Zwangsräumung

Ist der Gerichtsvollzieher damit beauftragt worden, ein ehemals vermietetes Grundstück zu räumen, gehört es nicht mit zu seinen Aufgaben, die vom Mieter angelegten Beete und angepflanzten Bäume und Sträucher zu beseitigen.

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Bild: Vaceslav Romanov/stock.adobe.com
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Aus den Entscheidungsgründen

I.

Die Schuldnerin ist durch Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom
22. 11. 1994 verurteilt worden, den Lagerplatz auf dem Bahnhofsgelände
..., Teilfläche aus dem Grundstück Gemarkung ..., zur Größe von
2.250 m2 zu räumen und an die Gläubigerin herauszugeben.

Die Gläubigerin hat unter Hinweis auf eine nur unvollständige "Räumung"
der vermieteten Teilfläche beantragt, die Zwangsräumung des Lagerplatzes
durchzuführen, auf dem sich nach wie vor Ablagerungen von Straßenaufbruch,
Bodenaushub, Betonreste u.a. befänden.

Der mit der Durchführung der "Räumung" beauftrage Gerichtsvollzieher
hat sich geweigert, die auf der zu räumenden Teilfläche aufgebrachten,
mit dem Grundstück fest verbundenen und mit Sträuchern, Bäumen und
anderen Pflanzen bewachsenen Aufschüttungen zu beseitigen.

Die hiergeben gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht
zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht
die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und den Gerichtsvollzieher
angewiesen, im Rahmen der Räumungsvollstreckung auch die auf dem
nach dem Titel zu räumenden Grundstück befindlichen Erdaufschüttungen,
Pflanzen, Bäume, Sträucher und eventuelle Müllablagerungen zu beseitigen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Bezirksrevisor
beim Landgericht Duisburg im Namen der Landeskasse mit der Begründungen,
der Gerichtsvollzieher sei durch die der Gläubigerin gesetzlich
eingeräumte Kostenbefreiung gehindert, einen Kostenvorschuss für
die Durchführung der Räumung anzufordern, so dass die Kosten im
Ergebnis auf die Landeskasse zukämen. In der Sache ist er der Auffassung,
die von der Gläubigerin begehrte Beseitigung der auf dem Grundstück
befindlichen Erdmassen und Bepflanzung müsse im Wege der Ersatzvornahme
nach § 887 ZPO durchgesetzt werden.

Die Gläubigerin hält die Landeskasse nicht für beschwerdebefugt
und in der Sache die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend.

Wegen der Einzelheit wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die im Namen der Landeskasse durch den Bezirskrevisor beim Landgericht
Duisburg eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht eingelegt (§§ 793 Abs. 2, 577 Abs. 2, 569
ZPO). Die Landeskasse ist zur Einlegung des Rechtsmittels auch befugt,
denn sie wird durch die Entscheidung des Landgerichts nachteilig
berührt, weil angesichts der sich aus der Bestimmung des § 8 Abs.
1 Gerichtsvollzieherkostengesetz ergebenden Kostenbefreiung der
Gläubigerin ergibt, dass die Landeskasse die durch die vom Gerichtsvollzieher
vorzunehmende Räumung entstehenden Kosten im Ergebnis tragen müsste.

Das Rechtsmittel ist auch begründet, denn der mit der Zwangsvollstreckung
beauftragte Gerichtsvollzieher hat sich zu Recht geweigert, die
im Verlauf von mehr als zehn Jahren entstandenen Erdaufschüttungen
auf der von der Schuldnerin 1987 angemieteten Teilfläche des Grundstücks
und den darauf inzwischen entstandenen Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern
zu beseitigen.

Bei einem nach § 885 ZPO zu vollstreckenden Titel auf Räumung eines
Grundstücks hat der mit der Räumung beauftragte Gerichtsvollzieher
den Schuldner "aus dem Besitz zu setzen", d.h. von dem Grundstück
zu entfernen und den vollstreckenden Gläubiger in den Besitz einzuweisen
(§ 885 Abs. 1 ZPO). Er hat ferner bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand
der Zwangsvollstreckung sind, wegzuschaffen und dem Schuldner oder
einer "Vertrauensperson" des Schuldners zu geben oder zur Verfügung
zu stellen oder - falls der Schuldner oder seine Vertrauensperson
nicht anwesend sind - in Verwahrung zu bringen (§ 885 Abs. 2 und
3 ZPO).

Das bedeutet aber - entgegen der Auffassung des Landgerichts -
nicht, dass der Gerichtsvollzieher dafür Sorge tragen muss, dass
das Grundstück in "vertragsgemäßen Zustand" an die Gläubigerin "zurückgegeben"
wird. Zwar ist die Schuldnerin aufgrund des Mietvertrages verpflichtet,
die von ihr angemietete Fläche der Gläubigerin in dem Zustand zurückzugeben,
in dem sie sich bei Beginn der Mietzeit befunden hat, jedoch begründet
diese vertragliche Verpflichtung der Schuldnerin nicht eine Pflicht
des Gerichtsvollziehers, auch auf der vermieteten Fläche von der
Schuldnerin (oder Dritten) errichtete Gebäude oder Anlagen abzubauen
und entfernen zu lassen. Derart aufwendige Maßnahmen sind nicht
mehr Aufgabe des Gerichtsvollziehers, sondern sind nach § 887 ZPO
zu vollstrecken, wobei hier offen bleiben kann, ob ein bloßer Räumungs-
und Herausgabetitel insoweit ausreicht (vgl. OLG Celle, MDR 1962,
415; OLG Hamm, NJW 1965, 2207; Stein/Jonas/Brehm, 21. Aufl., Rn.
5, 30 zu § 885 ZPO; Derleder JW 1994, 450, 452).

Dass die Beseitigung eines nach den Feststellungen des Amtsgerichts
bis zu 8 Meter hohen und mit Sträuchern und Bäumen bis zu einer
Höhe von 4 Metern bewachsenen Hügels dem Abbruch und der Beseitigung
einer Baracke oder einer sonstigen Anlage mindestens gleichzusetzen
ist und über das dem Gerichtsvollzieher nach § 885 ZPO obliegende
"Wegschaffen" hinausgeht, unterliegt keinem Zweifel. Hinzu kommt,
dass die vorhandene "Aufschüttung" in ihrer Ausdehnung erheblich
über die von der Schuldnerin angemieteten Teilfläche hinausgeht,
so dass vor einer "Beseitigung"(Räumung) der vermieteten Fläche
zunächst die "betroffene" Teilfläche genau eingegrenzt werden müsste.
Diese für die Beseitigung der Aufschüttung notwendigen Fragen zu
klären, ist ebenfalls nicht Aufgabe des mit einer Räumung beauftragten
Gerichtsvollziehers.

Unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung war daher die
sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen die Entscheidung des
Amtsgerichts zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
 

Gericht: OLG DÜSSELDORF
Aktenzeichen: 3 W 195/99

Redaktion (allg.)

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