Umfrage bei großen Wohnungsunternehmen

Mietausfälle sind vorerst überschaubar

Bis zu 20 Prozent der Wohnungsmieten könnten als Folge der Corona-Krise ausfallen, befürchten wohnungswirtschaftliche Verbände. Doch vorläufige Angaben von Wohnungsunternehmen lassen vermuten, dass es für die Vermieter nicht ganz so schlimm kommen dürfte.
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 Bild: studio v-zwoelf/stock.adobe.com
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Es sind alarmierende Zahlen, die der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) Ende März vorlegte. „Wir gehen derzeit davon aus, dass kurzfristig rund 20 Prozent der Mieteinnahmen der sächsischen Wohnungsgenossenschaften gefährdet sind“, sagte damals VSWG-Vorstand Mirjam Luserke. Dadurch könnten sich die Mietausfälle auf monatlich knapp 20 Millionen Euro summieren. „Bis September 2020“, so die Rechnung Luserkes, „sind wir dann bei rund 120 Millionen Euro, die einfach fehlen.“

Mit ihren Befürchtungen stehen die sächsischen Genossen nicht alleine da. Auch Frank Emrich, Direktor des Verbandes Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw), rechnete Ende März damit, dass ein Fünftel der Mieter in Folge der Corona-Krise die Mietzahlung aussetzen und so Einnahmeausfälle von 120 Millionen Euro bewirken könnte. Auf noch dramatischere Zahlen kamen zu diesem Zeitpunkt die Leipziger Wohnungsgenossenschaften: Sie bezifferten die drohenden Ausfälle für den gesamten sächsischen Mietwohnungsmarkt auf eine halbe Milliarde Euro innerhalb von sechs Monaten und stellten fest: „Der Wegfall dieser Einnahmen gefährdet gerade kleinere Wohnungsunternehmen existenziell.“

Hintergrund der Berechnungen sind die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Krise im Allgemeinen und die Beschlüsse des Bundestags vom 25. März im Besonderen. Demnach sind Mieter, die zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 als Folge der Corona-Krise die Miete schuldig bleiben, vor Kündigung geschützt. Normalerweise berechtigt ein Mietrückstand von zwei Monaten den Vermieter zur fristlosen Kündigung. Erlassen wird die Mietzahlung jedoch nicht: Bis Mitte 2022 müssen die Mieter die ausstehende Summe an ihren Vermieter überweisen.

Noch zahlen die meisten Mieter

Wie also wirkt sich das neue Gesetz aus? Eine Anfrage bei großen Wohnungsunternehmen zeigt, dass die Auswirkungen zumindest bis Ostern überschaubar waren. „Unsere Auswertungen zeigen bislang, dass es noch keine außergewöhnlich hohe Anzahl an corona-bedingten Zahlungsausfällen gibt“, sagt beispielsweise Michael Ahrens, Leiter Unternehmenskommunikation bei der SAGA in Hamburg. Geradezu entspannt ist die Situation bei der GWG München. „Beim Mietensoll waren im Monat April keine signifikanten Abweichungen zu beobachten“, berichtet Christian Amlong, Sprecher der Geschäftsführung. „Es gab auch keine Ankündigungen seitens unserer Mieterinnen und Mieter, dass Mieten nicht bezahlt werden.“

Wie viele ihrer Kunden sich wegen Corona-bedingter Zahlungsschwierigkeiten gemeldet haben, können oder wollen die meisten anderen Unternehmen nicht sagen. Eine Ausnahme ist Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia: Bis Ostern hätten sich rund 3.300 Wohnungs- und Gewerbemieter und damit weniger als ein Prozent aller Kunden diesbezüglich an das Unternehmen gewandt, sagt Pressesprecher Marcel Kleifeld.

Transparenter als andere Unternehmen ist Vonovia auch bei der Frage, welche Mietausfälle insgesamt zu erwarten sind. Sie kalkuliert damit, dass innerhalb der nächsten drei Monate maximal 20.000 Haushalte die Miete nicht zahlen können. Da Vonovia in Deutschland rund 350.000 Wohnungen besitzt, entspricht dies einem Anteil von knapp sechs Prozent. „Für diesen Fall stellen wir 40 Millionen Euro bereit, gehen aber davon aus, dass es sich dabei lediglich um einen Aufschub der Mietzahlungen handelt, die später nachgezahlt werden“, betont der Unternehmenssprecher.

Auch andere börsennotierte Wohnungskonzerne geben sich relativ gelassen. Von einem „sehr überschaubaren Anteil“ von Mietern, die sich wegen einer Mietstundung gemeldet hätten, spricht Volker Wiegel, Operativer Vorstand der LEG Immobilien AG. Auch wenn die Zahl voraussichtlich noch zunehmen werde, so erwarte die LEG doch nur „leichte Einbußen beim operativen Mietwachstum“. Die LEG plant deshalb, die Dividende in der ursprünglich vorgesehenen Höhe auszuschütten.

