20 Prozent und bei Sanierungen 30 Prozent unter dem heutigen Niveau liegen muss. Schon ab 2023 wird die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) umgestellt auf nachhaltige Bauweise und nachhaltigen Betrieb von Immobilien. Letzteres ist nur mit EMS zu erreichen, die auch überwachen, ob eine Immobilie nachhaltig, mit geringer CO2-Bilanz und demnach optimiertem Energieverbrauch betrieben wird.

Lösungen dafür gibt es bisher kaum am Markt. Eine Möglichkeit bietet das Münchener Unternehmen Alasco. Deren Software verbindet die Finanzdaten der Immobilie sowie der allgemeinen Marktentwicklung mit ESG-Kriterien. In Echtzeit lässt sich so ablesen, welche Maßnahmen, etwa zur Energieeinsparung oder zur eigenen Erzeugung erneuerbarer Energie, einen positiven Effekt haben, aber eben auch, wo Risiken im Betrieb der Immobilie bestehen.

Die Software gibt dem Verwalter auch Empfehlungen, wie ESG-Konformität zu erreichen wäre. Daraus lassen sich Investitionen für die Zukunft ableiten. „Es wird dann darum gehen, wie viel ein Quadratmeter PV-Fläche kostet und nicht wie viel ein Quadratmeter Tiefgarage oder Innenausbau“, erklärt Alasco-Gründer Benjamin Günther. Als Grundlage dient ein digitaler Zwilling, ähnlich wie er auch in der Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) zum Einsatz kommt.

Aktoren und Sensoren

Sensoren und Aktoren sind in jedem EMS unabdingbar. Technisch gibt es unterschiedliche Lösungen, für die Zulassung gelten in Deutschland mehrere Verfahren, so ATEX, das ECE-Prüfzeichen E1 oder als Teil der Elektroinstallation Normen wie der DIN EN 60669. Eingebunden werden ihre digitalen Signale über Synchron-Serielle Schnittstellen (SSI) oder Bus-Schnittstellen sowie in vorhandene TGA wie KNX.

Frank Urbansky

Frank Urbansky
Journalist, Fachautor und Berater
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Artikel Mehr must have als nice to have
Seite 30 bis 32
25.2.2022
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