Durchblick im Dickicht der Städtebauförderung

So öffnen sich Fördertöpfe

Trotz Vereinfachung bleibt die Akquisition von Fördergeldern im Städtebau Expertensache – zu viele Hindernisse gefährden den Erfolg. Ein Bericht aus der täglichen Praxis.
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Neubau in Gotha im Rahmen des Projekts „Genial Zentral“, bei dem mithilfe von Fördermitteln jungen Familien zu innerstädtischem Wohneigentum verholfen wurde. Bild: Stadt Gotha
Neubau in Gotha im Rahmen des Projekts „Genial Zentral“, bei dem mithilfe von Fördermitteln jungen Familien zu innerstädtischem Wohneigentum verholfen wurde. Bild: Stadt Gotha

Eine Kommune kann im Extremfall aufgefordert werden, Fördergelder zurückzuzahlen. So geschehen in einem Ort in der Mitte Deutschlands: Der Bürgermeister präsentierte bei der Übergabe vor Vertretern des Ministeriums begeistert die schön hergerichtete alte Stadtmauer. Was er nicht wusste: Historische Einfriedungen sind nicht förderfähig! Stolze 120.000 Euro musste die Gemeinde zurückzahlen. Markus Eichberger, Leiter Unternehmensbereich Stadtentwicklung der ProjektStadt – unter dieser Marke bündelt die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) ihr Know-how in diesem Bereich – kennt solche Fälle aus langjähriger Erfahrung: „Die Frage der Förderfähigkeit einzelner Projekte ist im-mer wieder Thema im Rahmen unserer Beratungen.“

Anderes Beispiel: Einer nordhessischen Stadt flatterte ein Schreiben des hessischen Ministeriums für Energie, Wirtschaft, Verkehr und Wohnen ins Haus – rund 1,8 Millionen Euro wurden darin zurückgefordert. Begründung: Der Umbau der Fußgängerzone, den die Kommune für eine überregionale Veranstaltung mit Städtebaugeldern finanziert hatte, sei in dieser Form nicht förderfähig. In diesem Fall kam die Stadt glimpflich davon. Ulrich Türk, Leiter Fachbereich Stadtentwicklung Nord bei der ProjektStadt, erinnert sich: „Wir haben dem Ministerium detailliert begründet, warum wir diese Maßnahme durchaus für förderwürdig erachten. Hauptgrund: Sie stellt eine Wohnumfeld-Maßnahme dar.“ Nach ausführlichem Briefwechsel war die Behörde dieser Argumentation gefolgt.

Richtlinien unterscheiden sich

Der Bund hat ab dem Jahr 2020 die Städtebau-Förderlandschaft erheblich vereinfacht: Es gibt nur noch drei Bund-Länder-Programme plus Sonderprogramme und europäische Fonds (siehe Kasten). Sie sind mit rund einer Milliarde Euro jährlich im Bundeshaushalt verbucht. Länder und Kommunen müssen wegen der Kostendrittelung jeweils noch einmal so viel aufbringen. Insgesamt geht das Ministerium des Innern, für Bau und Heimat von einem durch die Förderung ausgelösten Gesamtinvestitionsvolumen von rund zwölf Milliarden Euro aus. Die Mittel unterstützten in hohem Maße die klein- und mittelständische Wirtschaft vor Ort: Etwa 36 Prozent der erwarteten Aufträge verbleiben in der Kommune selbst, weitere 48 Prozent in der Region.

Die Hoheit über die Entscheidung, welche Projekte in die Programme aufgenommen werden, bleibt bei den Landesbehörden. „Jedes Bundesland hat seine eigenen Richtlinien, in Hessen ist es die so genannte RiLiSE (Richtlinie des Landes Hessen zur nachhaltigen Förderung der Stadtentwicklung), in Thüringen ist es die Thüringer Städtebauförderrichtlinie (ThStbauFR), in Rheinland Pfalz, Niedersachen, Baden-Württemberg und anderen Ländern firmieren sie wiederum anders“, erläutert Gregor Voss, Leiter Fachbereich Stadtentwicklung Süd der ProjektStadt. „Sie unterscheiden sich in Kleinigkeiten, die aber oft den Ausschlag geben.“

Detailwissen entscheidet über Erfolg

Beispielhaft sieht der Förderweg in Hessen so aus: Das Land schickt einen Aufruf zur Bewerbung für ein bestimmtes Programm an die Kommunen. Diese verfassen bis zum Stichtag einen Antrag, in dem ihr Förderbedarf dargestellt wird. Im Idealfall votiert die Genehmigungsbehörde für die städtebauliche Maßnahme. Die Stadt oder Gemeinde bekommt damit zunächst Geld aus dem Topf für ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK). Nach spätestens anderthalb Jahren muss das ISEK beim zuständigen Ministerium vorliegen. Das entscheidet dann auf dieser Basis, ob die Kommune für bestimmte Maßnahmen in den Genuss der Förderung gelangt.

