Status quo: Glasfaserausbau und Wohnungswirtschaft
Allein im ersten Halbjahr 2023 sollen laut der Gigabit-Studie des VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten) 2,1 Millionen Glasfaseranschlüsse bis zu den Gebäuden (FTTB = Fiber to the building) und bis in die Wohnungen (FTTH = Fiber to the home) gebaut worden sein. Insgesamt können damit in Deutschland über 15 Millionen Haushalte bereits theoretisch auf einen Glasfaseranschluss zugreifen.
Bei der Betrachtung von sogenannten „gigabitfähigen“ Anschlüssen sind es sogar bereits über 40 Millionen Haushalte, die solche Angebote wahrnehmen könnten. Hintergrund dieser enormen Zahlenexplosion und Versorgungsquote sind allerdings die Einbeziehung von aufgerüsteten Kabelanschlüssen, die als sogenannte HFC-Netze (Hybrid-Fiber-Coax) und dem Übertragungsstandard DOCSIS 3.1 (Data Over Cable Service Interface Specification) für mögliche Gigabitangebote sorgen.
Alles eine Mogelpackung?
Nicht unbedingt. Gerade im ländlichen Bereich entwickelt sich der Glasfaserausbau rasant – verspricht doch der dortige Mangel an breitbandigen Angeboten eine höhere Nachfrage und bessere Vermarktungsmöglichkeit als im städtischen Bereich. Tatsächlich kommt es teilweise in den Städten zur Überbauung bestehender koaxialer Infrastrukturen mit Glasfaser, sodass Mieter in diesen Liegenschaften die Qual der Wahl haben, welches Angebot sie für ihre breitbandige Versorgung annehmen wollen.
Bei genauer Betrachtung der Ausbauzahlen und der tatsächlichen Versorgung müsste diese Doppelversorgung abgezogen werden, sodass tatsächlich nur eine Million weiterer Haushalte auf die verbesserte Versorgung durch Glasfaser im ersten Halbjahr 2023 zugreifen konnte.
Viele Mieter halten an Kabel-TV fest
Dass sie es eben nur zu einem geringen Teil tun, ist ein Problem der Branche. Die geringen „Take-Up Rates“ dieser Anschlüsse haben viele Gründe.
Zum einen sind es die vorhandenen attraktiven Angebote der Kabelnetzbetreiber, die nach wie vor mit hohen Bandbreiten und günstigen Preisen locken, zum anderen der fehlende Ausbau in den Wohnungen. Häufig wird die Liegenschaft mit Glasfaser angeschlossen (Netzebene 3), aber die notwendige Installation einer Glasfaser-Hausverteilanlage (Netzebene 4) unterbleibt oder soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Kein Problem in einem Ein- oder Zweifamilienhaus, allerdings bei Mehrfamilien-Häusern ein erheblicher Aufwand, der Eigentümer oder Anbieter gleichermaßen belastet.
Glasfaserbereitstellungsentgelt floppt
Das in der TKG-Novelle als Lösung dieser Problematik angepriesene Glasfaserbereitstellungsentgelt (§72 TKG) zeigt sich als echter Rohrkrepierer. Zum einen aufgrund der monatlichen Kostenbelastung der Mieter mit fünf Euro für eine Zeitdauer von fünf Jahren, in Ausnahmefällen sogar neun Jahre. Zum anderen aufgrund der vielfältigen Voraussetzungen und Bedingungen, die diese Regelung vorgibt. Zum einen müssen auch Mieter, die keinen Glasfaseranschluss wünschen oder benötigen, das monatliche Bereitstellungsentgelt bezahlen. Zum anderen muss allen Programm-Anbietern ein unentgeltlicher Zugang zu diesem Netz gewährt werden.Das heißt, der Anbieter, der gemeinsam mit dem Wohnungsunternehmen die Installation des Hausnetzes vornimmt und das Glasfaserbereitstellungsentgelt als Vergütung erhält, muss die „Konkurrenz im eigenen Haus“ akzeptieren.Zudem sind die 300 Euro brutto in fünf Jahren bei der derzeitigen Wirtschaftslage kaum ausreichend zur Installation einer passiven Glasfaser-Infrastruktur. Bei höheren Beträgen greifen allerdings Transparenzvorgaben, die die Wohnungsunternehmen einer weiteren Belastung aussetzen würden.
