Deutliche Entwicklungssprünge in der seriellen Sanierung

Gute Nachrichten für den Planeten

Anfangs noch skeptisch betrachtet, hat serielles Sanieren in zahlreichen Projekten bewiesen, dass es ein unverzichtbarer Lösungsbaustein auf dem Weg in den klimaneutralen Bestand ist. Wie sich das innovative Sanierungskonzept in Zukunft weiterentwickeln könnte, zeigen drei serielle Sanierungsprojekte in Köln.

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Die vertikale Positionierung der Montagehölzer beschleunigt den Bauablauf und vereinfacht die Anbringung der Fassadenelemente. Bild: dena | Claudius Pflug
Die vertikale Positionierung der Montagehölzer beschleunigt den Bauablauf und vereinfacht die Anbringung der Fassadenelemente. Bild: dena | Claudius Pflug

Never change a winning team. Warum auch, wenn bereits das erste Projekt energetische und architektonische Maßstäbe gesetzt hat: Geplant vom Architekturbüro teamtektura und ausgeführt von Korona Holzbau war der Pilot der Wohnungsgenossenschaft am Vorgebirgspark (WGaV) eG das erste seriell sanierte Bestandsgebäude in Deutschland, das den ambitionierten Effizienzhausstandard 40 EE erreicht hat und als Passivhaus plus zertifiziert wurde. Das Mehrfamilienhaus in Köln-Zollstock mit der prägnanten rötlichen Fassade aus Alurauten hat zudem den Heinze Architektur-Award gewonnen und war Teil der ARTE-Dokumentation „Gute Nachrichten vom Planeten“. Ist das noch zu toppen?

„Der Start verlief schon einmal vielversprechend: Noch vor dem eigentlichen Baustart wurde das Projekt in der Schwalbacher Straße 49-53 von der Landesregierung als KlimaQuartier NRW ausgezeichnet“, berichtet Bauherr Thomas Meißner, Vorstand der WGaV. Neben dem hohen energetischen Standard von 40 EE und dem aus Photovoltaikanlage, Wärmepumpen und Mieterstrommodell bestehenden regenerativen Energiekonzept überzeugte die Jury auch die Verwendung ökologischer Baustoffe und die kreislaufgerechte Planung. Die in Holzrahmenbauweise vorgefertigten Fassadenelemente sind mit Zellulose gedämmt und so konstruiert, dass sie sich am Ende des Lebenszyklus sauber trennen lassen. Weniger Energie, weniger CO2, weniger Ressourcen potenziert sich hier zu einem Plus für den Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen.

Seriell ist wirtschaftlicher als konventionell

Um die ökologisch, ökonomisch und technisch beste Lösung für das aus drei Mehrfamilienhäusern bestehende Gebäudeensemble mit 30 Mietparteien zu finden, wurden im Rahmen einer Machbarkeitsstudie verschiedene Optionen durchgespielt. Im Vergleich zu einer konventionellen energetischen Modernisierung erwies sich die serielle Sanierung als wirtschaftlich attraktivere Lösung: Hier sind bis zu 40 Prozent der Kosten über die KfW förderfähig. Demgegenüber steht eine 25-prozentige KfW-Förderung für die konventionelle Alternative. Im Variantenvergleich baulicher und technischer Detaillösungen zeigte sich, dass der Erhalt des alten Sparklinkers rund 100.000 Euro kostengünstiger ist. Ebenfalls erhalten bleiben die Bestandsloggien, die in die thermische Hülle integriert und um Falt-Schiebefenster ergänzt werden. Auch die Bestandsheizkörper bleiben weiter im Einsatz. Das bereits vorhandene, wartungsarme Lüftungskonzept im Treppenhaus wird fortgeführt und optimiert. Dazu werden moderne Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung auf jeder Etage installiert, die den Heizenergieverbrauch um bis zu 61 Prozent reduzieren.

Zweites Projekt ist mehr als doppelt so schnell

Spannend ist zudem die Frage, inwieweit das Projekt in der Schwalbacher Straße 49-53 von den Erfahrungen profitiert, die in der Schwalbacher Straße 23/24 gemacht wurden. „Für den Piloten hatten wir eine Oberfläche aus kleinteiligen Aluminiumrauten entworfen, die aus technischen Gründen zeitintensiv auf der Baustelle an den Fassadenelementen befestigt werden mussten. Diesmal haben wir uns für eine Lösung entschieden, die komplett im Werk von Korona Holzbau vorgefertigt wird“, erklärt Michael Kölmel, geschäftsführender Architekt im Büro teamtektura. „Zudem haben wir gemerkt, dass eine vertikale Positionierung der Montagehölzer den Prozess beschleunigt und die Anbringung der Fassadenelemente vereinfacht“, ergänzt Frederick Damm, Geschäftsführer von Korona Holzbau. Das Resultat aus diesen Lehren ist ein deutlicher Sprung beim Tempo: Dauerte die Fertigstellung des ersten Projekts rund 13 Monate, werden es beim dreimal größeren zweiten gerade einmal fünf sein.

