Steigende Baukosten verschärfen die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Durch die krisenbedingt rasant gestiegenen Baukosten sei es quasi unmöglich geworden, geeigneten Wohnraum zu schaffen, der für Leistungsbezieher des neuen Bürgergelds bezahlbar ist, so WOHN:SINN, ein Bündnis für inklusives Wohnen. Die Organisationen fordern deshalb, die soziale Wohnraumförderung umgehend auszuweiten und die von Sozialämtern übernommenen Mietkosten angemessen zu erhöhen.
Nur zwei Prozent der Wohnungen sind barrierefrei
Menschen mit Behinderungen seien auf dem deutschen Wohnungsmarkt besonders benachteiligt. So seien nur etwa zwei Prozent der Wohnungen und Häuser barrierefrei zugänglich, wie eine Erhebung des Statistischen Bundesamts zeige. Dem gravierenden Mangel an geeignetem Wohnraum sei nur bedingt mit Anpassungen und Sanierungen beizukommen. Ein wichtiger Faktor sei die Schaffung von barrierefreien Neubauten. Krisenbedingt verzeichnet das statistische Bundesamt jedoch einen durchschnittlichen Anstieg der Baukosten um 16,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dadurch kämen Neubauprojekte vielerorts zum Stillstand.
Leistungen der Sozialämter für das Wohnen müssen stärker angehoben werden
Viele Menschen mit Behinderungen, die beispielsweise in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten, finanzierten ihre Miete über die Grundsicherung, die zum Jahreswechsel in das Bürgergeld überführt wird. In welcher Höhe Mietkosten bezahlt werden, richte sich nach den „angemessenen Kosten der Unterkunft“, die von den lokalen Sozialämtern berechnet werden. Die Berechnung orientiere sich überwiegend am Mietniveau im Bestandsbau, wo die Kriseneffekte weniger spürbar sind. So komme es dazu, dass die angemessenen Kosten der Unterkunft auch in den aktuellen Krisenzeiten nur um zwei bis vier Prozent pro Jahr steigen.
Die Lücke zwischen dem rasanten Anstieg der Baukosten und den unrealistisch niedrig angesetzten Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft mache es für Leistungsberechtigte unmöglich, Wohnraum anzumieten, der barrierefrei und energetisch effizient ist. Dies führe auch zu Fehlanreizen auf dem Wohnungsmarkt zu Ungunsten bezahlbarer, barrierefreier und ökologisch nachhaltiger Wohnraumentwicklung. Dabei steige der Bedarf nach barrierefreiem Wohnraum gerade im Angesicht einer alternden Gesellschaft stetig.
Inklusive Bauprojekte stehen angesichts der Kostensteigerung vor dem Aus
„Einige der inklusiven Bauprojekte aus unserem Bündnis stehen vor dem Aus oder sind auf unbestimmte Zeit verschoben. Und das, während viele Menschen mit Behinderung händeringend nach geeignetem Wohnraum suchen. Sozial orientierte Bauträger sehen sich teilweise mit Finanzierungslücken von vier Euro pro Quadratmeter konfrontiert, wenn sie Wohnraum für Bezieher der Grundsicherung planen“, schildert Geschäftsführer Tobias Polsfuß die Erfahrungen von WOHN:SINN. „Die Politik muss hier schnellstmöglich handeln, damit Menschen mit Behinderung durch die Kriseneffekte nicht zusätzlich diskriminiert werden.“
WOHN:SINN – Bündnis für inklusives Wohnen, der Evangelische Fachverband für Teilhabe (BeB), die Bundesvereinigung Lebenshilfe, der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm), die Deutsche Heilpädagogische Gesellschaft (DHG), die Diakonie Deutschland, die Baugenossenschaft OEKOGENO und die Sozialheld:innen fordern deshalb anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung, dass die soziale Wohnraumförderung und andere Wohnraumförderprogramme ausgebaut sowie konsequent an Kriterien zur Barrierefreiheit gekoppelt werden. Des Weiteren müssen die angemessenen Kosten der Unterkunft für Bezieher des Bürgergelds adäquat angehoben werden. Falls kein bezahlbarer barrierefreier Wohnraum zur Verfügung steht, müssen die gegebenenfalls höheren tatsächlichen Kosten für das Wohnen und Heizen von den Sozialämtern übernommen werden, fordern sie. (Red.)