Trampeln erlaubt?

"Wer im hellhörigen Mietshaus wohnt, kann die über ihm wohnenden Nachbarn oder den Vermieter nicht zum Verlegen eines Teppichbodens zwingen. Geräusche wie das Herumgehen in Straßenschuhen, nächtliches Babygeschrei oder gelegentliches Trampeln von Kindern gehören nach Auskunft der LBS zum normalen Leben im Wohnhaus und erfordern keinen besonderen Schallschutz. Im Streitfall forderten die Unter-Mieter, einen Umbau (Teppichboden entfernt, Holzdielen eingebaut) rückgängig zu machen - ohne Erfolg. Gegenüber dem Vermieter käme allenfalls ein "Mangel der Mietsache" infrage."
 

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Bild: M. Eisinger
Bild: M. Eisinger

Aus den Entscheidungsgründen

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das landgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel. von einer Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 539 ZPO) sieht der Senat jedoch ab, da die Klage ohne weitere Beweiserhebungen abzuweisen ist (§ 540 ZPO).

I. Das Landgericht hat der Klage aus §§ 858 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB entsprochen, ohne Feststellungen dazu zu treffen, ob die von der Wohnung des Beklagten ausgehenden Geräusche die Benutzung der Wohnung der Kläger wesentlich beeinträchtigen. Maßgebend für die wertende Beurteilung der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind alle Umstände des Einzelfalles, die das Gericht in der Regel dazu zwingen, sich über einen Ortstermin einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.

Die Lästigkeit von Geräuschen hängt von einer Reihe von Umständen ab, für die es auf das eigene Empfinden des Tatrichters ankommt (vgl. BGHZ 79, 45, 51; BGH NJW 1992, 2019). Deshalb ist das Gericht - gerade in Grenzbereichen - gehalten, sich durch einen Ortstermin einen eigenen Eindruck von Art und Intensität des Lärms zu verschaffen (BGH NJW 1993, 1656, 1658).

Diese Feststellungen waren - ausgehend von der Rechtsansicht des Landgerichts - unverzichtbar. Die Kläger haben nicht etwa behauptet, die Beeinträchtigungen beruhten auf - nur schwer rekonstruierbarem - rücksichtslosem, lärmintensivem Verhalten des Beklagten. Sie fühlen sich vielmehr durch die normale Wohnnutzung, zu der auch das Begehen der Wohnung mit Straßenschuhen, Kleinkindergeschrei und gelegentliches Kindergetrampel gehören, gestört.

Da Mieter in einem größeren Miethaus Lärmeinwirkungen hinnehmen müssen, wie sie in einem Haus mit mehreren Mietparteien unvermeidbar sind (BGH NJW 1958, 1776), hätte es angesichts des Bestreitens des Beklagten konkreter, durch Ortsbesichtigung
zu treffender Feststellung bedurft, daß die Lärmeinwirkungen das Maß des noch Hinnehmbaren überschreiten, Von einer Ortsbesichtigung durfte das Landgericht auch nicht im Hinblick auf das Urteil derselben Kammer vom 8. Juli 1993 (3 O 109/91) absehen. Zum einen ist dieses Urteil nicht rechtskräftig geworden, sondern die Klage vom Senat - wenn auch aus erst in der Berufungsinstanz vorgetragenen Gründen - abgewiesen worden. Damit gab es entgegen der Auffassung des Landgerichts
aufgrund der früheren Entscheidung keinerlei bindende Feststellungen, auf die das Landgericht seine jetzige Entscheidung hätte stützen können.

II. Die Klage ist unbegründet; die Kläger hatten gegen den Beklagten keinen Anspruch darauf, daß dieser seine Wohnung mit Teppichboden auslegt. Demzufolge können sie auch keine Rechte daraus herleiten, daß der Beklagte den seinerzeit freiwillig verlegten, inzwischen aber entfernten Teppichboden durch einen neuen Textilbelag - zudem noch mit einer bestimmten Schallschutzeigenschaft - ersetzt. Zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, daß die Kläger als Mieter gegen den Beklagten als weiteren Mieter wegen wesentlicher Lärmbelästigungen einen Anspruch aus § 862 BGB haben können.

