Deutschlands erstes gefördertes Mehrfamilienhaus aus dem 3D-Drucker
Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen fördert das Bauprojekt zum einen mit 400.000 Euro aus der landeseigenen Förderung „Innovation in der Bauwirtschaft”. Zum anderen stellt das Ministerium aus dem Programm der öffentlichen Wohnraumförderung rund 1,3 Millionen Euro bereit. Entsprechend der Wohnraumförderbestimmungen werde der Quadratmeter-Preis für die Miete bei maximal sechs Euro pro Quadratmeter liegen. Die Gesamtkosten für das Bauprojekt liegen nach Angaben des Ministeriums bei rund 1,9 Millionen Euro. Das Gebäude soll im Oktober 2024 bezugsfertig sein.
Jan Hische, Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Lünen: „Für uns liegt der Fokus insbesondere auf bezahlbarem Wohnen. Um diesen zu schaffen braucht es neue Wege. Daher ist es uns besonders wichtig, die innovative Idee des 3D-Betondrucks mit der Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen zu verbinden. Wir sind stolz, gemeinsam mit unseren Projektpartnern die Weiterentwicklung dieses neuen Bauverfahrens begleiten zu dürfen.“
Begleitet von Pressevertretern besichtigten WBG-Vorstand Jan Hische und NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach das Neubauprojekt und konnten dabei den 3D-Drucker beim Druckprozess erleben: Mit 25 Zentimeter Strecke pro Sekunde wird der druckfähige Beton über eine Düse in zwei Zentimeter dicke und sechs Zentimeter breite Layer (der englische Begriff für „Schicht“) aufgetragen und lässt so die Wände des neuen Mehrfamilienhauses an nur wenigen Drucktagen in die Höhe wachsen. Nach unter 100 Stunden stehen dann bereits die Grundmauern des ersten öffentlich geförderten Mehrfamilienhauses aus dem 3D-Drucker. Durch reduzierte Materialverbräuche und die vergleichsweise schnelle Umsetzung mache die Technik den Bauprozess sehr effizient.
Bereits das dritte 3D-Druckprojekt in NRW
Der dreistöckige Bau entsteht auf einem 651 Quadratmeter großen Grundstück im innenstadtnahen Stadtteil Lünen-Geist. Der Neubau wird insgesamt über sechs Wohneinheiten zwischen 61 und 81 Quadratmetern verfügen.
Die Errichtung des Wohnhauses in Lünen im Betonguss-Verfahren – denn das ist exakt gesprochen mit „3D-Druck“ gemeint – ist bereits das dritte Objekt dieser Art, das in Nordrhein-Westfallen entsteht. Erstes Projekt war ein Einfamilienhaus im Beckum, danach ein Vereinsheim in Nordkirchen und jetzt das öffentlich geförderte Mehrfamilienhaus in Lünen.
Nach Ansicht von Architekt Lothar Steinhoff ist die Errichtung der ersten sechs öffentlich geförderten Wohnungen für die WBG Lünen und die Arbeit mit dem 3D-Betondrucker ein starkes Signal für die Bauwirtschaft. Gemeinsam leisteten alle beteiligten Projektpartner auch hier wieder einen wichtigen Beitrag dazu, Zukunftstechnologien im Bauwesen weiterzuentwickeln. „Mit unseren Erfahrungen aus den letzten Projekten erarbeiten wir einen Regelkarteikatalog aus, der auf die nächsten geplanten Gebäude angewandt werden soll. Prozesse in der Ausführungsplanung sollen so standardisiert werden“, erklärt Steinhoff.
Schicht für Schicht: Wände entstehen in 100 Druckstunden
Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss des Mehrparteienhauses in Lünen werden im 3D-Betondruckverfahren gebaut. Das Dachgeschoss wird in einer Holz-Hybrid-Bauweise errichtet. Die Gründung, die Sohle und die Filigrandecken werden in konventioneller Bauweise erstellt. Die Fassadenstruktur im Erdgeschoss und im Obergeschoss behält die ursprüngliche gedruckte Betonstruktur. Das Dachgeschoss wird mittels Fassadenplatten verkleidet. Die reine Druckzeit des Gebäudes beträgt unter 100 Stunden.
