Entwicklung geht hin zu smarten Fenstern

Multifunktionale Bauelemente mit IQ

Smarte Fenster versprechen mehr Komfort, Sicherheit und weniger Energieverbrauch. Welche Möglichkeiten bieten smarte Bauelemente und was sind die aktuellen Entwicklungen und Trends?

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Fenster der Zukunft werden keine isolierten Bauelemente mehr sein, sondern Teil einer vernetzten, smarten Gebäudehülle. Bild: Schüco International
Fenster der Zukunft werden keine isolierten Bauelemente mehr sein, sondern Teil einer vernetzten, smarten Gebäudehülle. Bild: Schüco International

Fenster erfüllen bereits jetzt gestiegene Energie-, Komfort- und Sicherheitsstandards. Sensorgesteuerte Fensterlüftungen mit Wärmerückgewinnung sparen Heizenergie, das automatische Schließen gekippter Fenster bei Abwesenheit beugt Wetterschäden und Einbrüchen vor. Doch die Entwicklung geht weiter: Sie reicht von einer automatischen Verdunkelung der Gläser bei Sonneneinstrahlung, über Glasscheiben, die Strom oder Wärme produzieren, bis hin zu Fenstern und Fassaden mit integriertem LC-Display (Flüssigkristall-Displays).

Automatisiert öffnen und schließen

Elektrische Antriebe oder im Fensterrahmen integrierte Fensterlüftungssysteme ermöglichen eine von Anwesenheitszeiten der Bewohner unabhängige, automatisierte Lüftung. Automatische Fensterlüftungen verbessern die Raumlufthygiene, regulieren das Raumklima, beugen Schimmelbildung vor und sparen Heizenergie. Auch Rollläden oder Markisen lassen sich per Knopfdruck oder unterwegs per App steuern. Das ist bequem und erleichtert älteren oder behinderten Bewohnern den Alltag. Temperatur-, Tageszeit-, Wind- oder Regensensorgesteuerte Systeme sparen Energie und vermeiden Schäden. Auch Haustüren und Tore lassen sich über smarte Schlösser per Smartphone-App, Smart-Watch, Karte, Transponder, Fingerabdruck-Scanner oder Zahlencode öffnen.

Während sich lokale Bluetooth-Lösungen auf Öffnungs- und Schließfunktionen beschränken, können Cloudlösungen in umfassende Smart Home-Konzepte eingebunden werden. Beachten sollte man Sicherheitsstandards, Wartungs- und Batteriewechselzyklen sowie Notfallszenarien, etwa bei Stromausfall. Vernetzte Fenster- und Haustürsensoren, Glasbruch-, Bewegungs- und Rauchmelder oder eine Anwesenheitssimulation bieten ebenso Schutz vor Einbrüchen wie das selbstständige Schließen von Haustüren und Fenstern, wenn Bewohner das Gebäude verlassen.

Automatisiert lüften

Energieeffiziente Gebäude stellen erhöhte Anforderungen an die Luftdichtigkeit von Gebäuden. Dichte Gebäudehüllen verhindern jedoch einen ausreichenden Luftaustausch, was zu mangelnder Luftqualität, einem Anstieg des Luftfeuchtegehalts und letztlich zu Schimmelpilzbildung führen kann. Neben dem automatischen Öffnen und Schließen ist das Lüften mit oder ohne Wärmerückgewinnung deshalb ein wichtiger Aspekt smarter Fenster.

Im Fenster integrierte Lüftungssysteme mit oder ohne Ventilator können in bestimmten Fällen (z.B. Altbau, Denkmalschutz etc.) eine Alternative zu einer zentralen Lüftungsanlage sein und damit eine aufwendige Montage von Lüftungskanälen vermeiden. Im Fensterfalz nachträglich eingebaute oder im Fensterelement bereits integrierte Lüfter sind mit verschließbaren Schlitzen versehen, durch die frische Luft einströmen und verbrauchte, feuchte Luft entweichen kann. Damit versorgen sie den Raum bei geschlossenen Fenstern mit Frischluft und schützen vor Lärm, Staub und Pollen.

Bei Systemen mit Wärmerückgewinnung wärmt die ausströmende Luft-Restwärme die einströmende Luft auf und spart damit Heizenergie. Energetisch effizienter als die kontinuierliche Fensterlüftung ist das automatisierte Lüften mit entsprechenden Elementen und Steuerungen. Diese öffnen je nach Bedarf Fenster oder aktivieren Fensterlüfter und können mit der Heizungssteuerung gekoppelt werden. Sensoren messen zuvor die Raumtemperatur, die Luftfeuchte oder den CO2-Gehalt.

Automatisiert verschatten

Ein weiterer Schritt in Richtung „Smart Window“ sind Gläser, die ihre Transparenz entsprechend der Sonneneinstrahlung oder angelegter elektrischer Spannung ändern können. Die dafür benötigte Energie erhält das Fenster entweder über einen Stromanschluss oder über integrierte Photovoltaik-Module. Unterschieden werden elektrochrome, thermochrome und LC-Gläser. Thermochromes Glas ist in der Lage, seine Lichtabsorption in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur zu ändern. Sobald thermochrome Gläser durch die Sonne erwärmt werden, färben sie sich ein. Lässt die Sonneneinstrahlung nach, kühlen sie sich ab und entfärben sich. Elektrochromes Glas ändert seinen Lichtdurchlass-Grad, je nach angelegter Spannung. Ist diese gleich Null oder wird die Polarität der Spannung geändert, wird das Glas wieder durchsichtig.

