Wohnungswirtschaft warnt vor politischer Verunsicherung der Bürger
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) und der vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw Sachsen) mahnen in einer gemeinsamen Presseerklärung vor der politischen Verunsicherung im Freistaat Sachsen, die durch die unsichere Wohnungs- und Energiepolitik ausgelöst werde. In den kommenden fünf Regierungsjahren müssten „Energiewirtschaft und Wohnungswirtschaft gemeinsam gedacht werden“. Es brauche eine vorausschauende Politik, welche die Bürger einbezieht und ihre Ängste und Sorgen ernst nimmt.
„Wohnungs- und Energiepolitik müssen gemeinsam gedacht werden“
In der politischen Praxis würden der Sektor Energie und der Sektor Gebäude unabhängig voneinander betrachtet. Dies führe dazu, dass Planungen und Maßnahmen großenteils getrennt voneinander erfolgen. Dabei seien Fragen der Entwicklung und Ausgestaltung der Energieversorgung, etwa über Fernwärme und Netzausbau, eng mit der Wohnungswirtschaft verbunden. VSWG-Vorstand Mirjam Philipp sagt: „Wenn die beiden Bereiche nicht zusammengeführt werden, steht der Verbraucher am Ende fassungslos vor seiner Betriebskostenabrechnung“.
„Regelungsflut behindert die Branchen“
Die Regelungsflut der vergangenen Jahre habe beide Branche aufgehalten und Kapazitäten gebunden. Eine zukünftige Landesregierung müsse Bürokratie abbauen, Berichtspflichten kürzen und Standards dort senken, wo Nutzen und Kosten auseinanderfallen.
„Kohlekraftwerke länger laufen lassen“
Zur Sicherheit der Energieversorgung fordern die drei Verbände, dass Kohlekraftwerke so lange in Betrieb bleiben müssten, bis die Versorgungssicherheit auf bezahlbarem Kostenniveau tatsächlich über erneuerbare Energien und klimaneutrale Erzeugungsanlagen sichergestellt werden kann. Ferner verlangen Wohnungs- und Energiewirtschaft in Sachsen eine technologieoffene Energiewende. Die Wärmeversorgung müsse sich zwingend an der Verfügbarkeit, der Wirtschaftlichkeit und an der Bezahlbarkeit für Mieter und Eigentümer ausrichten. Die Betroffenen und Akteure vor Ort sollen die Verantwortung haben, über die Wahl der Mittel und die Entscheidungswege.
„Gebot der Kostenneutralität verhindert Wärmewende“
In dem gemeinsamen Papier verweisen die drei Verbände auf die enorme Bedeutung der Fernwärme in Sachsen hin. Das System biete einerseits ein enormes Potenzial für die Dekarbonisierung des Gebäudebestands, andererseits scheitere aber die Transformation an § 556 C BGB, das heißt am Gebot der Kostenneutralität jeder heizungstechnischen Umstellung. Ein neues Heizungssystem kann nur dann in Betrieb genommen werden, wenn Mieter nicht mehr Heizkosten zahlen müssen, als für das alte System. Das Gebot der Kostenneutralität stelle das wesentliche Hemmnis für den Ausbau der Fernwärme im Mietwohnungsmarkt dar. Allein bei den Unternehmen der organisierten Wohnungswirtschaft, die etwa 40 Prozent der Mietwohnungen in Sachsen repräsentieren, werden 75 Prozent aller Bestände mit Fernwärme versorgt. Durch deren Dekarbonisierung würden mindestens 30 Prozent der Bevölkerung in Sachsen klimafreundlich wohnen.
Die drei Verbände fordern von einer zukünftigen Landesregierung Chancengleichheit zwischen der Eigenversorgung und der gewerblichen Wärmelieferung sowie eine Anhebung und langfristig ausgestaltete Bundesförderung effiziente Wärmenetze.
„Zu geringe Netzkapazitäten verhindern strombasierte Energieversorgung“
Im Bereich der Stromversorgung weisen die Verbände auf zu geringe Netzkapazitäten hin. Aktuell scheiterten daran etliche Projekte. Der Wohnungswirtschaft sei es in der Mehrheit der Fälle nicht möglich, die Energieversorgung der Gebäude stärker auf Strom auszurichten (z. B. bei der dezentralen Warmwasserversorgung). Auch die Integration von Ladesäulen für Elektroautos scheitere oft an fehlenden Kapazitäten. Der Ausbau der Stromnetze müsse ein zentrales Anliegen der neuen Staatsregierung sein.
„Auf der Basis von Sozialleistungen keine energetische Gebäudesanierung“
Natürlich findet sich im gemeinsamen Forderungskatalog der Verbände auch der Wunsch nach einer besseren finanziellen Förderung. Die Landesregierung solle darauf hinwirken, dass die notwendigen Investitionen um Beispiel über die Sächsische Aufbaubank mit intelligenten und günstigen Finanzierungsmodellen möglich werden. Außerdem dürften Sozialleistungen die Energiewende nicht länger ausbremsen. Wohnungsunternehmen könnten Gebäude mit einem hohen Anteil an Bürgergeldempfängern nicht energetisch sanieren, da die Kosten der Unterkunft ein zu enges finanzielles Korsett bildeten. Die Kosten der Unterkunft müssten dringend durch eine Klimakomponente ergänzt werden und die Jobcenter sollten in ihrer Bewilligungspraxis den energetischen Gebäudezustand und Modernisierungen stärker berücksichtigen. Das gleiche gelte auch für das Wohngeld: Hier bedarf es einer stärkeren Vereinheitlichung und Anpassung durch die Landesregierung.
Alexander Müller, Verbandsdirektor des vdw Sachsen, resümiert: „Die Kosten der Unterkunft müssen eine Klimakomponente enthalten, damit Vermieter auch in Beständen mit hohem Anteil an Leistungsempfängern energetische Sanierungen vorantreiben können. Gleiches gilt für das Wohngeld. Das Recht auf klimabewusstes Wohnen muss für jeden bezahlbar sein: für Mieter genauso wie für Vermieter. Die Klimakomponente ist dafür ein geeignetes Mittel.“ (Red.)