Dieser scheinbar leichte Weg ist jedoch gepflastert mit Hindernissen. Schon der Aufruf des Landes mit dem Termin für den Bewerbungsschluss geht im Tagesgeschäft oft unter. „Unsere Aufgabe ist es, mit den Städten und Gemeinden zusammen den Bedarf zu formulieren, für den wir auf Grundlage der vorhandenen Programme eine Förderkulisse eröffnen können“, erklärt Eichberger. Neben der fachlichen und formalen Korrektheit des Antrags empfiehlt Türk vor allem eine gewisse Zurückhaltung bei der Höhe der Finanzmittel: „Wenn ein Dorfplatz für 25 Millionen Euro umgestaltet werden soll, dann entspricht das potenziell dem Etat für drei Gemeinden. Die Genehmigungsbehörde achtet aber darauf, dass die Mittel effizient eingesetzt werden.“

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Noch weit mehr Stolperfallen birgt die Entwicklung eines ISEK. In dem Konzept müssen alle Einzelprojekte und der Finanzierungsbedarf aufgelistet sein. Enthalten sollte das ISEK zudem die Analyse der Stärken und Schwächen, der Chancen und Risiken sowie natürlich die Handlungsfelder für eine erfolgreiche Stadtentwicklung. Die Behörden erwarten hier bestimmte inhaltliche Standards – Maßnahmen zum Klimaschutz etwa. Gregor Voss hebt hervor: „Das frühere Programm,Zukunft Stadtgrün‘ ist aus dem Kanon herausgefallen. In der Folge muss heute jede Stadtentwicklungsmaßnahme obligatorisch Elemente zur Verbesserung der grünen Infrastruktur enthalten.“

Voraussetzung für die Förderung ist auch eine möglichst breite Bürgerbeteiligung. „Die ProjektStadt gestaltet zusammen mit der Kommune den Beteiligungsprozess. Kreative Workshops, dialogorientierte und digital basierte Formate sowie aufsuchende Beteiligungsformen für verschiedene Zielgruppen gehören bei uns zum Standard“, erläutert Türk. Eine einmalige Frontalveranstaltung im Bürgerhaus reiche heute nicht mehr aus, um eine möglichst breite Öffentlichkeit für eine Mitwirkung zu gewinnen.

Korrekte Buchhaltung erforderlich

Mit der Aufnahme in das Förderprogramm gelten zusätzliche Anforderungen an die Kommune: Die gesamte Maßnahme muss nach den vorgegebenen Standards korrekt verbucht werden. Die ProjektStadt arbeitet hier mit einer Datenbank auf Access-Basis sowie SAP-Modulen. Integriert sind dort alle von den Ministerien der unterschiedlichen Bundesländer geforderten Formulare und Formblätter plus eigene Standards, die sich bei der Beantragung und der Abwicklung städtebaulicher Fördermaßnahmen bewährt haben.

Zwar gebe es ein klares Kumulierungsverbot für unterschiedliche Programme der Städtebauförderung. Trotzdem können unter bestimmten Umständen Programme kombiniert werden. „Dabei kommt es darauf an, die Maßnahmen so zu strukturieren, dass komplementär beispielsweise ein europäisches Programm passt“, erläutert Ulrich Türk. Städtebaugelder seien grundsätzlich „nachrangig einzusetzen“. Gregor Voss: „Wenn die Kommune etwa eine besondere energetische Ertüchtigung plant, kann sie vorrangig beispielsweise KfW-Programme nutzen. Städtebauförderung soll vom Grundsatz her unrentierliche Maßnahmen abdecken, ein wirtschaftliches Projekt soll sich selbst tragen.“

Aktuell betreut die ProjektStadt mit ihrer über 40-jährigen Erfahrung rund 130 Städte und Gemeinden. Für die stark beanspruchten Haushalte vieler Kommunen ist eine gut ausgestaltete Förderkulisse oft entscheidend für den Erfolg des Projekts. Ein erfahrenes Stadtentwicklungsbüro kann in diesem Fall ungeahnte Möglichkeiten aufzeigen.

Förderprogramme im Überblick

Bund-Länder-Programme:

Bei den Bund-Länder-Stadtentwicklungsprogrammen finanzieren in der Regel der Bund, Land und Kommune je ein Drittel der beantragten Maßnahme.

Die Programme:

• Lebendige Zentren zur Förderung der Innenentwicklung und historischer Stadtkerne (Etat des Bundes: 300 Millionen Euro),

• Wachstum und Nachhaltige Erneuerung zur Anpassung an den demographischen und strukturellen Wandel sowie zur Gestaltung lebenswerter Quartiere (Etat des Bundes: 290 Millionen Euro),

• Sozialer Zusammenhalt zur Förderung des Zusammenlebens in den Quartieren (Etat des Bundes: 200 Millionen Euro)

Städtebauförderung des Bundes:

• Investitionspakt soziale Integration im Quartier (Etat des Bundes: 200 Millionen Euro).

• BIWAQ Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier (Bundesprogramm mit EU-Mitteln des ESF)

• Jugend stärken im Quartier (Bundesprogramm mit Mitteln des ESF)

• Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur (Etat 2018 – 2023: 200 Millionen Euro)

• Modellvorhaben ressortübergreifende Strategie soziale Stadt (jährlich 10 Millionen Euro für Modellvorhaben)

• Förderung von Investitionen in Nationale Projekte des Städtebaus (Bundesetat 2018 und 2019: 145 Millionen Euro)

Zudem können Kommunen Gelder aus europäischen Fonds beantragen:

• Europäischer Fonds für regionale Entwicklung EFRE (2014 bis 2020: 66 Millionen Euro für Stadtentwicklung)

• Europäischer Sozialfonds ESF (2014 – 2020: 41 Millionen Euro für soziale Einrichtungen)

Robert Schmauß

Robert Schmauß
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Seite 16 bis 18
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