Klimaschutz für WEG-Objekte

Extremer Sanierungsrückstand erfordert dringend politische Maßnahmen

Für die meisten WEG ist die energetische Gebäudesanierung eine unlösbare Aufgabe. Eigentümern fehlt es an Informationen und Kapital, Immobilienverwaltungen an Kompetenz, Personal und Extra-Vergütungen. Das EU-Projekt Green Home schlägt nun politische Maßnahmen vor.

Einstimmigkeit für die energetische Sanierung des Gebäudes ist in Eigentümergemeinschaften sehr schwer zu erzielen. Informationsdefizite und Unsicherheit über Kosten und Nutzen sowie der Mangel an Rücklagen und individuellem Kapital verhindern Investitionsentscheidungen. Foto: Adobestock/Michael JBerlin
Einstimmigkeit für die energetische Sanierung des Gebäudes ist in Eigentümergemeinschaften sehr schwer zu erzielen. Informationsdefizite und Unsicherheit über Kosten und Nutzen sowie der Mangel an Rücklagen und individuellem Kapital verhindern Investitionsentscheidungen. Foto: Adobestock/Michael JBerlin

Über viele Monate haben Akteure des von der EU finanzierten Projektes Green Home mit Hausverwaltungen, Wohnungseigentümern, Energiedienstleistern und Banken intensive Gespräch an runden Tischen geführt, um die Gründe für die geringe Sanierungsquote von Wohnungseigentümergemeinschaften zu erfassen und Vorschläge für die Beseitigung von Investitionshindernissen zu formulieren. Projektpartner von Green Home sind unter anderem der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV), die Deutsche Initiative Energieeffizienz (DENEFF), der DENEFF Energiedienstleistungs-Hub (EDL_HUB) und die Initiative Wohnungswirtschaft in Osteuropa (IWO).

Ausgangspunkt aller Recherchen war die geringe Sanierungsrate. Der Immobilienverband VDIV Deutschland schätzte sie bereits nach Ende der Corona-Pandemie bei WEG-Gebäuden auf unter 0,3 Prozent. Zum Erreichen der Klimaziele müssten jährlich etwa zwei Prozent des Bestandes modernisiert werden. Das Projekt Green Home hat die Haupthindernisse identifiziert und politische Handlungsempfehlungen entwickelt, um die Sanierungsrate zu steigern. Die Umsetzung dieser Maßnahmen würde nach Einschätzung von Green Home einen bedeutenden Schritt zur Erreichung der Klimaziele darstellen und gleichzeitig die Lebensqualität und Energieeffizienz in Wohnungseigentümergemeinschaften verbessern. Die Initiative hat sieben Haupthindernisse identifiziert und macht jeweils Vorschläge für deren Beseitigung.

  1. Fehlende Informationen und komplexe Prozesse verhindern Entscheidungen

Fehlende Informationen, Informationsasymmetrie und Wissensdefizite führten zu unterschiedlichen Beurteilungen in einer WEG. Die Informationsangebote seien komplex und erzeugten häufig ein hohes Maß an Unsicherheit, ob die Sanierung eines Gebäudes notwendig ist und wenn ja, welche Maßnahmen sinnvoll und wirtschaftlich darstellbar sind. Eine Sanierungsentscheidung werde somit oft verschoben oder nicht getroffen. Dies führe dazu, dass sehr häufig keine Sanierung auf den Weg gebracht wird, was eine der wesentlichen Erklärungen für die sehr geringe Sanierungsrate in WEG-Gebäuden sei. Zudem sehen sich knapp 59 Prozent der Immobilienverwaltungen wenig oder gar nicht qualifiziert, um umfassende energetische Sanierungen zu begleiten und umzusetzen.

Als Lösung für dieses Problem verweist Green Home auf das bereits eingeführte Instrument des individuellen Sanierungsfahrplans (iSFP). Allerdings, so der Vorschlag, sollte der bisher analoge iSFP digital gestaltet werden. Die weitgehend automatisierte Aufbereitung von Unterlagen, wie etwa Folien für die WEG-Versammlungen und Entscheidungsvorlagen aus dem iSFP könnten insbesondere für Eigentümergemeinschaften vorgesehen werden, um die Immobilienverwaltungen zu entlasten. Außerdem müsse die finanzielle Förderung für die Anfertigung von individuellen Sanierungsfahrplänen attraktiver werden. Bislang sei die Förderung im Falle von Mehrparteienhäusern bei maximal 1.700 Euro gedeckelt. Insbesondere bei größeren Gebäuden sei diese Summe für Energieberatungen angesichts hoher technischer Herausforderungen nicht kostendeckend. Das führe dazu, dass die Erstellung eines iSFP für eine Wohnungseigentümergemeinschaft für Energieberater unattraktiv sei.

  1. Bedarf an ganzheitlichen Lösungen aus einer Hand

Es bestehe ein dringender Bedarf an Lösungen aus einer Hand, die den Sanierungsprozess von Anfang bis Ende vereinfachen. Solche integrierten Lösungen sollten die Planung, Finanzierung, Umsetzung und Überwachung von Sanierungsprojekten erleichtern und beschleunigen. Die Mehrzahl kleinerer und mittlerer Immobilienverwaltungen sei fachlich mit der Begleitung eines energetischen Sanierungsprozesses überfordert. 59 Prozent der Immobilienverwaltungen fühlten sich wenig oder gar nicht qualifiziert, energetische Sanierungen zu initiieren und zu begleiten. Außerdem hielten 85 Prozent der befragten Verwaltungen ihre Personalkapazitäten nicht für ausreichend, um umfassende energetische Sanierungen zu begleiten und umzusetzen.

