„Das Gesetz von 1951 ist Mist“
Für Thomas Meier, Präsident des BVI Bundesfachverband der Immobilienverwalter, hat die Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes gesellschaftspolitische Bedeutung, denn es gehe um die Wohn- und Lebensqualität von Bürgern, die in 9,3 Millionen Eigentumswohnungen lebten. Verwalter und Eigentümergemeinschaften sollten konfliktfrei agieren können und mehr Handlungsfähigkeit erhalten. Thomas Meier erkennt in den heutigen hohen Hürden für Abstimmungen einen Grund für die verbreitete „Versammlungsmüdigkeit“ in den Wohnungseigentümergemeinschaften und fordert eine Absenkung der gesetzlichen Quoren.
Bislang liegen zwei Diskussionsentwürfe für ein neues WEG vor. Das Papier aus dem Bundesjustizministerium konzentriert sich auf die Erleichterung von Beschlüssen zur Barrierefreiheit und Elektromobilität; ein Entwurf des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz geht deutlich über diese beiden Themen hinaus. Die zum Kongress geladenen Vertreter der Ministerien betonten den vorläufigen und fragmentarischen Charakter der Gesetzesentwürfe und zeigten sich offen für die Vorschläge der Berufsverbände.
Anlässlich des Reformkongresses formulierten BVI und IVD eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen.
Quorum zur Beschlussfähigkeit: Heute sind Eigentümergemeinschaften nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Eigentümer und der Miteigentumsanteile anwesend sind. Die Verbände schlagen vor, den Eigentümergemeinschaften die Möglichkeit einzuräumen, das Quorum zur Disposition zu stellen.
Generelle Beschlusskompetenz zur Änderung der Kostenverteilung: Das Gesetz sieht derzeit lediglich die Möglichkeit vor, dass die Kostenverteilung bei Instandsetzungsund Instandhaltungsmaßnahmen nur für den Einzelfall mit einer Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Eigentümer und mehr als der Haälfte der Miteigentumsanteile beschlossen werden kann. Soll hingegen eine generelle Änderung des Verteilungsmaßstabes (z. B. Sanierung aller Fenster) erfolgen, müssen alle Eigentümer zustimmen. Dies erschwere die Durchsetzung genereller Maßnahmen an bestimmten Gebäudeteilen.
Die Verbände schlagen vor, den Begriff „Einzelfall“ im Gesetz zu streichen. Heute sind die Stimmen aller Eigentümer notwendig; BVI und IVD schlagen vor, solche Beschlüsse mit einfacher Mehrheit fällen zu können.
Barrierefreiheit und Elektromobilität: Heute ist für derartige Maßnahmen die Zustimmung aller Eigentümer einer Gemeinschaft notwendig. Eine Reform sollte nach Auffassung der Verbände dazu führen, dass derartige Modernisierungen als Teil ordnungsgemäßer Verwaltung klassifiziert werden. Befürwortende Eigentümer sollten einen Duldungsanspruch gegenüber ablehnenden Eigentümern haben.
Stimmenquorum bei Umlaufbeschlüssen: Beschlüsse, die im schriftlichen Verfahren, dem sogenannten Umlaufverfahren, erfolgen, müssen bisher von allen Eigentümern getragen werden. An dieser Hürde scheitern Umlaufbeschlüsse in der Praxis häufig. Der Vorschlag lautet daher, dieses Quorum auf eine doppelt qualifizierte Mehrheit abzusenken, um die Gemeinschaft unabhängig von Eigentümerversammlungen handlungsfähiger zu machen.
Inkasso-Vollmacht für den Verwalter: Bislang hat ein Verwalter keine Befugnis, säumiges Hausgeld gerichtlich oder außergerichtlich einzutreiben. Nur die Eigentümergemeinschaft kann ihm diese Befugnis im Einzelfall erteilen. Außerdem besteht keine gesetzliche Fälligkeit für das Hausgeld.
Die Verbände schlagen daher eine Ermächtigung für den Verwalter vor, Inkassomaßnahmen selbständig einleiten zu können sowie eine gesetzliche Fälligkeitsfrist für Wohngeldzahlungen.
Ermächtigung für Instandsetzungen: Bislang müssen die Eigentümer dem Verwalter für sämtliche Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen eine Befugnis erteilen.
BVI und IVD schlagen eine Generalklausel vor, die dem Verwalter erlaubt, aus eigener Kompetenz zu handeln. Die Summe, über die der Verwalter hier verfügen darf, soll auf acht bis zehn Prozent der im Wirtschaftsplan festgesetzten Kosten begrenz werden.
