Subventionierte Dienstleistungen bringen soziale Rendite
Helga K., 87 Jahre alt, hatte ihr Haus früh ihren Kindern überschrieben. Heute wohnt sie in einer kleinen Wohnung in der Mühlenbergstraße im Baunataler Stadtteil Rengershausen. Dass sie nicht schon lange in ein Heim ziehen musste, verdankt sie einer guten Fee, die einmal in der Woche zu ihr kommt und die Wohnung auf Vordermann bringt: Geraldine-Marie Hajek. Wäsche waschen, Böden schrubben, Fenster putzen gehen ihr schnell von der Hand – Helga K. zahlt dafür nur zehn Euro pro Stunde.
Angebote für Ältere
Helga K.’s gute Fee Geraldine-Marie Hajek ist Mitarbeiterin des Wohn-Service-Teams (WST), einem Modell, das sich die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt als Marke hat eintragen lassen. Die mit rund 60.000 Einheiten größte hessische Wohnungsgesellschaft entwickelte das Format 2007 zusammen mit der damaligen Gemeinnützigen Offenbacher Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft (GOAB).
Die Idee umschreibt der für das Immobilienmanagement zuständige Geschäftsführer der Unternehmensgruppe, Dr. Constantin Westphal: „Das Wohn-Service-Team ist ein zentraler Baustein unseres Ansatzes ‚Sie bleiben, wir helfen‘, mit dem wir vor allem ältere Mieter ansprechen. In einigen unserer Quartiere sind mehr als 30 Prozent der Bewohner über 65 Jahre alt, viele davon leben allein. Deshalb müssen wir neben baulichen Anpassungen Angebote entwickeln, die das selbstbestimmte Wohnen im Alter ermöglichen.“
Das Konzept ist einfach: Über eine Servicenummer können die Mieter der Unternehmensgruppe kostenfrei oder zu sehr günstigen Konditionen haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Zu den abrufbaren Services gehören neben der klassischen Wohnungsreinigung auch Einkaufshilfen, kleinere handwerkliche Tätigkeiten oder bei Bedarf eine Begleitung zum Arzt. 140 Mitarbeiter zählt das WST mittlerweile, die Dienste werden in 36.000 Wohneinheiten der Gesellschaft für die Mieter vorgehalten.
Die meisten Aufträge betreffen tägliche Beschwerlichkeiten
Wäsche und Wohnungsreinigung stehen ganz oben auf der Liste, gefolgt von allen Tätigkeiten, die Kraft oder Geschicklichkeit erfordern: Gardinen aufhängen, Regale zusammenbauen, Sperrmüll hinuntertragen. Eher weniger gefragt sind Umzugshilfen oder der Einkaufsservice – aber auch die sind unverzichtbar. Immer wieder einmal werden auch kuriose Wünsche an die Disponenten herangetragen. Vor allem vor Fußballspielen geht schon einmal der Auftrag ein, zwei Kasten Bier vorbeizubringen – ein Begehren, das in der Regel nicht erfüllt wird. Gehör findet dagegen die alte Dame, die ihren über alles geliebten Hund Lulu nicht mehr Gassi führen kann – dann kommt eine gute Fee und spaziert mit dem Tier durch den Park. Auch eine blinde Frau im dritten Stock bekommt Besuch vom WST – in diesem Fall sind nicht Schrubber und Besen gefragt, sondern die Qualitäten als Vorleser der Zeitung.
Wohnungsunternehmen mit sozialem Auftrag
„Das Sozialmanagement ist ein ganz wichtiger Pfeiler unserer Bestandsbewirtschaftung“, postuliert Angela Reisert-Bersch. „Unser Ziel ist es, lebendige Nachbarschaften zu schaffen. Die Quartiere müssen so stabil sein, dass wir später nicht in Brennpunkten denken müssen.“ Leerstand und Vandalismus kosten Geld, Sozialarbeit wirke auch hier präventiv.
Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt befindet sich mehrheitlich im Besitz des Landes Hessen sowie verschiedener Kommunen. Die Anteilseigner haben eine soziale Ausrichtung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen. Im neuen Leitbild hat das Unternehmen den sozialen Aspekt noch einmal stärker betont.