Dabei beurteilt sich die Frage, ob und inwieweit ein Mieter störende Geräusche eines im gleichen Hause wohnenden anderen Mieters dulden muß, nach § 906 BGB analog. Diese Vorschrift regelt zwar in erster Linie die Frage der Zulässigkeit von Immissionen auf ein Nachbargrundstück. Sie ist aber auch auf das Verhältnis zwischen den Mietern verschiedener Stockwerke eines Hauses entsprechend anzuwenden (BGH LM § 906 Nr. 1; RG HRR 1931, Nr. 1291; RG JW 1932, 2984, Nr. 11).

Bei der Beurteilung etwaiger Geräuscheinwirkungen ist unter Anwendung des Grundgedankens, des § 242 BGB - des Gebotes, nach Treue und Glauben zu handeln - zu berücksichtigen, daß das Wohnen und Wirken zweier unter einem Dach wohnender Mieter eine gewisse Gemeinsamkeit schafft und von ihnen beiden eine wechselseitige Rücksichtnahme erfordert (BGH LM § 906 Nr. 1).

Abzustellen ist unter Einbeziehung wertender Moment auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen (BGH NJW 1993, 1656, 1658 m.N.). Dabei kann allerdings der Mieter für die baulichen Unzulänglichkeiten des Hauses von dem gestörten Mieter
nicht verantwortlich gemacht werden, wenngleich bei besonderer Hellhörigkeit ein gesteigertes Maß von Rücksichtnahme erwartet werden kann. Hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da von den Klägern gerade kein besonders rücksichtsloses, lärmintensives Verhalten des Beklagten und seiner Mitbewohner behauptet wird. Soweit die Kläger ausweislich ihrer handschriftlichen Aufzeichnungen nächtliches Baby- bzw. Kleinkindergeschrei beanstanden, ist die hiervon ausgehende Störung unvermeidbare Folge normaler kindlicher Entwicklung und von den Klägern hinzunehmen (BGH NJW 1993, 1656, 1658). Nichts anderes gilt für die von einer normalen Wohnnutzung ausgehenden Geräusche (Trittschall durch Begehen
mit Straßenschuhen, gelegentliches Kindertrampeln oder gelegentliches Fallenlassen von Gegenständen).

Sofern diese normalen - nicht auf besonders rücksichtslosem Verhalten des Beklagten beruhenden - Geräuscheinwirkungen eine wesentliche Beeinträchtigung der Kläger wegen der besonderen Hellhörigkeit des Hauses zur Folge haben, beruht dies auf einem Mangel der Mietsache und nicht auf einem abwehrfähigen Verhalten des Beklagten.

Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Beklagte durch eigenmächtige Maßnahmen den Zustand der Mietsache nachteilig verändert hätte und hierauf die störenden Auswirkungen beruhen. Dies kann entgegen der Auffassung des Landgerichts in der angefochtenen und der früheren Entscheidung (3 O 109/91) jedoch nicht festgestellt werden. Die Kläger und ihnen folgend das Landgericht sehen in der Entfernung des früher verlegten Teppichbodens im Zuge der seinerzeitigen Umbaumaßnahmen einen unzulässigen, eigenmächtigen Eingriff in die Bausubstanz ("verbotene Eigenmach" UG S. 8 in 3 O 109/91).

Dabei wird verkannt, daß der Beklagte aufgrund Vereinbarung mit dem Eigentümer zu einer umfassenden baulichen Veränderung mit  einem letztlich vom Eigentümer zu tragenden Kostenaufwand von rund 60.000,00 DM berechtigt war. Diese vom Beklagten vorzunehmenden baulichen Veränderungen schlossen die Zusammenlegung von Wohnungen, das Versetzen bzw. Beseitigen von Zwischenwänden und das Verlegen von Räumen ein. Angesichts dieses Umbauumfangs ist es lebensfremd anzunehmen, daß der Beklagte - mangels gesondert erwähnter Gestattung der Entfernung - verpflichtet gewesen wäre, den bisherigen (gebrauchten)
Teppichboden in der Wohnung zu belassen.