Offene Fremdgeldkonten: Bisher fehlt es an einer klaren gesetzlichen Regelung zur Art der Kontenführung in Eigentümergemeinschaften. Treuhandkonten auf den Namen des Verwalters sind in der Praxis üblich. Die Verbände schlagen vor: Im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung und zum Schutz des Gemeinschaftsvermögens vor der Privatinsolvenz des Verwalters und Drittgläubigerzugriffen soll dem Verwalter die Pflicht auferlegt werden, eingenommene Gelder von seinem Vermögen getrennt zu halten und offene Fremdgeldkonten zu führen.
Anzahl der Beiratsmitglieder: Laut Gesetz soll eine WEG dem Verwalter drei Beiratsmitglieder zur Seite stellen, unabhängig von ihrer Größe. Im Interesse größerer Flexibilität sollte den Eigentümergemeinschaften das Recht eingeräumt werden, die Zahl der Beiratsmitglieder selbst zu bestimmen. Der als Redner auf dem Reformkongress auftretende Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Gerd Billen, konnte diesen Vorschlägen „viel Gutes abgewinnen“. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Chris Kühn, beschrieb die jetzige Situation mit den Worten: „Das Konstrukt WEG ist nicht regierbar.“ Und nach Auffassung von Sebastian Steineke, Bundestagsabgeordneter der CDU/CSU, muss es einen „großen Reformentwurf“ geben.
Das gültige Wohnungseigentumsgesetz wird nicht gelebt
Dass Handlungsbedarf besteht, scheint in Legislative und Exekutive Konsens zu sein, aber auf dem WEG-Kongress wurden dennoch erhebliche Zweifel laut, ob der Gesetzgeber Regelungen formulieren wird, die pragmatisch sind und damit näher an der Lebenswirklichkeit, als das gültige Wohnungseigentumsgesetz. Der Richter am Berliner Kammergericht, Oliver
Elzer, kommentierte kategorisch: „Das jetzige Gesetz von 1951 ist Mist. Verwalter und Eigentümer leben das Gesetz nicht. Es läuft, weil Verwalter das Gesetz ignorieren. Wir müssen ein Gesetz schaffen, das die Menschen verstehen.“ Die bisherigen Reformvorschläge, so Richter Elzer, brächten allenfalls punktuelle Verbesserungen. Er forderte, die Entwürfe nicht in Hinterzimmern zu diskutieren, sondern auf breiter öffentlicher Basis mit Verwaltern und Eigentümern.
Einführen von verständlichen Begriffen
Rechtsanwalt Uwe Wanderer warnte davor, nicht noch mehr Rechtsbegriffe zu schaffen, die kein Mensch verstehe. Eine Reform sollte seiner Meinung nach unter anderem präziser fassen, was die Aufgaben der Beiräte sind. Generell schlug Uwe Wanderer vor, dem Verwalter im operativen Geschäft, bei laufenden Instandsetzungsmaßnahmen, mehr Handlungsspielraum durch eine geschäftsführerähnliche Rolle zu geben. Mehr Handlungsvollmachten im Tagesgeschäft berge die Chance auf eine Imageverbesserung des Berufsstandes der Immobilienverwalter.
Hier sieht Stefan Ollig, Geschäftsführer der Vonovia Immobilien Treuhand GmbH ein deutliches Defizit. „Disponent für Heckenschnitt“, so bezeichnete der Verwaltungsprofi die Rolle, die Hausverwaltern heute von der Kundschaft zugeschrieben werde. Tatsächlich sind Verwalter nach dem Verständnis von Ollig als „Assetmanager zur Wertsteigerung der Immobilie“ tätig. Eine große Reform des Wohnungseigentumsgesetzes müsse drei Dinge in den Blick nehmen, den Wert der Immobilie, die Dauer der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen und die Qualität des Berufes.
Vorschläge für digitale Archive und die digitale Kommunikation
Stefan Ollig kann sich ein Kammersystem für den Berufsstand der Verwalter vorstellen, ähnlich der Organisationsform der Architekten. Dringend ist für den Chef der Vonovia-Verwaltungstochter mehr Transparenz durch digitale Werkzeuge. „Wo sind die Vorschläge für digitale Archive und die digitale Kommunikation?“ Ollig trat für Online-Eigentümerversammlungen ein, denn man müsse die heutige Lebenswirklichkeit des mobilen Menschen bedenken. Beschlüsse auf der einmal jährlich anberaumten Eigentümerversammlung seien nicht ausreichend. „Die bisherigen Reformvorschläge aus Berlin und Bayern sind noch nicht in der Lebenswirklichkeit angekommen.“
Stellungnahmen einiger Wohnungsverbände können Sie hier ansehen/ herunterladen:
https://ddiv.de/hp96664/WEG-Reform.htm
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