Köln-Nippes: Umnutzung eröffnet neue Geschäftschancen

In Deutschland fehlen rund 800.000 Wohnungen, auf der anderen Seite stehen 7,6 Millionen Quadratmeter Büroflächen leer. Wie man den Mangel und das Überangebot mit klugen Konzepten ins Gleichgewicht bringt, zeigen THE FLAG, Florack, Plansite und Brüninghoff in Köln-Nippes. In der Neusser Straße 159 wird ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Generalzolldirektion mithilfe serieller Sanierung und Aufstockung in 137 Apartments für Studenten und Berufseinsteiger. Aus den jahrelang leerstehenden Büroflächen entsteht auf diese Weise dringend benötigter Wohnraum in bester Innenstadtlage.

Dazu wird der in den 1980er-Jahren errichtete Stahlbetonskelettbau kernsaniert und die Tragkonstruktion für die geplante Umnutzung verstärkt. Die Weiternutzung der Tragstruktur vermeidet CO2-Emissionen und schont Ressourcen. „Die Umnutzung von ausgedienten Büro- und Verwaltungsgebäuden kann einen wertvollen Beitrag zur Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum und zur nachhaltigen Stadtentwicklung leisten. Denn im Vergleich zum Abriss und anschließenden Neubau wird viel graue Energie eingespart“, macht Katrin Berger, Leiterin Business Development bei Plansite, deutlich. Die serielle Sanierung mit vorgefertigten Fassadenelementen spart außerdem Zeit. Die Holzrahmenbauelemente werden inklusive Fenster, Dämmung und Fassadenverkleidung vorproduziert und „just in time“ zur Baustelle geliefert. Ein durchdachtes Montagekonzept und der Einsatz eines Krans sowie einer speziellen Traverse zur millimetergenauen Positionierung der Bauteile ermöglichen auch in dicht bebauten Innenstadtlagen einen effizienten Bauablauf.

Serielles Sanieren beschleunigt die Schaffung von Wohnraum

Die serielle Sanierung sorgt in Köln-Nippes dafür, dass das Gebäude wohnungssuchenden Studenten schnellstmöglich zur Verfügung steht. Denn der Mangel an bezahlbarem Wohnraum trifft diese Bevölkerungsgruppe besonders hart. Nur zehn Prozent der 2,9 Millionen Studentinnen und Studenten finden einen Platz in einem Wohnheim. Der Rest muss versuchen, am freien Markt eine kleine Wohnung oder ein WG-Zimmer zu finden. Doch die sind rar und werden immer teurer. Mietpreise von bis zu 30 Euro pro Quadratmeter sind in Universitätsstädten keine Seltenheit. Und die Situation dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Denn die Zahl der Studenten steigt weiter an. Mittlerweile entscheiden sich rund 60 Prozent eines Jahrgangs für ein Studium. Vor diesem Hintergrund sorgen die 137 in Köln-Nippes entstehenden Apartments für Entlastung auf dem angespannten Kölner Wohnungsmarkt.

Politik fördert Umwandlung von Gewerbe zu Wohnraum

Laut Wohnungsmarktexperten könnten allein in Köln 13.000 Wohnungen durch Umnutzungen geschaffen werden – bundesweit liegen die Schätzungen bei bis zu zwei Millionen. Bislang wagen sich allerdings nur wenige Investoren an die Transformation von Gewerbeflächen. Denn die rechtlichen und baulichen Hürden sind hoch. So ist die Wohnnutzung in vielen Gewerbe- und Industriegebieten nicht zulässig. Und selbst wenn eine Wohnnutzung erlaubt wird, ist eine Umwandlung in den meisten Fällen genehmigungspflichtig und erfordert einen Bauantrag. Erschwerend kommt hinzu, dass für Wohnräume deutlich strengere Brandschutz- und Schallschutzauflagen gelten. Zudem gibt es in Bezug auf Grundriss und Ausstattung deutliche Unterschiede, die kostenintensive Umbauten nötig machen. Auch die Politik hat das Potenzial von Umwandlungen erkannt. Mit einer Förderung über zinsverbilligte Darlehen an Eigentümer geeigneter Gewerbeimmobilien und anderer Nichtwohngebäude will die Bundesregierung einen Impuls für eine nachhaltige Umbaukultur setzen. 360 Millionen Euro sind im Bundeshaushalt 2026 für das Programm „Gewerbe zu Wohnen“ eingeplant.

