Entbehrliche Fristsetzung bei Nacherfüllung
Aus dem Tatbestand
Zwischen den Parteien bestand seit August 2009 ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem 2-Familien-Haus. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis ordentlich nach § 573a BGB. Nach dieser Vorschrift lässt sich ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen auch ohne das ansonsten erforderliche berechtigte Interesse kündigen. Der Vermieter klagte auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Nach rechtskräftiger Verurteilung gab der Mieter die Wohnung Mitte Oktober 2010 zurück. Nach Auszug des Mieters stellte der Vermieter eine Reihe von nicht unerheblichen Schäden in der Wohnung fest. So waren Bodenfliesen im Esszimmer gebrochen, im Schloss der Balkontür war ein Schlüssel abgebrochen, auf dem Balkon musste der Fliesenbelag erneuert werden etc. Insgesamt machte der Vermieter einen Schaden von rund 8.400 € geltend und erhob nach Zahlungsverweigerung Klage. Er hatte den Mieter nicht zuvor unter Fristsetzung zur Schadensbeseitigung aufgefordert.
Aus den Entscheidungsgründen
Das Gericht verurteilte den Mieter zur Zahlung, wenn auch nicht in voller Höhe. Der beklagte Mieter berief sich erfolglos auf die fehlende Fristsetzung. Ob es einer solchen bedarf, hängt davon ab, worin man das schädigende Verhalten des Mieters sieht. Nach § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Hiervon ausgehend, erbringt er, wenn er eine beschädigte statt einer vertragsgemäßen Wohnung zurückgibt, nicht die von ihm geforderte Leistung. Nach § 281 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger in diesem Fall Schadensersatz verlangen. Voraussetzung ist aber, dass er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat.
Nach § 241 Abs. 2 gehört zu den Pflichten aus einem Schuldverhältnis, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils zu nehmen. Beschädigt der Mieter die Wohnung über das Maß hinaus, das mit der vertragsgemäßen Nutzung verbunden ist, verletzt er das Integritätsinteresse des Vermieters. Es geht also nicht um die ordnungsgemäße Erfüllung einer Vertragspflicht, sondern um die Verletzung von Rechten des Vertragspartners. Das führt zur Grundnorm des § 280 BGB. Danach hat der Gläubiger Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Soweit es also nicht gerade um die primären wechselseitigen Leistungspflichten aus dem Schuldverhältnis geht, ist eine Fristsetzung gerade nicht erforderlich.
Diesen zweiten Begründungsweg hält das Gericht für zutreffend. Es kann sich dabei auf die neuere Rechtsprechung des BGH zur Durchführung von Schönheitsreparaturen stützen. Der BGH hat etwa im Urteil vom 6. November 2013 (VIII ZR 416/12) einen Schadensersatzanspruch des Vermieters auf die §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB gestützt. In dem Fall hatte der Mieter eine Wohnung mit weiß gestrichenen Wänden übernommen, einzelne Wände in rot und blau angestrichen und sie so bei Ende des Mietverhältnisses zurückgegeben. Der Mieter hat hier die Schönheitsreparaturen an sich ordnungsgemäß ausgeführt, dabei aber die legitimen Interessen seines Vertragspartners missachtet.
Auch im vorliegenden Fall geht es um die Folgen von über die vertragsgemäße Nutzung hinausgehendem Mieterverhaltens. Das aber ist der Bereich des § 280 BGB, so dass für eine Schadensersatzpflicht eine Nachfristsetzung entbehrlich ist.
Die Entscheidung ist konsequent. Es besteht Einigkeit darüber, dass es im Bereich der wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis nach § 281 BGB stets einer Leistungsaufforderung mit Fristsetzung bedarf, um Schadensersatzansprüche zu begründen. Letztlich geht es hierbei um Ansprüche auf Ersatz eines Verzugsschadens. Verzug tritt aber nur nach Mahnung ein. Der hier entschiedene Fall betraf gerade nicht eine wechselseitige Leistungsverpflichtung aus dem Mietverhältnis. Die Pflicht des Mieters, das Eigentum des Vermieters nicht über den vertragsgemäßen Gebrauch hinaus zu schädigen, steht nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Mietzahlung. Deshalb greift § 280 BGB, der keine Fristsetzung voraussetzt.
Die Entscheidung führt auch zu einem Gleichklang der vertraglichen und der deliktischen Haftung. Wegen der Beschädigung des Eigentums steht dem Vermieter auch ein Anspruch aus Delikt nach § 823 Abs. 1 BGB zu. Ein solcher Anspruch ist von einer Nachfristsetzung unabhängig.
(Kommentiert von RA Dr. Jonas Müller, wronna+partner.gbr, Hannover)
Gericht: LG Saarbrücken
Aktenzeichen: 10 S 16/14
Urteil vom: 21.11.2014
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