Gewährleistungsausschluss bei Neubauten

Von einer eingehenden Erörterung und ausführlichen Belehrung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sich der Notar davon überzeugt hat, dass sich der Erwerber über die Tragweite des Haftungsausschlusses und das damit verbundene Risiko vollständig im Klaren ist und den Ausschluss dennoch ernsthaft will.
In der vorliegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) (1) bestätigte dieser seine gefestigte Rechtsprechung und nennt die Voraussetzungen für einen wirksamen Ausschluss der Gewährleistungsrechte des Käufers. Angesichts der Vielzahl der möglichen Klauseln im Individualvertrag macht dieser Fall deutlich, welchen Ausnahmecharakter der Ausschluss der Gewährleistungsrechte hat.

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Zum Sachverhalt
Die Klägerin (Käuferin) nimmt die Beklagten (Verkäufer) wegen Mängeln an dem von ihr erworbenen Anwesen als Gesamtschuldner auf Schadensersatz, hilfsweise Minderung, in Anspruch. Mit notariellem Vertrag vom September 2000 erwarb sie von den Beklagten ein Einfamilienhaus („I“) mit Nebengebäude („II“) zum Preis von 450.000 DM. Die Beklagten hatten das Einfamilienhaus mit Ausnahme des Daches in Eigenleistung teilsaniert. Sie hatten unter anderem die Bodenplatte, die Zwischendecke zum Obergeschoss, sämtliche Zwischenwände einschließlich der Wandverkleidung und die Versorgungsleitungen erneuert. Die von den Beklagten eingeschaltete Maklerin hatte zu diesem Anwesen ein Kurzexposé mit einer Baubeschreibung verfasst, das der Klägerin zugeleitet wurde. Darin sind die von den Beklagten im Zeitraum ab 1997 erbrachten Leistungen im Einzelnen aufgeführt. Die Sanierung und Renovierung der Erdgeschossräume wird als abgeschlossen angegeben. Darüber hinaus ist ausgeführt, welche Leistungen in dem auch von der Klägerin als sanierungsbedürftig erkannten Dachgeschoss ausgeführt werden müssen. Der Umbau des Nebengebäudes zu Wohnzwecken wird als möglich bezeichnet. Der notarielle Erwerbsvertrag, der auf das Kurzexposé mit der Baubeschreibung nicht Bezug nimmt, enthält unter Nr. 7 bezüglich der Gewährleistung u.a. folgende Regelungen:
„7.1
Der Kaufgegenstand wird verkauft in dem Zustand, in dem er sich am heutigen Tag befindet. Für die Größe des Grundstücks übernimmt der Verkäufer keine Gewähr. Er haftet auch nicht für offene oder versteckte Sachmängel, es sei denn, dass er solche dem Käufer arglistig verschwiegen hat. Der Verkäufer erklärt, dass ihm nichts darüber bekannt ist, dass zur Sanierung des Gebäudes I der Anlage 1 gesundheitsgefährdende Materialien, wie z.B. Formaldehyd, verwandt worden sind. Der Verkäufer tritt dem Käufer etwaige Gewährleistungsansprüche gegenüber Dritten ab, ohne Gewähr für Bestand und Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche.“

Die Klägerin wurde im Dezember 2000 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Nach Vertragsschluss stellte sich heraus, dass die von den Beklagten vorgenommenen Sanierungsarbeiten mangelhaft ausgeführt waren. Infolge eines Sturmschadens drang Feuchtigkeit durch das ungeschützte, sanierungsbedürftige Dach in die Räume des Einfamilienhauses ein. Das Gebäude musste nachfolgend aufgrund einer Ordnungsverfügung des Bauaufsichtsamtes abgerissen werden.

Die Klägerin wirft den Beklagten vor, die Mängel ihrer in Eigenleistung ausgeführten Sanierungsarbeiten arglistig verschwiegen und den Umbau des Nebengebäudes zu Wohnzwecken vorgetäuscht zu haben. Sie verlangt Zahlung bezifferten Schadensersatzes sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens verpflichtet sind.