Köln-Kalk:Innovationen senken die Kosten

Vonovia zählt zu den Vorreitern der seriellen Sanierung. In einer eigenen Abteilung wird das zukunftsweisende Sanierungskonzept vorangetrieben und kostenmäßig optimiert. Damit sich serielle Sanierungslösungen mittelfristig auch in der Breite durchsetzen, müssen sie ein für alle Zielgruppen attraktives Preisniveau erreichen. Aktuell wird innerhalb der Branche nach innovativen Lösungen gesucht, die den zukunftsweisenden Sanierungsansatz kostengünstiger machen. Für Vonovia stellt die sogenannte All-in-one-Fassade den größten Hebel für Kostensenkungen dar. Ziel ist es, neben der Dämmung sowie den Fenstern und Türen möglichst viel Gebäudetechnik in die Fassaden zu integrieren. So sollen die Kosten auf deutlich unter 1.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche gesenkt werden. Für Maximilian Burkert, Teamleiter Technisches Engineering bei Vonovia, greift der Kostenvergleich zwischen konventioneller und serieller Sanierung zu kurz: „Die Mehrwerte der seriellen Sanierung wie die erheblich kürzere Bauzeit, die Verlängerung des Lebenszyklus und die deutlich höhere Qualität sind in keinem Investitionsrechner einkalkuliert.“

Elektrische Fensterheizung statt Wärmepumpe

Einen vielversprechenden Ansatz hat der größte deutsche Wohnungskonzern in einem Projekt in Köln-Kalk umgesetzt. Hier wurde die klassische Heizung durch eine innovative Fensterheizung ersetzt. Das neuartige Heizsystem besteht aus einem dreifachen Isolierglasaufbau mit einer nanobeschichteten Metalloxidschicht, die über eine Verkabelung in der Fassade mit Strom versorgt wird. Die innere Glasscheibe wird so bis auf 50 Grad erwärmt und gibt ihre Strahlungswärme mit einem Wirkungsgrad von 95 Prozent in den Raum ab. Zwei zusätzliche Funktionsschichten isolieren die Scheibe und sorgen dafür, dass kaum Energie nach außen verloren geht. Trotz integrierter Heizfunktion bieten die Fenster den gleichen Komfort: Sie sind klar, lichtdurchlässig und lassen sich wie gewohnt öffnen. Diese Technik ermöglicht es, Räume über die Fensterflächen zu beheizen und so die herkömmliche Gebäudeheizung zu ersetzen. Fensterheizungen eignen sich vor allem für gut gedämmte Häuser. Besonders kostengünstig und klimafreundlich lässt sich die Raumwärme erzeugen, wenn der dafür notwendige grüne Strom über Photovoltaikmodule auf dem eigenen Dach erzeugt wird.

Fensterheizung rechnet sich

In Sachen Einsparpotenzial schneidet die Fensterheizung ähnlich gut ab wie eine Wärmepumpe. So reduzierten sich der Energiebedarf sowie die CO2-Emissionen und Energiekosten um 92 Prozent. Die Wärmepumpe erreicht in allen drei Punkten einen Vergleichswert von 95 Prozent. Ihren größten Pluspunkt kann die Fensterheizung bei der Mietpreisentwicklung nach der seriellen Sanierung ausspielen: Aufgrund der geringeren Anschaffungskosten liegen die Umlagekosten mit 37 Cent pro Quadratmeter rund zwei Drittel unter denen einer Wärmepumpe mit 1,01 Euro pro Quadratmeter. Die Fensterheizung ist somit eine Lösung, mit der man dem Ziel einer möglichst warmmietenneutralen Sanierung ein Stück weit näherkommt.

Überregulierung bremst Innovationen aus

Allerdings verhindert das Gebäudeenergiegesetz den Einsatz von Fensterheizungen auf breiter Ebene. Die gesetzlichen Vorgaben präferieren die Wärmepumpe als Standardlösung. Elektrische Heizsysteme sind als Modernisierungslösung nur für bestehende Direktheizungen wie zum Beispiel Nachtspeicheröfen zulässig. Das bedeutet, dass sie aktuell nur in einem Nischensegment verbaut werden dürfen, auch wenn sie in vielen Fällen die technisch und wirtschaftlich sinnvollere Alternative wären. Die Konsequenz sind hohe Umlagen für die Mieterschaft, weil die Installation von Wärmepumpen mit deutlich höheren Investitionskosten verbunden ist. Um sozialverträgliche Sanierungen auf breiter Ebene zu ermöglichen, sollten die Regulierungen an die Realität angepasst werden. Würde die Fensterheizung neben der Wärmepumpe als Modernisierungsalternative für Öl- und Gasheizungen anerkannt, könnten deutlich mehr Gebäude kosteneffizient auf Klimakurs gebracht werden.

Ariane Steffen

Ariane Steffen
Autorin, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
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Artikel Gute Nachrichten für den Planeten
Seite 28 bis 31
26.10.2023
40 EE-Standard: Serielles Sanieren setzt Maßstäbe
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