Berlin verdichtet mit Betonfertigteilen
Berlin hat sich nördlich der Bornholmer Straße im Übergang von dichter Stadtstruktur zur Fläche mit hohem Grünanteil in den letzten Jahren zu einem begehrten Wohnbezirk entwickelt. Stadtentwicklung, Sanierung, Umnutzung und Neubau haben die Gegend zuletzt spürbar neu belebt. Auch auf einem Grundstück in der Gotlandstraße ist ein modernes Wohnquartier entstanden. Es befindet sich am nördlichen Rand des Berliner Bezirks Prenzlauer Berg im Übergang zum Stadtbezirk Pankow. Die innerstädtisch dichte Struktur löst sich hier auf und bietet noch Raum für verkehrsgünstig gelegene Wohnbauten. Gnädinger Architekten aus Berlin reagierten mit ihrem Entwurf auf den heterogenen Standort zwischen Kriegsbrachen, Gewerbe-, Gründerzeit- und DDR-Plattenbauten und schlossen die offene Ecke des dort noch vorhandenen Blockrands mit einem langen L-förmigen Wohnhaus. Ihr siebengeschossiges Gebäude dockt an eine Brandmauer an und komplettiert den historischen Straßenzug, der aus inzwischen sanierten Altbauten besteht. Im Innern des Blocks schufen die Architekten durch die geschickte Anordnung von drei kleineren Häusern, die auf die vorhandene Höhenentwicklung Bezug nehmen, auch einen attraktiven Hof mit hoher Aufenthaltsqualität.
Wohnen im gewachsenen Umfeld
Über 130 lichtdurchflutete Wohnungen in unterschiedlichen Größen von 36,2 bis 157,4 Quadratmetern wurden realisiert. Die differenzierten Grundrisse sorgen im Quartier auch für eine heterogene Bewohnerschaft. Das Angebot umfasst neben gut ausgestatteten Wohnungen mit Balkonen und Terrassenflächen auch großzügige Fahrradabstellflächen oder eine eigene E-Mobilitäts-Station am Tiefgaragenstellplatz. Mit diesem Angebot wird auf die Bedürfnisse moderner Nutzer im städtischen Umfeld reagiert.
„Wer hier wohnt, hat auch ein Stück Berliner Geschichte vor der Haustüre“, schildert Architekt Rolf Gnädinger den besonderen Standort. Denn der Neubau grenzt an das ehemalige Diplomatenviertel der DDR. Hier, am Rand von Pankow, dem früheren Renommierbezirk und städtischen Wohnsitz der Ostberliner Elite, waren ab den 1970er-Jahren in begrünter Umgebung etliche Botschaftsgebäude, Typ Pankow, entstanden. Die flachen, überschaubaren Plattenbauten östlich der Kleingartenanlage Bornholm, jeweils mit nur drei Geschossen und einem Treppenhaus zwischen zwei Kuben und umlaufenden Gärten, veranlassten 2002 die Wochenzeitschrift „Die Zeit“, von einer „Laubensiedlung kleinerer Nationen“ zu sprechen: Der Vergleich trifft heute allenfalls noch auf die lockere Bebauung, das erholsame Grün und einige verbliebene diplomatische Vertretungen kleinerer Länder wie Bosnien/Herzegowina, Ghana, Kuba oder Moldawien zu. Die meisten Länder haben ihre Botschaften im Zuge der Wiedervereinigung verlagert und pflegen ihre zwischenstaatlichen Beziehungen von größeren Repräsentanzen aus, etwa am Spreebogen, dem Potsdamer oder Pariser Platz. Das weiter entwickelte Stadtviertel punktet dagegen als urbaner Wohnsitz mit guter Infrastruktur und schneller Anbindung.
Fertigteile dämpfen Baukosten
In den Neubauten von Gnädinger Architekten sind auf einer Grundstücksfläche von 7.462 Quadratmetern fast ausschließlich Wohnungen entstanden. Nur das Erdgeschoss zur Gotlandstraße dient dem Einzelhandel. Auf die steigenden Baukosten haben die Architekten durch eine rationelle Bauweise reagiert. „Die Anforderungen an den Wohnungsbau steigen stetig. Bewehrte Betonfertigteile bringen hier Zeitersparnis und bieten dadurch auch wirtschaftliche Vorteile“, erläutert Rolf Gnädinger. Den Rohbau hat das Bauunternehmen J & J Bau und Bauträger GmbH ausgeführt, das sich 1990 in Halle gegründet hat. Das Unternehmen war zunächst auf die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude im lokalen Umfeld fokussiert. Seit einiger Zeit hat jedoch der Familienbetrieb, in dem drei Generationen arbeiten, als Generalunternehmer seinen Aktionsradius auf ganz Berlin ausgedehnt und mit inzwischen 60 Mitarbeitern das Tätigkeitsfeld um den Wohnungs- und Gewerbeneubau erweitert.
In der Gotlandstraße führte die Firma die Bodenplatte, Keller- und Tiefgaragenwände der vier Bauten aus wasserundurchlässigem Stahlbeton aus. Außerdem hat sie im gesamten Wohnprojekt 21.000 Quadratmeter Filigrandecken und 15.000 Quadratmeter Doppelwände eingesetzt. Diese wurden in vier der insgesamt sechs Fertigteilwerke der Heidelberger Betonelemente GmbH & Co. KG produziert. Die Doppelwand-Elemente bestehen jeweils aus zwei miteinander verbundenen Betonschalen, deren Zwischenraum auf der Baustelle mit Beton gefüllt wurde. So konnte das Bauunternehmen laut Harald Jahnel wetterunabhängiger arbeiten und hat sich den Einsatz von Schalungen gespart.
Die Fassaden zeigen eine prägnante Ziegelverblendung und werden großzügig von französischen Fenstern und weit auskragenden Balkonen durchbrochen. Nach oben schließt ein verglastes Staffelgeschoss mit Dachterrassen die Baukörper ab, während sich im Erdgeschoss eine Sockelzone mit großformatigen Aluminium-Paneelen vom darüber liegenden, teils abgerundeten Baukörper absetzt. So zeitlos und elegant gestaltet, zeigt sich im Quartier Gotland das Wohnen in der Stadt von seiner besten Seite.
Susanne Ehrlinger


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