  1. Mangelnde Unterstützung für WEG-Immobilienverwaltungen

Neben der fachlichen Qualifikation fehle Immobilienverwaltungen der finanzielle Anreiz zur Anleitung und Kommunikation komplexer Sanierungsprozesse. Immobilienverwaltungen haben einen hohen zeitlichen Aufwand, diesen Prozess zu begleiten. Häufig seien bei Abschluss der Verträge mit der WEG diese Aufwendungen nicht eingepreist. Als Lösung schlägt Green Home vor: Immobilienverwaltungen sollten für die Begleitung energetischer Maßnahmen eine Förderung erhalten. Bei Inanspruchnahme von KfW-Fördermitteln sollte ein fester Prozentsatz als Honorar für die Verwaltungen vorgesehen werden, vergleichbar der Förderung eines Energieberaters. Allerdings sollte der Zuschuss an die Höhe des Fördervolumens gekoppelt sein und zwischen drei bis fünf Prozent liegen.

  1. Verzögerung von Sanierungsentscheidungen in der WEG

Für umfangreiche energetische Sanierungen seien häufig mehrere Beschlussfassungen auf Eigentümerversammlungen nötig, da es viel Informations-, Diskussions- und Abstimmungsbedarf unter den verschiedenen Eigentümerinnen und Eigentümern gebe. Dieser Prozess sei langwierig und müsse dringend beschleunigt werden durch die erleichterte Einführung der rein virtuellen Eigentümerversammlung, wie es im aktuellen Gesetzentwurf von 20. Dezember 2023 zur Zulassung der virtuellen WEG-Versammlung vorgesehen ist.

  1. Zwischenfinanzierung für WEG-Darlehen bei kurzfristigem Ausfall einzelner Eigentümer

WEG-Darlehen bieten eine Finanzierungsmöglichkeit für WEG, bei der Banken auf die Prüfung der Bonität der einzelnen Eigentümer verzichten. Die WEG haftet gesamtschuldnerisch, das heißt, Eigentümerinnen und Eigentümer der WEG haften für die potenziellen Ausfälle bei Zins- und Tilgungsbeiträgen anderer Parteien innerhalb einer WEG (Nachschusspflicht). Nach Einschätzungen von Finanzinstituten, die Green Home konsultiert hat, sei dies in einem Fünftel der angebahnten Projekte das zentrale Hindernis bei einer Entscheidung über Sanierungsfinanzierungen. Green Home schlägt vor, der Staat sollte bei einem kurzfristigen Ausfall von Zins- und Tilgungsbeiträgen vorübergehend eine Zwischenfinanzierung zur Absicherung des Darlehens für einen begrenzten Zeitraum anbieten.

  1. Eigentümer mit geringem Einkommen können sich Investitionen nicht leisten

Energetische Sanierungen würden in Eigentümergemeinschaften nicht beschlossen und durchgeführt, da es an Rücklagen mangele und sich rund 20 Prozent der Eigentümer eine Sonderumlage nicht leisten könnten und im Zweifel gegen die Sanierung stimmen. Werden diese Parteien aufgrund WEG-Mehrheitsverhältnisse überstimmt, sei das Risiko sozialer Herausforderungen, wie zum Beispiel Zwangsversteigerung sehr hoch. Zur Milderung von Kapitalmangel schlägt Green Home die Entwicklung von Förder- und Zuschussprogrammen analog zum Sozialbonus im BEG bis zu 40.000 Euro Jahreseinkommen vor. So ließe sich sicherstellen, dass die Belastung von Parteien mit geringem Einkommen zur Tilgung des WEG-Kredits entsprechend niedriger ausfällt.

  1. Wärmelieferverordnung und ihre Auswirkungen

Es kann für Wohnungseigentümergemeinschaften attraktiv sein, den Betrieb der Heizungsanlage an einen externen Energiedienstleister abzugeben, der den Austausch und den Betrieb der Anlage auf eigene Rechnung sicherstellt. Green Home stellt aber fest: Bei der Umstellung auf Wärmelieferung werden Immobilienverwalter sowie Eigentümer durch die Regelungen des § 556 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) blockiert. Der § 556 BGB sieht Kostenneutralität beim Heizungstausch vor. Dabei wurde die Kostenneutralität unpräzise definiert, alte, abgeschriebene Erdgaskesselanlagen werden mit den Vollkosten (Kapital- und Betriebskosten) der Wärmeversorgung verglichen. Da seit Anfang 2024 nur noch Heizanlagen mit 65 Prozent erneuerbarer Energie EE zulässig sind, könne dieser Vergleich gegenüber den alten, abgeschriebenen Erdgas- oder Heizölkesselanlagen mit dem Ziel der Kostenneutralität nicht funktionieren: Die neuen 65-Prozent-EE-Anlagen seien in der Investition teurer, Zins und Tilgung müssen angesetzt werden.

Das Projekt Green Home ruft die Politik dazu auf, die vorgeschlagenen Maßnahmen in den politischen Diskurs einzubringen, um die energetische Sanierung in Wohnungseigentümergemeinschaften voranzutreiben und somit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

>> Lesen Sie auch: WEG-Kredite: Das müssen Verwaltungen bei der Beschlussfassung beachten

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
Chefredakteur
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