Integration einer Einliegerwohnung

Ein Wohnhaus, in dem sich neben je einer Wohnung im Erdgeschoss und im Obergeschoss eine selbständig als Wohnung nutzbare Einliegerwohnung im Untergeschoss befindet, ist auch dann kein "Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen" im Sinne des § 573a Abs. 1 BGB, wenn der Vermieter neben der Erdgeschosswohnung auch die Einliegerwohnung nutzt.

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Bild: Hans12/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2006 Eigentümerin eines Wohnhauses in F. . Die Beklagten bewohnen den ersten Stock des Gebäudes aufgrund eines im März 2004 mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin geschlossenen Mietvertrages. Im ersten Halbjahr 2004 waren die Wohnungen im Erdgeschoss und im ersten Stock des Hauses sowie ein Raum im Keller des Hauses mit Bad/Dusche und einer Küchenzeile vermietet. Nach Erwerb des Hauses im Jahr 2006 bezogen die Klägerin und ihr Ehemann die Wohnung im Erdgeschoss; den ausgebauten Kellerraum nutzen sie seither als Besucherzimmer, Arbeitszimmer und Bügelraum.
Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit den Beklagten gemäß § 573a Abs. 1 BGB mit Schreiben vom 24. Mai und 29. Juni 2007 sowie 2. Oktober 2008. Das Amtsgericht hat die unter anderem auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.
II. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die auf § 573a Abs. 1 BGB gestützte Kündigung der Klägerin hat das Mietverhältnis der Parteien allerdings schon deshalb nicht beendet, weil die Voraussetzungen einer Kündigung nach dieser Vorschrift weder zu Beginn des Mietverhältnisses mit den Beklagten noch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung erfüllt waren. Der Klägerin steht daher kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zu.

1. Ein Mietverhältnis über Wohnraum kann grundsätzlich nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eines berechtigten Interesses bedarf es nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB ausnahmsweise nicht, wenn ein Mietverhältnis über Wohnraum in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen gekündigt wird. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vor, denn in dem Wohnhaus der Klägerin befinden sich seit Beginn des Mietverhältnisses mit den Beklagten unverändert drei Wohnungen.
a) Für die Beurteilung, ob in einem Gebäude mehr als zwei Wohnungen vorhanden sind, ist die Verkehrsanschauung maßgebend (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - VIII ZR 307/07); auf eine eventuelle baurechtswidrige Errichtung kommt es danach schon deshalb nicht an, weil trotz Baurechtswidrigkeit eine tatsächliche Wohnnutzung erfolgen kann. Unter einer Wohnung wird gemeinhin ein selbständiger, räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Bereich verstanden, der eine eigenständige Haushaltsführung ermöglicht
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllen die Räumlichkeiten im Keller des Wohnhauses der Klägerin diese Anforderungen, denn neben einem 42 qm großen Wohn-/Schlafraum verfügen sie über eine Küchenzeile und ein Tageslichtbad mit Toilette. Dass sich die Ausstattung der Kelleräume oder die baulichen Gegebenheiten in der Folgezeit so verändert hätten, dass eine eigenständige Wohnnutzung dort nicht mehr möglich wäre, ist nicht festgestellt; die Revision zeigt übergangenen Sachvortrag der Klägerin hierzu nicht auf.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat sich die Tatsache der Existenz von drei Wohnungen in dem Wohnhaus der Klägerin nicht dadurch geändert, dass die Klägerin die im Keller befindlichen Räume in ihren Wohnbereich integriert hat, indem sie die Einliegerwohnung seit dem Erwerb des Hauses im Jahr 2006 als Besucherzimmer/Bügelzimmer/Arbeitszimmer nutzt. Denn durch diese Erweiterung des Wohnbereichs der Klägerin hat sich der einmal gegebene Wohnungsbestand nicht reduziert.
Das Berufungsgericht stützt sich zur Begründung seiner abweichenden Auffassung zu Unrecht auf das Senatsurteil vom 25. Juni 2008 (VIII ZR 307/07, aaO). Die in dieser Entscheidung vom Senat gebilligte tatrichterliche Beurteilung, die Aufteilung einander ergänzender Räume auf zwei Stockwerke hindere nicht die Annahme einer (einzigen) Wohnung (aaO Rn. 20), beruhte auf anderen tatsächlichen Gegebenheiten. Die betreffenden Räume im Dachgeschoss jenes Gebäudes stellten - anders als die Einliegerwohnung im Haus der Klägerin - keine eigenständige Wohnung dar.

3. Da die Einliegerwohnung vom Einzug der Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung eine eigenständige Wohnung war, waren die Voraussetzungen einer erleichterten Kündigung nach § 573a Abs. 1 BGB zu keiner Zeit erfüllt. Daher bedarf die in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstrittene Frage, ob es hinsichtlich des Wohnungsbestandes auf den Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses oder den Zeitpunkt der Kündigung ankommt, keiner Entscheidung.

Gericht: BGH
Aktenzeichen: VIII ZR 90/10
Urteil vom: 17.11.2010

Redaktion (allg.)

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