„Neudenken der Schuldenbremse“
Die Studie „Fit für 2045 (Teil 2): Investitionsbedarf für die Transformation öffentlicher Nichtwohngebäude“ benenne erstmalig den konkreten Finanzierungsbedarf für die energetische Sanierung aller öffentlichen Gebäude in Deutschland auf ein klimaneutrales Niveau bis 2045. Die Kosten allein für eine entsprechende Energieverbrauchssenkung beliefen sich auf 120 Milliarden Euro, das entspreche sechs Milliarden Euro pro Jahr. Mit vier Milliarden Euro entfalle die größte finanzielle Belastung auf die Kommunen, da die meisten öffentlichen Gebäude in kommunalem Eigentum sind.
Nach Einschätzung von Corinna Enders, Vorsitzende der dena-Geschäftsführung, sei es Aufgabe der Politik die nötigen Rahmenbedingungen für skalierbare Geschäftsmodelle zur Sanierung öffentlicher Gebäude zu schaffen. „Ziel muss es sein, privates Kapital zu aktivieren.“
Kosten und Wirtschaftlichkeit in zwei Szenarien ermittelt
Die Studie stellt für elf Gebäudetypen in zwei Szenarien jeweils die energiebedingten Mehrkosten den erzielbaren Energiekosteneinsparungen gegenüber. Basis für diese Wirtschaftlichkeitsberechnung ist ein Vergleich zwischen dem aktuellen Sanierungsgeschehen und dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2045. Untersucht wurden auch mögliche Finanzierungsansätze.
Das „Weiter so“-Szenario bildet das aktuelle Sanierungsgeschehen mit einer Sanierungsrate von rund einem Prozent und einer Sanierungstiefe gemäß Gebäudeenergiegesetz-Mindeststandard ab: Im Ergebnis zeige sich, dass Deutschland seine Klimaziele im Gebäudebereich in diesem Szenario deutlich verfehlen würde.
Das zweite Szenario ist das „Ziel“-Szenario: Es nimmt für das Erreichen der Gebäudesektorziele gemäß Klimaschutzgesetz eine deutlich höhere Sanierungsrate von vier Prozent und eine Sanierungstiefe gemäß Effizienzgebäude-Standard (EG 40) an. Mit den dafür anfallenden Mehrinvestitionen von 120 Milliarden Euro könnten bis 2045 45 Milliarden Euro Energiekosten eingespart werden. Rund 20 Jahre später würde sich die Investitionssumme durch die Einsparungen amortisiert haben.
Wirtschaftlichkeit verschiedener Wärmeerzeugungsarten
Für elf repräsentative Typgebäude wie Verwaltungsgebäude oder Schulen wurde jeweils differenziert für unterschiedliche Wärmeerzeugungsarten die Wirtschaftlichkeit der Sanierung auf GEG-Mindeststandard und EG-40-Standard betrachtet. Im Ergebnis zeige sich, dass über die rechnerische Lebensdauer der Maßnahmen die Sanierung auf EG 40 selbst ohne Förderung wirtschaftlich sein kann.
Ohne die Aktivierung von privatem Kapital wird es nicht gehen
Der Investitionsbedarf und die lange Amortisationszeit werfen jedoch die Frage auf, woher die erforderlichen Anreize und finanziellen Mittel kommen. Die Studie nennt dazu 20 Finanzierungsinstrumente und evaluiert sechs davon detailliert: Eigenkapital, Fremdkapital, Energieliefer-Contracting, Intracting, Energiespar-Contracting und Klimaschutz-Contracting. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass bereits heute Umsetzungsgeschwindigkeit und -tiefe von energetischen Sanierungen erheblich gesteigert werden könnten, indem externe Dienstleister privates Know-how einbringen, Umsetzungs- und Betriebsrisiken übernehmen sowie Ergebnis- und Einspargarantien geben, wie zum Beispiel beim Energiespar-Contracting. Um Stückwerk zu vermeiden, sollten solche Instrumente laut Studie gezielt weiterentwickelt und dabei eng mit Finanzierungsmodellen verzahnt werden. Auch neue Finanzierungsmodelle sollten erprobt werden, so dass sich am Markt ein Spektrum an Lösungen entwickeln kann. Zudem lohne sich ein „Neudenken der Schuldenbremse“, die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Kapitalgeber und das Bewusstsein, dass öffentliche Gebäude ein attraktives Anlageportfolio darstellen.
Informationen zur Studie
Die Studie „Fit für 2045 (Teil 2): Investitionsbedarf für die Transformation öffentlicher Nichtwohngebäude“ wurde von der Prognos AG und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE im Auftrag der dena für das Kompetenzzentrum Contracting erarbeitet. Sie folgt auf die Studie „Fit für 2045 (Teil 1): Zielparameter für Nichtwohngebäude im Bestand“ aus 2023. Das Kompetenzzentrum Contracting agiert im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Energie-Contracting erzielte 2023 Zuwächse
Derweil zeigen die jüngsten Marktzahlen für das Energieliefer-Contracting, die der Branchenverband vedec veröffentlicht hat, dass dieser Wirtschaftszweig durchaus Chancen verspricht. Der Verband für Energiedienstleistungen, Effizienz und Contracting meldet für das 2023 eine Steigerung der Zahl der Versorgungsverträge von 5,1 Prozent und einen Umsatzanstieg von rund acht Prozent. Allerdings sei die Zahl der neuen Verträge im Vergleich zum Jahr 2022 nur leicht angestiegen aufgrund der unsicheren politischen Lage. Insbesondere wechselnde Rahmenbedingungen beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) hätten sich negativ auf die Contracting-Branche ausgewirkt.
Als das größte Hemmnis für die Branche nennen die Akteure nach vedec-Angaben allerdings die gesetzliche Pflicht zur Kostenneutralität bei der Umstellung auf eine effizientere Energieversorgung. Diese sei angesichts der gestiegenen Energiepreise und teurerer Anlagentechnik in vielen Fällen nicht zu erreichen. Die Problematik der Kostenneutralität zeige sich auch in um drei Prozent sinkenden Auftragszahlen durch die Wohnungswirtschaft. Trotz vorhandener Lösungen könnten Mietwohngebäude derzeit nicht rechtssicher an Fernwärme- und Gebäudenetze angeschlossen werden. Die Umstellung scheitere in den meisten Fällen an der fehlenden Kostenneutralität gemäß Wärmelieferverordnung. (Red.)