Aktuell löst der Markt dieses Problem durch das Angebot der meisten Anbieter, die Glasfaseranschlüsse kostenfrei bereitzustellen. Allerdings beschäftigt viele Wohnungsunternehmen derzeit ein weiteres Phänomen – Mieter melden sich mit dem Wunsch, doch unbedingt einen Glasfaseranschluss haben zu wollen, verweisen auf bereits abgeschlossene Verträge und fügen ein Schreiben des Anbieters bei, doch bitte die Freigabe zur Installation des Anschlusses zu erteilen.
Doch Vorsicht, eine solche Freigabe kann sehr schnell zu einer dauerhaften, möglicherweise ungewollten langjährigen Bindung mit einem Anbieter führen, obwohl man eigentlich eine eigene zukunftsorientierte Versorgung der eigenen Liegenschaften beabsichtigt.
Duldungspflicht beim Gebäudeanschluss
Grundsätzlich gibt es eine Duldungspflicht für einen Hausanschluss (§ 134 TKG) für Netze mit sehr hoher Kapazität, zu denen natürlich auch Glasfasernetze gehören. Auch für die Querung von Grundstücken gibt es einen Duldungsanspruch für TK-Linien, die einer Drittversorgung dienen.Das heißt, einen Gebäudeanschluss zu verweigern ist kaum möglich und meistens auch nicht sinnvoll, allerdings muss nicht zwingend die Installation einer Glasfaser-Hausverteilanlage akzeptiert werden. Die von Mietern häufig vorgelegten „Gestattungsverträge“ beinhalten aber gleichermaßen Gebäudeanschluss als auch die Freigabe zur Installation eines Glasfaseranschlusses bis in die Wohnung des Mieters. Da allerdings die Duldungspflicht gegebenenfalls von mehreren Anbietern in Anspruch genommen wird, empfiehlt sich eine eigene Strategie mit einem Migrationsszenario zum Glasfaserausbau zu entwickeln, da absehbar ist, dass die Nachfrage nach Datenvolumen und Bandbreite weiterwachsen wird.
Rahmenverträge als Orientierungshilfe
Nachdem die Telekom lange Jahre auf verschiedene Brückentechnologien gesetzt hat,greift man jetzt ins Marktgeschehen ein. Ein Rahmenvertrag mit dem GdW soll helfen, bestimmte Parameter einer zukünftigen Glasfaserversorgung festzulegen. Das Angebot klingt erst einmal gut, aber wie immer liegt der Teufel im Detail.
Die Telekom hat sich bereit erklärt, jede Wohnung einer Liegenschaft kostenfrei mit vier Fasern auszustatten und nicht nur einzelne Teilnehmer anzuschließen. Dass der freie Zugang für dritte Anbieter gewährleistet werden soll, ist den regulatorischen Vorgaben geschuldet und nicht als Verhandlungsergebnis zu sehen. Auch die Bereitschaft, Wohnungsunternehmen an einer Wertschöpfung partizipieren zu lassen, liest sich gut, ist aber häufig aufgrund von steuerlichen Risiken nur für wenige Unternehmen interessant. Positiv zu bewerten ist, dass hier erste „Spielregeln“ für den Ausbau und Betrieb von Glasfasernetzen definiert wurden. Allerdings muss jedes Wohnungsunternehmen selbst entscheiden, welches spezifische Versorgungsszenario für die eigene Klientel sinnvoll ist.
Dietmar Schickel
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