Fünf Mitarbeiter im Sozialmanagement kümmern sich mithilfe unterschiedlicher Kooperationspartner um das soziale Wohlergehen der Mieter. Das Konzept umfasst zentrale Angebote für Jugendliche, Senioren, Alleinerziehende und Schüler – unter anderem Mieterfeste, Hausaufgabenhilfe, Taschengeldprojekte, Lesungen für Kinder, Nähkurse, Ausbildungsförderung, Seniorencafés und Sprachkurse. Zudem kommen, je nach Bedarf, gezielte Maßnahmen im Bereich des sozialen Quartiersmanagements hinzu.
Das Konzept entstand aus einer Mieterumfrage
Das Paket umfasst unter anderem eine Seniorenberatung in Kooperation mit den Johannitern, bauliche Veränderungen, barrierearme Modernisierungen und natürlich das Wohn-Service-Team. Mit Erfolg: Fast jeder fünfte Bewohner über 65 nutzt regelmäßig die haushaltsnahen Dienstleistungen, über 80 Prozent der Kunden sind älter als 65 Jahre – das Angebot kommt also dort an, wo es gebraucht wird.
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Autor: Robert Schmauß, hd…s agentur für presse- und öffentlichkeitsarbeit
Dieser Artikel erschien zuerst in seiner Langfassung in der IVV immobilien vermieten & verwalten, Ausgabe 08/2019
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Günstige Dienste für 36.000 Haushalte
Das Wohnungsunternehmen lässt sich diese Form der Kundenbindung einiges kosten. Rund acht Euro zahlt der Vermieter pro „betreuter“ Einheit als Zuschuss an die Dienste im Quartier. Bei 36.000 Wohnungen summiert sich das auf einen Betrag von deutlich über einer Viertelmillion Euro pro Jahr. Viele der angebotenen Dienstleistungen sind komplett subventioniert, ältere Mieter müssen dafür nichts bezahlen. Für die übrigen Arbeiten zahlt der Bewohner fünf Euro die halbe Stunde, die betriebswirtschaftlichen Kosten liegen beim Doppelten. Wie rechnet sich das?
„Die Unternehmensgruppe hat das Gut Wohnen nie als reines Renditeprojekt angesehen“, stellt Dr. Westphal klar. Die Gesellschaft mache das, um älteren Menschen die Unterstützung zu geben, die sie brauchen – speziell Menschen, die sich das eigentlich nicht leisten können. Das sei auch der Ansatz, den die Unternehmensgruppe beim WST fährt.
Größere Zufriedenheit, weniger Fluktuation, weniger Modernisierungskosten
Gleichwohl, so ist sich Geschäftsführer Dr. Constantin Westphal sicher, mache sich jeder einzelne Euro bezahlt. Auch wenn das Unternehmen Kosten und Nutzen betriebswirtschaftlich nicht erfasse, bleibe unter dem Strich mindestens eine schwarze Null. Wesentliche Kennzahlen: Mieter bleiben rund fünf Jahre länger in ihren Wohnungen, wenn sie durch Dienstleistungen und unter Umständen kleinere Investitionen in Barrierefreiheit in die Lage versetzt werden, weiter ein selbstständiges Leben in ihren eigenen vier Wänden zu führen. Rechnet man dagegen die Modernisierungskosten von rund 30.000 Euro bei Auszug eines Mieters, dann lässt sich daraus auch ein direkter wirtschaftlicher Gewinn ableiten.
Betagte Bewohner wirken stabilisierend auf ein Quartier
Schwer zu beziffern hingegen sind die monetären Vorteile, die durch zusammengewachsene und lebendige Nachbarschaften entstehen. Neben unmittelbaren Folgen wie Wegfall des Vandalismus und zweifelhafter „Graffiti-Schönheiten“ macht ein stabiles und sauberes Viertel weniger Arbeit, niedriger Leerstand sorgt für kontinuierliche Mieteinnahmen. Die betagten Bewohner sind generell ein stabilisierender Faktor, sie würden Siedlungen stärken, sind kommunikativ und geben dem Vermieter Rückmeldung über den Zustand des Quartiers.
Autor: Robert Schmauß, hd…s agentur für presse- und öffentlichkeitsarbeit
Dieser Artikel erschien zuerst in seiner Langfassung in der IVV immobilien vermieten & verwalten, Ausgabe 08/2019
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Weiterführende Links:
www.wohn-service-team.de
www.naheimst.de