Deutsche Wohnen will sich von Vonovia kaufen lassen
Vonovia habe ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für sämtliche ausstehende Aktien der Deutsche Wohnen angekündigt. Aktionäre sollen insgesamt 53,03 Euro erhalten; der Betrag würde sich ergeben aus einem Angebotspreis von 52 Euro in bar sowie einer Dividende von 1,03 Euro je Aktie der Deutsche Wohnen. Dies entspreche einer Prämie von 17,9 Prozent auf den Schlusskurs der Deutsche Wohnen vom 21. Mai 2021.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung heißt es: Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen unterstützten das Angebot und beabsichtigen, den Aktionär:innen die Annahme zu empfehlen. Deutsch Wohnen-Chef Michael Zahn wird mit den Worten zitiert: Jetzt ist der richtige Moment, die erwiesene Leistungsfähigkeit und Stärken beider Unternehmen zu vereinen. Gemeinsam schaffen wir neue Perspektiven für unsere Mitarbeiter:innen, unsere Mieter:innen und unsere Eigentümer:innen.“ Beide Unternehmen hätten vereinbart, dass sie keine betriebsbedingten Kündigungen vor dem 31. Dezember 2023 im Zusammenhang mit der Transaktion aussprechen werden.
Durch Übernahme entstünde Europas größter Wohnungskonzern
Durch den Zusammenschluss würde Europas größter Wohnimmobilienkonzern mit einer kombinierten Marktkapitalisierung von derzeit rund 45 Mrd. Euro und mehr als 500.000 Wohnungen mit einem kombinierten Immobilienwert in Höhe von knapp 90 Mrd. Euro entstehen. Das kombinierte Unternehmen verfüge über ein robustes und langfristig orientiertes Geschäftsmodell. Die notwendigen Investitionen in bezahlbares Wohnen, Klimaschutz und Neubau lassen sich nach einem Zusammenschluss gemeinsam besser schultern.
Durch den Zusammenschluss wollen Vonovia und Deutsche Wohnen nach eigener Aussage ein mieterorientiertes und gesellschaftlich verantwortungsvolles Wohnungsunternehmen schaffen, das in enger Partnerschaft mit der Politik verlässlich zu notwendigen Lösungen vor allem für den Berliner Wohnungsmarkt beitragen kann.
Die Deutsche Wohnen SE steht politisch in der Hauptstadt Berlin massiv unter Druck und ist Hauptzielschreibe der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, die derzeit Unterschriften sammelt. Die Berliner Wählerinnen und Wähler sollen parallel zur Bundestagswahl im September darüber abstimmen, ob der Berliner Senat ein Enteignungsgesetz auf den Weg bringt.
Vor diesem Hintergrund schlagen Vonovia und Deutsche Wohnen dem Land Berlin einen „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“ vor:
- Begrenzung der Mietsteigerungen bis 2026: In den kommenden drei Jahren wollen Vonovia und Deutsche Wohnen ihre regulären Mieterhöhungen über ihren Berliner Bestand insgesamt auf höchstens ein Prozent jährlich begrenzen, in den beiden danach folgenden Jahren nur im Rahmen des Inflationsausgleichs. Auch bei Modernisierungen für den Klimaschutz verpflichten sich die Unternehmen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus, die Modernisierungsumlage auf maximal 2 Euro pro Quadratmeter zu begrenzen.
- Förderung von Wohnraum für junge Familien im Neubau und Prävention von Obdachlosigkeit. Um junge Familien mit Kindern bei der Wohnungssuche zu unterstützen, bieten die beiden Unternehmen diesen Familien Vier-Zimmer-Wohnungen bei der Neuvermietung 10 Prozent unter der durchschnittlichen Neuvermietungsmiete des jeweiligen Stadtteils an.
- Beitrag zum Ausbau des kommunalen Wohnungsbestandes: Die beiden Unternehmen bieten dem Land an, in diesem Kontext eine signifikante Anzahl an Wohnungen aus ihrem Bestand zu erwerben.
IW Köln: Übernahme soll mehr Macht gegenüber Politik bringen
In einer ersten Stellungnahme zur geplanten Übernahme vermutet das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, dass es bei dem Zusammenschluss weniger um betriebswirtschaftliche Vorteile gehe, als viel mehr um die Bildung von mehr Macht gegen politische Einschränkungen wie Mietenstopps und Enteignungen. Größe sei im Wohnungsmarkt zwar wichtig: Je größer ein Unternehmen, desto mehr Vorteile lassen sich im Einkauf erzielen, außerdem werde die Bewirtschaftung der Immobilien deutlich einfacher. Vonovia und die Deutsche Wohnen hätten schon häufiger Anlauf für eine Fusion genommen – allerdings sei es nicht dazu gekommen, die ökonomischen Vorteile schienen als zu wenig gewichtig. Zudem seien die Investoren daran interessiert gewesen, möglichst viele Unternehmen im Markt zu haben, um besser Anlagen und Risiken streuen zu können.
Den beiden Immobiliengiganten dürfte es nicht um eine marktbeherrschende Stellung gehen – dafür sei der Markt zu kleinteilig. Selbst in Berlin, wo die beiden Unternehmen künftig über 150.000 Wohnungen bewirtschaften, liegt der Marktanteil bei Mietwohnungen bei unter neun Prozent. Ausschlaggebend für die Fusion dürfte vielmehr die Politik sein: Durch politische Interventionen entstehen Risiken für die Unternehmen, die tendenziell für große Marktteilnehmer besser zu bewältigen sind als für kleine Unternehmen oder Privateigentümer. Dabei hätten die Unwägbarkeiten in den vergangenen Jahren noch einmal zugenommen: Sie reichten von Enteignungen bis zu weitreichenden Mietstopps und Einschränkungen bei der Umlagefähigkeit nach Modernisierungen. Auch in anderen Branchen wie etwa dem Bankensektor seien Regulierungen ein wichtiger Treiber von Zusammenschlüssen.
Der Abschluss des Übernahmeangebots wird laut Vonovia bis Ende August angestrebt. Das geplante Übernahmeangebot steht unter dem Vorbehalt einer Mindestannahmequote von 50 Prozent% aller ausstehenden Aktien der Deutsche Wohnen, der Erteilung der fusionskontrollrechtlichen Freigabe sowie weiterer üblicher Vollzugsbedingungen. (Red.)
UPDATE
Berlin, 23. Juli 2021. Die Deutsche Wohnen SE („Deutsche Wohnen“) wurde heute darüber informiert, dass das von Vonovia SE („Vonovia“) am 23. Juni 2021 veröffentlichte Übernahmeangebot voraussichtlich nicht erfolgreich ist. Grund hierfür ist, dass die Mindestannahmeschwelle von mindestens 50 Prozent der zum Zeitpunkt des Ablaufs der Annahmefrist ausgegebenen Deutsche Wohnen-Aktien nach aktueller Einschätzung nicht erreicht wurde. Die Deutsche Wohnen nimmt die Entscheidung der Aktionär:innen zur Kenntnis und wird die Situation und die nächsten Schritte entsprechend analysieren.