Miet Nutzungsrecht

Räumungsfrist kann verkürzt werden

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Bild: weerachai/stock.adobe.com
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Zahlt der Mieter (auch) die Nutzungsentschädigung nicht, kann die Räumungsfrist gerichtlich verkürzt werden.

Amtsgericht Wedding, Beschluss vom 4. August 2022 – 19 b C 98/20

Problemstellung

In einem Urteil, das den Mieter zur Räumung der Wohnung verpflichtet, kann das Gericht dem Mieter nach § 721 ZPO eine Räumungsfrist einräumen. Angesichts der in vielen Städten angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt sind die Gerichte bei der Bemessung der Frist recht großzügig. Damit stellt sich die Frage, ob ein weiterhin rechtswidriges Verhalten des Mieters eine Verkürzung der Räumungsfrist rechtfertigen kann, immerhin ist das wechselseitige Pflichten begründende Mietverhältnis beendet.

Die Entscheidung

Die Mieter hatten von dem Vermieter in Berlin eine Wohnung gemietet. Auf eine Klage des Vermieters hin waren sie mit Urteil vom 29. April 2021 zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt worden. Den genauen Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses nennt das Amtsgericht in seinem Beschluss zur Vollstreckung dieses Urteils nicht. Das Räumungsurteil ist aber rechtskräftig geworden. In diesem Urteil hatte das Gericht den Mietern eine Räumungsfrist bis zum 30. Juni 2022 gewährt, ihnen also einen Aufschub von rund 13 Monaten eingeräumt. Der Grund für diese recht lange Räumungsfrist war der angespannte Wohnungsmarkt in Berlin. Mit Beschluss vom 16. März 2022 hatte das Landgericht diese Frist noch einmal nicht unerheblich verlängert.

Die ursprüngliche Miete für die Wohnung lag bei 1078,25 Euro. Seit dem Dezember 2021 zahlten die Schuldner die Nutzungsentschädigung nur teilweise und für die Monate Juni und Juli 2022 gar nicht mehr.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts stand eine Nutzungsentschädigung in Höhe von rund 3.500 Euro offen. Die Mieter beriefen sich darauf, sie seien zu einer Minderung der Nutzungsentschädigung berechtigt, weil im Mai 2022 die Heizung teilweise ausgefallen sei. Der Vermieter beantragte daraufhin, nach § 721 Abs. 3 ZPO die Räumungsfrist zu verkürzen. Das Amtsgericht gab diesem Antrag statt und verkürzte die Räumungsfrist nunmehr bis zum 15. August 2022.

Grade bei oft langjährigen Gewerbemietverhältnissen ist es wichtig den Zustand der Mietsache bei der Übergabe an den Mieter und der Rückgabe an den Vermieter genauestens zu dokumentieren. Ein umfangreiches Protokoll hilft nicht nur häufig Streitigkeiten von vorn...

Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Mieter nach § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, die vereinbarte Miete als Nutzungsentschädigung zu zahlen, wenn er bei Ende des Mietverhältnisses die Mietsache nicht zurückgibt. Auf eine Minderung der Miete wegen Mängeln an der Wohnung können sich die Mieter nicht berufen. Nach Ablauf der Heizungsperiode im Mai eines Jahres ist von vornherein zweifelhaft, ob ein Ausfall der Heizung tatsächlich noch eine Mietminderung begründen kann. Aber auch grundsätzlich können sich Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr auf eine Mietminderung berufen. Nach § 536 Abs. 1 BGB mindert sich die Miete automatisch, wenn die Mietsache während der Mietdauer einen Mangel aufweist. Die Minderung der Miete tritt von Gesetzes wegen ein. Der Mieter muss sie nicht verlangen, der Vermieter muss einer Minderung auch nicht zustimmen. Wegen dieses Automatismus ist – wenn denn ein Mangel vorliegt – die geminderte Miete die „vereinbarte“ Miete.

Nach § 546 a Abs. 1 BGB muss der Mieter, der die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete zahlen. Das ist die zuletzt bei Beendigung des Mietverhältnisses vereinbarte Miete, also unter Umständen eine bereits geminderte Miete. Nach Beendigung des Mietverhältnisses verändert sich diese vereinbarte Miete aber nicht mehr, auch nicht bei Vorliegen von Mängeln. Eine Minderung der Miete setzt spiegelbildlich voraus, dass der Vermieter zur Mängelbeseitigung, also zur Instandsetzung der Mietsache, verpflichtet ist, wie das in § 535 Abs. 1 BGB beschrieben ist. Nach Ende des Mietverhältnisses gibt es aber keine wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen mehr, also auch keine Verpflichtung des Vermieters zur Instandsetzung. Infolgedessen kann sich der Mieter auch nicht mehr auf einen Mangel der Mietsache berufen. Das hat der BGH bereits 1960 entschieden und in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 27. Mai 2015 – XII ZR 66/13) bestätigt. Zudem würde andernfalls für den Mieter ein falsches Signal gesetzt. Die nach Beendigung des Mietverhältnisses gewährte Räumungsfrist ist eben nicht das Gleiche wie eine Fortsetzung des Mietverhältnisses. Vielmehr soll der Mieter gerade dadurch, dass sich das Verhältnis von Rechten und Pflichten zu seinen Lasten verschiebt, gedrängt werden, die Mietsache (endlich) an den Vermieter zurückzugeben.

Konsequenzen

Der Beschluss verdeutlicht, dass die Gewährung einer Räumungsfrist nur die Umsetzung eines gewissen sozialen Mindestschutzes bedeutet, nicht aber eine Fortsetzung des Mietverhältnisses durch die Hintertür. Dementsprechend kann sich der Mieter nicht auf Mängel der Mietsache zur Herabsetzung der Nutzungsentschädigung berufen. Vielmehr muss der Mieter sich um neuen Mietraum bemühen. Auch das hatten die Mieter in diesem Fall unterlassen. Jedenfalls konnten sie dem Gericht auf Nachfrage auch nach rund einem Jahr nicht darlegen, welche konkreten Bemühungen sie unternommen hätten. Auch das verkürzt im Ergebnis die soziale Schutzbedürftigkeit.

Praxistipp

Vielleicht nicht rechtlich, aber rein tatsächlich war für das Gericht von erheblicher Bedeutung, dass die Mieter in der ihnen doch recht großzügig eingeräumten Räumungsfrist offensichtlich keinerlei Bemühungen unternommen hatten, eine Alternative zu der bisherigen Wohnung zu finden. Als Vermieter, der vor der Situation steht, eine Verkürzung der Räumungsfrist beantragen zu wollen oder aber sich zumindest gegen einen Verlängerungsantrag verteidigen will, sollte man daher rein vorsichtshalber Mietangebote sammeln, die für die Räumungsschuldner zumindest prinzipiell in Betracht gekommen wären. Damit lässt sich vor allen Dingen das Argument des angespannten Wohnungsmarktes widerlegen.JM

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