Eine andere Politik verfolgt die Deutsche Wohnen: Sie reduziert die Dividende und lässt die so frei werdenden Mittel einem Corona-Hilfsfonds in Höhe von 30 Millionen Euro zukommen. „Private und gewerbliche Mieter, die durch die Corona-Krise in eine finanzielle Notlage geraten sind, können sich schon jetzt bei der Deutsche Wohnen melden“, teilte das Unternehmen Anfang April mit. Allerdings haben von diesem Angebot laut Pressesprecher Marko Rosteck bis Mitte Monat noch nicht viele Mieter Gebrauch gemacht. Genaueres könne man erst im Mai sagen.

Umfrage: Jeder Sechste hat Zahlungsschwierigkeiten

Die Deutsche Wohnen hat zudem die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey vorgelegt, wonach bundesweit 16,6 Prozent der Befragten befürchten, im Laufe der Corona-Pandemie ihre Miete nicht mehr zahlen zu können. Diese Zahl bewegt sich in einer ähnlichen Größenordnung wie die eingangs erwähnte Prognose des VSWG. „Die Schätzung in Höhe von 20 Prozent basiert u. a. auf den Schätzungen unserer Mitgliedsunternehmen vor Ort“, sagt VSWG-Vorstand Mirjam Luserke. „Zum Teil sind diese Werte schon durch konkrete Stundungsgesuche unterlegt.“ Genauere Angaben dazu konnte der VSWG bis Redaktionsschluss nicht machen. Laut Luserke werden die Auswirkungen aber ohnehin erst im Mai und Juni deutlicher werden, „wenn die Rücklagen aufgebraucht sind und die Pandemie weiterhin Einschnitte im beruflichen und privaten Leben erfordern wird“. Das könne, betont Luserke, gerade für kleinere Genossenschaften „eine existenzielle Liquditätslücke“ bedeuten.

Der VSWG bekräftigt deshalb die Forderung nach einem Sicher-Wohnen-Fonds, wie sie im März der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Deutsche Mieterbund vorgebracht haben. Demnach soll dieser vom Bund alimentierte Fonds einspringen, wenn Mieter wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie ihre Miete schuldig bleiben. „Nur so“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko, „kann die drohende fatale Kettenreaktion an ausbleibenden Zahlungen vermieden werden, von der unmittelbar Handwerker, Energieversorger und viele Beschäftigte in Wohnungsunternehmen betroffen wären.“

Allerdings teilen nicht alle Wohnungsunternehmen die Forderung nach einem solchen Fonds. „Wir erheben diese Forderung nicht“, sagt Carsten Klehn, Pressesprecher der Rostocker Wiro. „Die Wiro steht im Wettbewerb hervorragend da, verfügt über eine sehr gute Liquidität und hat eine ausgezeichnete Bonität.“ Auch Christian Amlong von der GWG München betont, dass er einen solchen Fonds für sein Unternehmen „für nicht erforderlich“ hält.

Vonovia hingegen unterstützt die Forderung nach einem staatlichen Fonds „unter anderem aus Solidarität gegenüber privaten Kleinvermietern“. Differenziert argumentiert Burkhard Pawils, Vorstandsvorsitzender der Altonaer Spar- und Bauverein eG (altoba). Die altoba benötigt nach seinen Worten zumindest derzeit keine finanzielle Unterstützung. „Es ist allerdings auch eine Frage des Standorts, wie stark ein Wohnungsunternehmen auf diesen Fonds angewiesen sein wird“, sagt Pawils. „Wohnungsgenossenschaften bzw. -unternehmen in strukturschwachen Lagen der Republik, die sowieso nennenswerte Wohnungsleerstände zu verzeichnen haben, trifft ein verzögerter Mieteingang oder gar ein Ausfall ungleich stärker.“

Unterstützung für die Mieter

In einem Punkt zeigt sich ein eindeutiges Bild: Alle Wohnungsunternehmen unterstützen ihre Mieter in der derzeitigen schwierigen Lage mit Hilfs- und Beratungsangeboten. So beraten sie beispielsweise bei der Beantragung von Wohngeld und anderen staatlichen Leistungen. Noch weiter geht die LEG, die ihren Kunden bereits Mitte März anbot, die Miete sogar für bis zu sechs Monate zu stunden. „In Zeiten von Corona ist unser Zuhause der wichtigste Rückzugsort“, begründet dies Vorstand Volker Wiegel. „Wir möchten unseren Kundinnen und Kunden gerade in dieser schweren Krise ein lebenswertes und sicheres Zuhause bieten.“

Christian Hunziker

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