Wenn dieser Teppichboden nicht nur aus Gründen (subjektiv empfundener) Wohnlichkeit, sondern aus Gründen des Schallschutzes verlegt waren - wobei jegliche konkrete Angaben zur Schallschutzqualität des früheren Belages fehlen -, wäre es Sache des Eigentümers gewesen, vom Beklagten die Ausstattung der Wohnung mit einem Teppichboden bestimmter Schallschutzqualität
zu verlangen. Nichts dergleichen ist geschehen. Weder enthält die zwischen dem Beklagten und dem Eigentümer geschlossene schriftliche Umbauvereinbarung eine entsprechende Vorgabe noch ist dargetan, daß der Eigentümer bei der Besichtigung der Wohnung nach dem Umbau das Fehlen eines entsprechenden Bodenbelages beanstandet hätte.

Dies spricht dafür, daß der frühere Teppichbodenbelag gerade nicht zur unveränderbaren Grundausstattung zwecks Verbesserung des Schallschutzes gehörte, sondern der verbesserte Schallschutz lediglich Nebenfolge eines aus Gründen der Wohnlichkeit verlegten Teppichbodens war. Hierfür spricht im übrigen auch die Aussage der im früheren Verfahren vernommenen Zeugin ..., nach der in ihrer Besitzzeit die Räume "mit Teppichboden bzw. Teppich" ausgelegt waren. Angesichts dessen liegt in der Entfernung des früheren Bodenbelages mit der Folge, daß der Holzdielenfußboden nunmehr freiliegt, keine unzulässige Veränderung der Mietsache.

Allerdings hat der Beklagte außerdem im früheren Küchenbereich den Betonfußboden entfernt (s. Aussage ...) und durch Holzfußboden ersetzt. Diese Maßnahme beruhte darauf, daß der frühere Küchenbereich dem Wohnbereich angegliedert wurde und das Fußbodenniveau angepaßt werden mußte. Insoweit liegt fraglos ein Eingriff in die Baususbstanz vor, für dessen negative Auswirkungen jedenfalls auch der Beklagte verantwortlich wäre. Abgesehen davon, daß dies nicht eine umfassende, sondern allenfalls auf diesen Teilbereich beschränkte Verurteilung rechtfertigen könnte, fehlen aber Darlegungen dazu, daß nach dem Umbau gerade in diesem Bereich eine nachteilige Veränderung eingetreten ist. Die Kläger verlangen ohne jede Differenzierung eine Ausstattung der Wohnung des Beklagten mit Teppichboden in dem ihre eigene Wohnung überdeckenden Teil mit der ebenfalls nicht weiter differenzierenden Begründung, in diesem Bereich wesentlichen Geräuschbelästigungen ausgesetzt zu sein.

Damit nehmen die Kläger und ihnen folgend das Landgericht nicht einmal Räume aus, die üblicherweise (und auch hier) nicht mit Teppichboden ausgestattet sind, wie Küche und Bad. Daß von dem früher mit einem Betonboden ausgestatteten Küchenbereich heute eine wesentlich stärkere Geräuschbeeinträchtigung ausgeht, ist weder dargetan noch ohne weiteres ersichtlich, da die von den
Klägern geltend gemachte schalldämmende Wirkung eines Teppichbodens in diesem Bereich gerade fehlte.

Nach alledem war der Beklagte wegen unzulässiger Einwirkungen auf die Bausubstanz des Miethauses seinerzeit nicht verpflichtet, seine Wohnung mit einem Teppichboden auszustatten, so daß die Kläger aus der zwischenzeitlichen Beseitigung dieses Bodenbelages keine Rechte gegen den Beklagten herleiten können.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert und zugleich Beschwer für die Kläger: 6.000 DM.

Gericht: OLG DÜSSELDORF, Aktenzeichen: 9 U 218/96

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Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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