LC-Glas (Liquid Crystal) funktioniert ähnlich wie ein LC-Display. Ursprünglich ist es opak und wirkt wie Milchglas. Durch das Anlegen einer elektrischen Spannung wird es transparent. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: sie reichen von Sonnen- oder UV-Schutzgläsern im Fenster- und Fassadenbau bis zu Trennwandsystemen, inklusive schaltbarem oder in der Intensität dimmbarem Sichtschutz für Großraumbüros, Besprechungs- und Konferenzräumen. Gekoppelt mit einem Lichtsensor, lassen sich elektrochrome Gläser entsprechend der Intensität der Sonneneinstrahlung abdunkeln. Innenräume überhitzen so weniger und in Arbeitsräumen kann man ungestört von der Blendwirkung durch die Sonne am Bildschirm arbeiten. Allerdings sind die Preise derzeit noch relativ hoch. Sie liegen zwischen 1.000 und 2.500 Euro pro Quadratmeter, je nach Glasart. Hinzu kommen gegebenenfalls noch Steuerelemente, Schalter und andere Systembauteile. Deshalb beschränken sich die Einsatzbereiche bisher eher auf anspruchsvolle Bauvorhaben.

Deutlich günstiger als smarte Gläser sind schaltbare Folien (300 bis 600 Euro/qm). Sie lassen sich individuell zuschneiden und auf das Glas aufkleben. Im ausgeschalteten Zustand bleibt die Folie durchsichtig, wird eine Spannung angelegt, erhält das Fenster als Sichtschutz einen Milchglas-Effekt.

Multifunktionales Bauelement

Einen Schritt weiter gehen Konzepte, die Fenster und Fassaden für die Energiegewinnung nutzen, Fenster, die nachts als Lichtquelle dienen oder sich in ein multimediales Touchscreen-Display verwandeln. Fassaden- oder Dachverglasungen können mithilfe transparenter oder semitransparenter Solarmodule, respektive speziellen Beschichtungen auch Strom erzeugen. Weitere Konzepte zielen darauf ab, Fassaden für die Heizung und Kühlung zu nutzen. Dabei werden dem zwischen den Glasscheiben strömendem Wasser Mikropartikel beigegeben, die den Lichteinfall mindern. Auch als Flächenheizung sollen die Systeme künftig einsetzbar sein.

Das Fenster der Zukunft wird nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht für Licht sorgen. Dabei kommen organische Leuchtdioden – so genannte OLEDs – als dünne, flexible auf der Fensterscheibe aufgebrachte Folien zum Einsatz. Tagsüber sind sie durchsichtig, nachts verwandeln sie das Fenster in eine energiesparende Lichtquelle. Räume können damit nachts genauso gleichmäßig ausgeleuchtet werden wie am Tag.

Noch futuristischer erscheinen Fensterkonzepte, die sich in ein berührungssensitives Computer- oder TV-Display verwandeln können. Damit kann man das Fenster entweder als Bedienpanel für die Haustechnik nutzen – oder für die multimediale Anzeige von Wettervorhersagen, Kochrezepten und Videos. Im Büroumfeld ist es als großformatiges PC-Display ebenso einsetzbar wie als Bildschirm für die Videotelefonie oder als raumhohe Präsentationsfläche für Multimedia-Vorträge.

Smarte Fenster im Smart Home

Besonders effizient nutzen lassen sich smarte Fenster im Zusammenhang mit Raum- und Gebäudeautomationssystemen. Diese vernetzen alle smarten Objekte mit zentralen Kontroll- und Steuerungseinrichtungen, um Raum- und Gebäudefunktionen zu vernetzen, zu automatisieren, zu optimieren und deren Bedienung zu vereinfachen. Über eine stationäre Steuerungseinheit, ein mobiles Tablet oder Smartphone lässt sich das gesamte System von zu Hause oder von unterwegs steuern und überwachen. Smarte Fenster können über entsprechende Sensoren das Umfeld erfassen und diese Daten an das Steuerungssystem weitergeben. Selbstlernende Steuerungssysteme registrieren die Gewohnheiten der Bewohner, ziehen daraus ihre Schlüsse und richten das Zusammenspiel der Systemkomponenten optimal danach aus. App-, Sprach- und Gestensteuerungen sorgen für zusätzlichen Bedienungskomfort.

Neben dem Komfortgewinn gibt es auch Einspareffekte. So sollen aufeinander abgestimmte, bedarfsorientierte Steuerungen der Beleuchtung, Heizung, Lüftung, Klimatisierung und Sonnenschutz Betriebskosten-Einsparungen um bis zu 40 Prozent ermöglichen. Wird beispielsweise das smarte Fenster und das Heizkörperventil mit der Smart Home-Steuerung verbunden, kann beim Öffnen eines Fensters parallel die Heizung heruntergeregelt werden.