Entscheidung
Das Landgericht Düsseldorf (2) hat die Klage abgewiesen. Auch das OLG Düsseldorf (3) wies die Berufung der Klägerin zurück. Der BGH urteilte, dass die Revision der Klägerin Erfolg hat. Dies führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.Begründung des BGHDie Entscheidung des BGH befasst sich mit drei Aspekten, die nachfolgend dargestellt werden.

1. Anwendung von Werkvertragsrecht

Beim Erwerb von Altbauten ist Werkvertragsrecht anwendbar, wenn der Erwerb des Grundstücks mit einer Herstellungsverpflichtung verbunden ist. Übernimmt der Veräußerer vertraglich Bauleistungen, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung neuen Bauarbeiten vergleichbar sind, haftet er nicht nur für die ausgeführten Umbauarbeiten, sondern auch für die in diesem Bereich vorhandene Altbausubstanz. Ohne Bedeutung ist es hierbei, ob die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet haben. Dies gilt auch dann, wenn die vom Veräußerer übernommenen Arbeiten vor Vertragsschluss bereits ausgeführt wurden. Unerheblich ist auch, ob bei der Ausführung der Arbeiten bereits die Absicht bestand, das Objekt zu veräußern.

2. Haftung nach Beschaffenheitsvereinbarung

Der BGH urteilte, dass nach diesen Grundsätzen die Beklagten nach Werkvertragsrecht für die Mängel haften, die das Gebäude I nach der maßgeblichen Beschaffenheitsvereinbarung aufweist. Für die vertraglichen Pflichten der Beklagten ist das der Klägerin zugeleitete Kurzexposé mit der beiliegenden Baubeschreibung entscheidend, das Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags geworden ist. Dem steht nicht entgegen, dass dieses Kurzexposé mit der Baubeschreibung nicht mitbeurkundet worden ist und sich die Herstellungsverpflichtung der Beklagten damit nicht unmittelbar aus dem notariellen Erwerbsvertrag ergibt. In der dem Exposé beiliegenden Baubeschreibung wurde zunächst aufgeführt, welche Baumaßnahmen die Beklagten zur Sanierung des Altbaus bereits durchgeführt hatten. Danach wurde das Haus nach kompletter Entkernung vollständig neu aufgebaut und im Obergeschoss teilsaniert. Unter anderem wurde eine neue Bodenplatte gegossen, eine neue Holzzwischendecke zum Obergeschoss installiert und eine dahinführende Treppe montiert. Im Erdgeschoss wurden Elektroleitungen, Wasser- und Heizungsrohre, Abwasserleitungen, Telefon-, Lautsprecher-, Antennen- und Datenleitungen unter Putz verlegt und zum Obergeschoss geführt.Sodann wurden die Arbeiten aufgeführt, die zur vollständigen Sanierung des Gebäudes noch ausstanden. Hierzu gehörte insbesondere die Montage eines neuen Dachstuhls, die Dacheindeckung erneuern, Isolieren und Verkleiden der Dachstuhlinnenseite, sowie Elektro- und Sanitärinstallationen im Obergeschoss. Diese Arbeiten sollten nicht von den Beklagten geschuldet sein, sondern von der Klägerin übernommen werden.Der BGH urteilte weiter, dass die von den Beklagten ausgeführten Arbeiten in ihrem Umfang und ihrer Bedeutung ein derart prägendes Gewicht hätten, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, Vertragsgegenstand sei, soweit es um das Gebäude I geht, ein Objekt, das durch eine umfassende, einer Neuherstellung gleichkommende Sanierung gekennzeichnet ist. Für welche werkvertraglichen Verpflichtungen die Beklagten im Einzelnen einzustehen haben, richtet sich nach der Beschaffenheitsvereinbarung, die die in der Baubeschreibung als noch ausstehend bezeichneten Sanierungsarbeiten ausnimmt. Soweit Mängel darauf beruhten, dass Letztere nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurden, besteht keine Gewährleistungspflicht der Beklagten. Im Übrigen haftet sie nach Werkvertragsrecht für die Baumängel, die das Gebäude I aufweist.

