Kosten der Verwaltung

Benachteiligung durch neue Kostenverteilung

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Bild: M. Eisinger
Bild: M. Eisinger

Die Versiebenfachung des Kostenanteils eines Eigentümers wahrt den Maßstab der Verteilungsgerechtigkeit in aller Regel nicht.

Amtsgericht Potsdam, Urteil vom 20. Oktober 2022 – 31 C 43/22

Problemstellung

§ 16 Abs. 2 S. 1 WEG sieht vor, dass die Kosten der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums jeder Wohnungseigentümer im Verhältnis seines Anteils zu tragen hat. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG erlaubt der Eigentümerversammlung, eine davon abweichende Kostenverteilung vorzunehmen. Der Gesetzgeber wollte den Wohnungseigentümergemeinschaften damit einen größeren Gestaltungsspielraum einräumen. Damit hat der Gesetzgeber den Wohnungseigentümern offenbar nicht nur einen Gefallen getan, weil damit auch missbräuchliche Gestaltungen möglich sind, wie die Entscheidung des Amtsgerichts Potsdam zeigt.

Die Entscheidung

Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus insgesamt 57 Einheiten. Die Gesamtfläche aller Sondereigentumseinheiten beträgt rund 5.900 Quadratmeter. Mindestens seit dem Jahr 2018 ist der Wohnungseigentümergemeinschaft bekannt, dass die Fenster saniert werden müssen. Die geplanten Kosten dafür liegen bei rund 250.000 Euro. Nach der ursprünglichen Gemeinschaftsordnung sollen Instandsetzungskosten nach der Fläche der jeweiligen Sondereigentumseinheiten umgelegt werden. Die Kläger sind Eigentümer der Dachgeschosswohnung mit 74,54 Quadratmeter. Würden die Kosten so verteilt, wie in der Teilungserklärung vorgesehen, entfielen auf die Kläger Kosten in Höhe von rund 3.150 Euro. Die Dachgeschosswohnung weist erheblich mehr Fenster auf als vergleichbare Etagenwohnungen. Das ergibt sich vor allen Dingen aus der Zahl der Gauben- und Dachflächenfenster.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss in einer Versammlung im April 2022, die Kosten der Fenstersanierung nach einem anderen Maßstab zu verteilen. Die Kosten sollten nach der Zahl und der Art der Fenster verteilt werden, weil die Art der Fenster auch zu unterschiedlichen Sanierungskosten führt. Bei einer Kostenverteilung nach diesem Maßstab entfielen auf die Kläger Sanierungskosten in Höhe von rund 22.000 Euro. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Beschlussanfechtungsklage. Das Amtsgericht gab den Klägern recht und erklärte den Beschluss für unwirksam.

Nach § 18 Abs. 2 WEG hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Ordnungsmäßig ist die Verwaltung dann, wenn sie dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.

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Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes vom 1. Dezember 2020 hat der Gesetzgeber auch § 16 Abs. 2 geändert mit dem ausdrücklichen Ziel, den Wohnungseigentümergemeinschaften einen größeren Spielraum bei der Verteilung von Verwaltungs- und Instandsetzungskosten einzuräumen. Eine vom gesetzlichen Maßstab – Verteilung nach Miteigentumsanteilen – abweichende Regelung sollte ausdrücklich für die Verteilung von Sanierungskosten von Fenstern möglich sein. Bei einem vom gesetzlichen Kostenmaßstab abweichenden Maßstab sind allerdings drei Dinge zu beachten. Zum einen der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind („pacta sund servanda“). Auch eine Teilungsvereinbarung ist letztlich nichts anderes als ein Vertrag mit vielen Parteien. Die Parteien verlassen sich auf den Inhalt des Vertrages. Eine einseitige Änderung des Vertrages ist deshalb grundsätzlich in erhöhtem Maße begründungsbedürftig. In die gleiche Richtung geht der Gedanke der Maßstabskontinuität. Der Maßstab, nach dem innerhalb einer Gemeinschaft Kosten verteilt werden, muss kalkulierbar bleiben. Schließlich geht es um Verteilungsgerechtigkeit. Kosten und Nutzen müssen angemessen im Gleichgewicht sein. Das Argument der Verteilungsgerechtigkeit lässt sich hier noch am ehesten für den angegriffenen Beschluss anführen. Immerhin hat die klägerische Wohnung mehr Fenster als die übrigen Wohnungen, sodass die Kläger grundsätzlich von einer Sanierung auch in höherem Maße profitieren. Allerdings ist die Sanierungsbedürftigkeit der Fenster bereits seit 2018 bekannt, also bereits zu einem Zeitpunkt, als ein solcher Kostenbeschluss noch gar nicht möglich gewesen wäre und alle Wohnungseigentümer nach ihrem Anteil an der Wohnungsfläche hätten beteiligt werden müssen. Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, und die Maßstabskontinuität sprechen allerdings deutlich gegen den angegriffenen Beschluss. Die ursprüngliche Teilungserklärung sah eine Verteilung nach Anteilen vor. Eine sachliche Begründung für eine abweichende Kostenverteilung außer dem Grund, dass die Kostenverteilung dann zulasten der Dachgeschosswohnungen ausfällt, ist nicht zu erkennen. Eine Kostenverschiebung, die kein anderes Ziel hat, als die Minderheit gegenüber der Mehrheit zu benachteiligen, widerspricht allen drei angeführten Grundsätzen.

Konsequenzen

Der hier angegriffene Beschluss zeigt nicht nur, dass bei der Kostenverteilung innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft Sorgfalt geboten ist. Er zeigt vielleicht auch, dass gerade die Grundidee, die auch der Gesetzgeber als Motiv für eine größere Gestaltungsfreiheit bei der Kostenverteilung anführt, nämlich die Sanierungskosten von Fenstern, im Grunde der Idee der Wohnungseigentümergemeinschaft widerspricht. Die Fenster sind wie alle Teile, die das äußere Erscheinungsbild prägen, zwingend Gemeinschaftseigentum. Für das Gemeinschaftseigentum muss aber die Gemeinschaft einstehen, weshalb eigentlich nur eine Aufteilung der Kosten nach Eigentumsanteilen in Betracht kommt. Wollte man die Idee der hier betroffenen Wohnungseigentümergemeinschaft weiterverfolgen, müssen die Eigentümer der Erdgeschosswohnungen die Kosten einer eventuellen Kellersanierung alleine tragen, weil sie am ehesten Vorteile davon haben. Das wird im Ergebnis nicht richtig sein.

Praxistipp

Das Motiv (der Mehrheit) der Wohnungseigentümer ist klar: Jeder will für sich Kosten vermeiden, durch die er nicht unmittelbar Vorteile erlangt. Dieser konfliktträchtigen Situation lässt sich entgegenwirken, indem frühzeitig und noch ohne konkreten Anlass eine Instandhaltungsrücklage in ausreichender Höhe gebildet wird.JM

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