Der Pilot der Wohnungsgenossenschaft am Vorgebirgspark (WGaV) eG ist das erste Projekt in der deutschen Energiesprong-Historie, das den ambitionierten Effizienzhausstandard 40 EE erreicht hat. Das Beispiel zeigt, dass auch kleine Marktakteure Großes für den Klimaschutz leisten können. Wie viele Nachkriegsgebäude war das Mehrfamilienhaus in der Schwalbacher Straße unzureichend gedämmt, wurde mit Gas beheizt und verbrauchte fünfmal mehr Energie als heutzutage technisch möglich ist. Nach der seriellen Sanierung erfüllt es bereits heute den hohen Energiestandard, der für Neubauten ab 2025 gesetzlich vorgeschrieben ist. Auf der Grundlage der tatsächlichen Stromverbrauchswerte vom 1. Oktober 2022 bis 30. April 2023 haben die TGA-Fachleute den Energiebedarf für die Monate Mai bis September 2023 hochgerechnet und somit für das erste Betriebsjahr eine Echtwertprognose erstellen können. Danach erzeugt das Gebäude auch in der Praxis – nicht nur in der Theorie – einen Energieüberschuss von etwa zehn Prozent.
Der Energiebedarf für Heizung, Warmwasser und Strom reduzierte sich von 200 auf minus 4 kWh/m²/a, die CO2-Emissionen sanken von 47 auf minus 1,6 Tonnen pro Jahr. Durch die Kombination aus innovativ gedämmter Fassade, regenerativer Energieversorgung und einem effizienten Gebäudebetrieb erreicht das Bestandsgebäude ein energetisches Niveau, das einem hochmodernen Neubau in nichts nachsteht.
Hochgedämmte Thermohülle
Die ganzheitliche Sanierungslösung wurde vom Kölner Architekturbüro Zeller Kölmel konzipiert, vom Energiebüro vom Stein technisch sowie bauphysikalisch geplant und von Korona Holz & Haus ausgeführt. Zur Optimierung der Energieeffizienz erhielt das Gebäude eine zusätzliche thermische Hülle, die die bestehende Konstruktion wie eine zweite Haut umschließt. In einem ersten Schritt wurden Unebenheiten der Außenwand mit einer acht Zentimeter dicken Dämmschicht aus Mineralwolle ausgeglichen. Als zweite Schicht folgten 28 Zentimeter dicke Fassadenelemente aus Holz, die inklusive Zellulosedämmung, Fenstern, Lüftungsgeräten und Leerrohren im Werk vorgefertigt wurden. Eine zusätzliche Luftschicht erhöht den Wärmeschutz und reduziert die Feuchteentwicklung. Der U-Wert der Außenwände konnte durch diesen Aufbau auf circa 0,12 W/(m2K) gesenkt werden. Komplettiert wird die neue Gebäudehülle durch hochdämmende, vorgefertigte Dachelemente.
Fossilfreie Energieversorgung
Zentrale regenerative Energiequelle des Gebäudes ist eine 64,8 Kilowatt-Peak (kWp) starke Photovoltaikanlage auf dem Dach, die pro Jahr 56.500 kWh Solarenergie erzeugt. Sie versorgt die Luft-Wärmepumpen, Lüftungsgeräte, Durchlauferhitzer und die einzelnen Wohnungen mit grünem Strom. Im Jahresdurchschnitt wird die Anlage nach den ingenieurtechnischen Berechnungen sogar mehr erneuerbare Energie erzeugen, als die Bewohner für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom benötigen. Der überschüssige Solarstrom wird ins Netz eingespeist. Aufgrund der niedrigen Vorlauftemperatur der Wärmepumpe wurden die Durchlauferhitzer und Heizkörper gegen neue Geräte ausgetauscht. Zusätzliche Ventilatoren sorgen für eine schnelle Erwärmung. Dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung führen zu weiteren Energieeinspareffekten.
Kreislaufgerechte Konstruktion
Das viergeschossige Mehrfamilienhaus aus den 1960er-Jahren ist das erste Energiesprong-Projekt, das die Prinzipien des kreislaufgerechten Bauens in den seriellen Sanierungsansatz integriert. Dazu wurde eine Konstruktion entworfen, die rückbaubar und recyclingfähig ist. Die Fassadenelemente sind in Holztafelbauweise hergestellt, mit Zellulosedämmung gefüllt und wurden so geplant, dass sich die verbauten Materialien am Ende des Lebenszyklus wieder sauber voneinander trennen lassen. Dies ermöglicht eine weitere Nutzung im Rahmen der zirkulären Bauwirtschaft. Das Projekt in der Schwalbacher Straße wird so zum Materialdepot für Bauvorhaben von morgen. Großen Wert legten die Architekten zudem auf eine hochwertige optische Gestaltung des Gebäudes und somit für seine städtebauliche Aufwertung. Gerade im Hinblick auf die architektonisch und qualitativ oft wenig überzeugenden Nachkriegsbauten bietet sich im Rahmen der seriellen Sanierung die Chance, die energetische Modernisierung mit der gestalterischen Optimierung zu verbinden.
Klima- und sozialverträgliche Sanierung
Trotz vieler Standardisierungen bietet die serielle Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip Gestaltungsspielräume für die eigene architektonische Handschrift. Uns war es u.a. wichtig, klimagerechtes und kreislauffähiges Bauen miteinander zu verbinden. Deshalb haben wir uns für eine Konstruktion entschieden, die nachhaltig, rückbaubar und recyclingfähig ist", sagt Klaus Zeller, Zeller Kölmel Architekten.
Massive Förderung durch Bund und EU
Laut Bauherr Thomas Meißner, Vorstand der WGaV, hat sich die serielle Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip nicht nur ökologisch, sondern aufgrund attraktiver Förderkonditionen auch ökonomisch ausgezahlt. Die Gesamtkosten der energetischen Modernisierung betrugen 1,9 Millionen Euro. Davon wurden 876.000 Euro über das BEG-Programm des Bundes und 235.000 Euro über das Interreg-Programm der EU gefördert. Aufgrund der guten Erfahrungen plant die WGaV bereits das zweite serielle Sanierungsprojekt. In unmittelbarer Nachbarschaft des fertiggestellten Piloten sollen drei fünfgeschossige Mehrfamilienhäuser mit 30 Wohneinheiten und einer Gesamtfläche von 2.460 Quadratmetern seriell auf den klimaneutralen NetZero-Standard gebracht werden.
Stimmen zum Projekt
„Dieses Projekt zeigt, das die rund 480 Wohnungsunternehmen im VdW Rheinland Westfalen intensiv an der klimagerechten Weiterentwicklung ihrer Wohn- und Stadtquartiere arbeiten. Dabei nutzen sie zunehmend innovative Modernisierungsverfahren wie die serielle Sanierung nach dem Energiesprong-Prinzip. Das Ergebnis sind landesweit bereits zahlreiche realisierte Projekte – und es werden immer mehr, denn mit der neuen Modernisierungsförderung das Landes Nordrhein-Westfalen ist serielles und modulares Bauen und Modernisieren ausdrücklich förderfähig. Attraktive Förderkonditionen und hohe Tilgungszuschüsse ermöglichen ein energetisch zukunftsfähiges und vor allem bezahlbares Wohnen.”
Ariane Steffen


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