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3. Kein wirksamer Ausschluss der Gewährleistung

Der BGH entschied, dass die Parteien die werkvertragliche Haftung für die Mängel des Gebäudes I in Nr. 7.1 des notariellen Vertrags nicht wirksam ausgeschlossen haben. Dabei ist von einem Individualvertrag auszugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein formelhafter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb neu errichteter oder so zu behandelnder Häuser auch in einem notariellen Individualvertrag gemäß § 242 BGB unwirksam, wenn die Freizeichnung nicht mit dem Erwerber unter ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend erörtert worden ist. Die einschneidenden Rechtsfolgen des Gewährleistungsausschlusses wurden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Rahmen der notariellen Beurkundung des Erwerbsvertrags zwischen den Parteien nicht eingehend erörtert. Eine ausführliche Belehrung der Klägerin durch den Notar hat nicht stattgefunden. Von einer eingehenden Erörterung und ausführlichen Belehrung der Klägerin konnte auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden. Eine derartige Ausnahme kann nur unter solchen Umständen in Betracht kommen, unter denen ein beurkundender Notar unter Beachtung seiner Pflichten aus § 17 BeurkG auf eine Belehrung der Parteien verzichten kann. Dies ist der Fall, wenn sich der Notar davon überzeugt hat, dass sich die Beteiligten über die Tragweite ihrer Erklärungen und das damit verbundene Risiko vollständig im Klaren sind und dennoch die konkrete Vertragsgestaltung ernsthaft wollen. Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Klägerin war dadurch, dass der Notar bei der Verlesung der Ausschlussklausel „innegehalten“ und nachgefragt hat, ob sie das Objekt persönlich besichtigt und begutachtet hatte, nicht auf die besondere Problematik der Freizeichnungsklausel aufmerksam gemacht worden. Nicht ausreichend ist auch die bloße Tatsache, dass der Klägerin von ihrer Ausbildung her die grundsätzliche Bedeutung eines Haftungsausschlusses für Mängel bekannt gewesen ist und die Freizeichnungsklausel nicht unverständlich abgefasst war. Dass der Klägerin die volle Tragweite des Haftungsausschlusses bewusst gewesen ist, ließ sich auch nicht daraus folgern, dass sie auf einer besonderen Regelung betreffend der Verwendung gesundheitsgefährdender Materialien und auf der Abtretung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber Dritten bestanden hat.

Fazit
Es bleibt festzuhalten: Gewährleistungsansprüche können beim Neubau wirksam ausgeschlossen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass der Erwerber vom Notar hierüber ausführlich belehrt wurde und mit ihm die entscheidenden Rechtsfolgen erörtert wurden. Davon kann nur in engen Ausnahmefällen abgewichen werden.Ein möglicher Anreiz für den Erwerber, auf die Gewährleistungsansprüche zu verzichten, könnte eine nicht unerhebliche Kaufpreisreduzierung darstellen. Für den Bauträger könnte dies kostenneutral erfolgen, wenn er diese Regelung auch mit den ausführenden Firmen trifft. Für die Baufirma hätte dies den Vorteil, dass sie während der 5-jährigen Gewährleistungsfrist nicht mit weiteren Kosten rechnen müsste.

Fußnoten:
(1) Urteil vom 08.03.2007 (Az. VII ZR 130/05); Auf das Schuldverhältnis der Parteien sind die bis zum 31.12.2001 geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
(2) Landgericht Düsseldorf, Entscheidung vom 28.09.2004 (Az. 6 O 598/03).
(3) Oberlandesgericht Düsseldorf, Entscheidung vom 09.05.2005 (Az. I-9 U 179/04).

Redaktion (allg.)

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