Vorteile bietet die vernetzte Geräte- und Gebäudetechnik auch für die Wartung und Instandhaltung: Systembauteile wie Fensterlüfter oder -antriebe können ihren aktuellen Status melden, Wartungsintervalle selbstständig kontrollieren und darauf hinweisen, wenn Verschleißteile zu erneuern sind. Einstellungen und Konfigurationen lassen sich per Fernzugriff ebenfalls vornehmen. Fenster mit integriertem Funk-Chip enthalten alle für die Fertigung, Montage, Wartung und Nutzung relevanten Informationen – über den gesamten Lebenszyklus hinweg.

Beispiele smarter Fenster

Einige IoT-basierte Fenster- und Fassadensysteme gibt es bereits: So vernetzt beispielsweise die Systemplattform Building Skin Control (BSC) von Schüco Gebäude-Fassadenelemente miteinander und ermöglicht durch offene Schnittstellen eine Anbindung an standardisierte Gebäudeleitsysteme wie KNX oder BACnet. Darüber hinaus kann BSC an die Schüco Cloud angebunden werden. So kann der Fenster- und Fassadenbauer per Fernzugriff den Status von Wartungsintervallen oder Ereignissen abrufen und auf Kundenanfragen reagieren. Per Fernzugriff oder App lassen sich Einstellungen und Konfigurationen elementübergreifend und individuell vornehmen – etwa eine automatische Raumlüftung oder Nachtauskühlung. Eine sprachgesteuerte Bedienung der Elemente verspricht mehr Komfort (www.schueco.com).

In eine andere Richtung zielt das Smart Window von Drutex. Die Studie für ein interaktives Fenster ermöglicht eine Präsentation von Multimediainhalten und neue funktionale Gebrauchsmöglichkeiten des Fensters: Fernsehen, Filme streamen, im Internet surfen, E-Mails checken oder Dokumente bearbeiten. Smart Window besteht aus einem interaktiven Fenster sowie einer Steuereinheit, die über Benutzerschnittstellen für die Kontrolle und Interaktion mit dem Nutzer verantwortlich ist. Das Fenster ist mit einem Prozessor ausgestattet und besitzt ebenfalls Schnittstellen zur drahtlosen Kommunikation (WIFI, Bluetooth, Bluetooth Low Energy). An das Fenster kann ein USB-Stick oder eine externe Festplatte mit Multimediadateien, eine Tastatur und Maus angeschlossen werden (www.drutex.de).

Mitbewerber Oknoplast hat ebenfalls unter der Bezeichnung Smart Window ein ähnliches Konzept entwickelt. Über das im Fenster integrierte Touch-Panel kann man im Internet surfen oder in Full HD-Qualität einen Film anschauen. Das Smart Window soll ein Tablet oder Notebook ersetzen können und auch als Sonnenschutz dienen. Schaltet man die Smart Window-Funktion ab, funktioniert es wie ein normales Fenster (www.oknoplast.at).

Fenster als Teil smarter Gebäudehüllen

Das Fenster der Zukunft wird kein isoliertes Bauelement mehr sein, sondern Teil einer vernetzten Gebäudehülle, die flexibel auf Wetter- und Umweltbedingungen reagiert, mit den Nutzern und der Umgebung interagiert. Zu den bisherigen Funktionen Belichtung und Belüftung, Wärme- und Schalldämmung sowie Einbruchschutz kommen dank moderner Technologien neue Funktionen hinzu: Lüftung, Beleuchtung, Sichtschutz, Verschattung, Heizung und Kühlung, aber auch Information und Entertainment. Das Fenster wird zum multifunktionalen Bauelement, welches unterschiedliche Aufgaben übernimmt, das Wohnen und Arbeiten komfortabler macht. Welche der hier vorgestellten Technologien und Trends sich tatsächlich am Markt durchsetzen werden, bleibt allerdings abzuwarten.

Anbieter* Weitere Infos und Quellen

Smarte Fensterlüftung: www.hautau.at, www.internorm.com, www.lunos.de, www.rehau.com, www.renson.eu, www.schueco.com, www.velux.at, www.weru.com

Schaltbare Gläser: www.interpane.com, www.sageglass.com, www.saint-gobain.at, www.velux.at

Transparente Solarzellen: www.ertex-solar.at, www.solar-constructions.com, www.solarwatt.de

Multimedia-Fenster: www.drutex.de, www.oknoplast.at

* Ohne Anspruch auf Vollständigkeit

www.baunetzwissen.de Rubrik „Fenster und Türen“

www.energie-experten.org Rubrik „Bauen und Sanieren“, „Fenster“

www.gebaeudedigital.de B2B Gebäudetechnik-Magazin

www.intelligenteswohnen.comInitiative Intelligentes Wohnen

www.ift-rosenheim.de Merkblatt „Smart-Home-Ready“ etc.

www.smarthomes.de B2C Gebäudetechnik-Magazin

www.window.de VFF-Merkblatt „Smart Windows“

Marian Behaneck

Marian Behaneck
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Artikel Multifunktionale Bauelemente mit IQ
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