Die Umsetzung des 3D-Drucks erfolgt durch das Unternehmen Peri 3D Construction. Im laufenden Jahr sei es bereits das dritte Projekt allein in Deutschland, das das Unternehmen im 3D-Druckverfahren umsetzt. Die Wände im Innenbereich werden zudem automatisch vom Drucker geglättet, um das spätere Verputzen zu vereinfachen.
Der eingesetzte 3D-Druckbeton wird von Heidelberg Materials geliefert. Es handele sich dabei um einen Hightech-Baustoff, der als mineralischer Baustoff zu 100 Prozent recycelbar sei. Darüber hinaus beinhalte dieser 3D-Druckbeton ein Bindemittel mit etwa 55 Prozent CO2-Reduktion gegenüber einem reinen Portlandzement. Aufgrund seiner Pumpbarkeit und seinen Extrusionseigenschaften eigne sich der Baustoff für den 3D-Druck. Gleichzeitig sei die Festigkeitsentwicklung des Materials so eingestellt, dass ein sehr gleichmäßiges Druckbild entstehe. Mit dem 3D-Druckbeton würden Bauteile mit einer hohen Formstabilität geschaffen.
Hintergrund 3D-Druck
- Das Bauprojekt in Lünen wird im Rahmen der Nordrhein-Westfalen-Initiative „Innovation in der Bauwirtschaft“ von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gefördert. Mit dem Haushalt 2020 wurde dieses Förderprogramm erstmalig aufgelegt. Zielsetzung des Programms ist es, im Bereich des Bauwesens Grundsteine für innovative Zukunftstechnologien zu legen und die technologischen und wirtschaftlichen Chancen weiterzuentwickeln. Für 2023 stehen landesweit 4,5 Millionen Euro für möglichst praxisorientierte Forschungsvorhaben, Wissenstransfers, Modellprojekte und innovative Bauverfahren zur Verfügung. Anträge zur Förderung können ganzjährig gestellt werden.
- Ziel des geförderten Projekts in Lünen ist es, praktische Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Errichtung eines Gebäudes mit dem 3D-Betondruckverfahren zu sammeln, die als Grundlage für die Planung und wirtschaftliche Betrachtung von Folgeprojekten dienen. Aus diesen Erfahrungen und Erkenntnissen sollen standardisierte Vorgehensweisen zum Beispiel für Genehmigungsverfahren, die Bauvorbereitung und die Bauausführung entwickelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Davon können zukünftig Planer, Fachfirmen, Bauherren und viele mehr profitieren.
- Wie funktioniert 3D-Druck beim Bauen? Meistens wird 3D-druckfähiger Mörtel oder Beton auf Zementbasis „gedruckt“. Dieses bedeutet, dass der Baustoff durch eine Düse in Schichten aufgetragen wird. Die Schichtdicken liegen im Zentimeter-Bereich. Der 3D-Drucker ist flexibel und schnell einsetzbar, sodass sich die erforderlichen Ressourcen verringern. Denn es müssen nicht mehr viele verschiedene Bauteile auf der Baustelle zu einem Wandelement zusammengebaut werden. Dieses ergibt eine Zeitersparnis und eine Verschlankung der Bauabläufe. Um die finanziellen und zeitlichen Vorteile zu evaluieren, sind Pilotprojekte notwendig.
Hintergrund Öffentliche Wohnraumförderung
- „Fördern, was Wohnungen schafft“: Dieses Ziel verfolgt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit der öffentlichen Wohnraumförderung. Für den Zeitraum von 2023 bis 2027 ist die öffentliche Wohnraumförderung durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit neun Milliarden Euro ausgestattet worden. Alleine 2023 werden 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um Menschen mit niedrigem Einkommen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
- Voraussetzung für die Anmietung einer Wohnung bei dem Bauprojekt in Lünen ist ein Wohnberechtigungsschein.
(Red.)
Thomas Engelbrecht
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