Neue Klimaschutzsiedlung der Spar- und Bauverein eG

Blaupause für enkelgerechte Neubauten

Wie komplex klimaschonendes, generationenübergreifendes Bauen mittlerweile ist, zeigt das Bauprojekt „Ewige Teufe“ der Spar- und Bauverein Dortmund eG. Dass jetzt trotz turbulenter Rahmenbedingungen der Spatenstich erfolgte, ist ein großer Erfolg aller Beteiligten.

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Die fünf Gebäude der Klimaschutzsiedlung „Ewige Teufe“ werden den Kfw 40 plus Standard erreichen. Die Energieerzeugung ist dank Photovoltaik und Wärmepumpen dekarbonisiert. Bild: post welters + partner mbB
Die fünf Gebäude der Klimaschutzsiedlung „Ewige Teufe“ werden den Kfw 40 plus Standard erreichen. Die Energieerzeugung ist dank Photovoltaik und Wärmepumpen dekarbonisiert. Bild: post welters + partner mbB

Fünf Gebäude mit 37 Wohnungen, davon 13 öffentlich gefördert – klingt nicht besonders spannend, ist es aber. Denn die Klimaschutzsiedlung Ewige Teufe im Dortmunder Süden ist ein Vorzeigeprojekt, und das in mehrfacher Hinsicht. Vor allem vor dem Hintergrund der günstigen Mieten, die die Spar- und Bauverein Dortmund eG dort geplant hat. Die Genossenschaft integriert Neubauprojekte bewusst in ihre Strategie. „Wir bezeichnen uns als offene Gemeinschaft, die sich in die Zukunft weiterentwickelt und verändert“, sagt Vorstandsvorsitzender Franz-Bernd Große-Wilde. „Neubauten bereichern unsere Wohnungspalette und öffnen uns für neue Zielgruppen“.

Gebäude als Energiegewinner

Der zweite Aspekt betrifft Fragen von Energieeffizienz und Nachhaltigkeit: Die vom renommierten Architekturbüro Post + Welters geplanten Gebäude entstehen in monolithischer Bauweise aus Porenbeton. Es gibt keine Zusatzdämmung mit unlösbar verklebten Dämmplatten, die Wände bestehen zum überwiegenden Teil aus recyclingfähigem Porenbeton, der lediglich innen und außen verputzt wird sowie aus Kalksandstein. Auch die begrünten und mit Photovoltaikmodulen belegten Dächer sind aus dem mineralischen Material. Trotzdem erreichen die Gebäude das anspruchsvolle Niveau Effizienzhaus 40+. Das Projekt ist zudem Teil des Programms „100 Klimaschutzsiedlungen für NRW“ und strebt die NaWoh-Zertifizierung an.

Der Passivhausplaner Andreas Nordhoff vom Kölner Institut für Bauen und Nachhaltigkeit (IBN) hat dafür gemeinsam mit Architekt Maximilian Pflichtenhöfer, dem Statiker und den Fachleuten des Baustofflieferanten zahlreiche, bauphysikalisch hochwertige Details entwickelt. So sind in der homogenen Porenbetonwand die Fensterrahmen sehr weit außen montiert. Das steigert die auf diesem Level wichtigen solaren Gewinne. Die Bodenplatte wird nicht mit teuren XPS-Dämmplatten von außen gedämmt, sondern mit preislich deutlich günstigeren und ökologisch vorteilhafteren EPS-Dämmplatten von innen, was dank der guten Dämmeigenschaften der Steine funktioniert.

Der Fahrstuhlschacht durchbricht nicht wie üblich die Fläche des Daches. Möglich macht es eine leicht vergrößerte Raumhöhe im obersten Geschoss und eine sogenannte Unterfahrt. Der Schacht ist dafür etwas in die Erde versenkt. Diese und zahlreiche weitere Optimierungen senken den Energieverlust durch Wärmebrücken und machen das Niveau Effizienzhaus 40 in dieser Bauweise erst möglich. Hocheffiziente Luft-Wasser-Wärmepumpen werden aus Brandschutzgründen auf den Dächern stehen. Sie verteilen ihre Wärme über Fußbodenheizungen. Pro Wohnung ist eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung nahezu unsichtbar und vor Fehlbedienungen geschützt in einem Küchenschrank untergebracht. Photovoltaikanlagen auf allen Dächern werden etwa 60.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen und die Gebäude übers Jahr rechnerisch zu Energiegewinnern machen. Ziel ist, dass die Hausgemeinschaften so viel Strom vom eigenen Dach wie möglich selbst nutzen. Installation, Betrieb und Vermarktung hat die Genossenschaft einem Contractor übergeben. Bei Stromüberproduktion steht ein Batteriespeicher zur Verfügung.

Sozialer Zusammenhalt im Quartier

Die Ewige Teufe folgt dem quartiersbezogenen Ansatz der Genossenschaft. In unmittelbarer Nähe existiert bereits ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt der Genossenschaft. Dieser zwischenmenschliche Aspekt wird nun weiter verstärkt. Eines der Gebäude entsteht in Zusammenarbeit mit dem Verein „WiO – Wohnen im Ort“. Diese Elterninitiative hat es sich zum Ziel gesetzt, jungen Menschen mit Behinderung einen möglichst eigenständigen Alltag zu bieten. Das barrierefreie Haus mit Einzelwohnungen und einer Wohngemeinschaft wird mit einem auf die Belange der 18- bis 30-jährigen Bewohner und Bewohnerinnen abgestimmten Kommunikationssystem ausgestattet. Im Erdgeschoss entsteht neben einem Gemeinschaftsraum auch ein Serviceraum für den betreuenden Sozialpartner und eine Gemeinschaftsküche. Die Außenanlagen werden so gestaltet, dass sich alle Bewohner der neuen Siedlung ungezwungen begegnen können. „Wir setzen unseren generationenübergreifenden Ansatz hier ganz bewusst fort, und vermeiden hinsichtlich der Bewohner monostrukturierte Quartiere“, sagt Franz-Bernd Große-Wilde.

Nachhaltigkeit fest im genossenschaftlichen Erbgut verankert

„Als Genossenschaft verfolgen wir grundsätzlich einen langfristigen, generationenübergreifenden Ansatz. Dieser deckt sich sehr gut mit den Nachhaltigkeitszielen dieses Projektes“, sagt Prof. Florian Ebrecht, Vorstandsbevollmächtigter des Spar- und Bauvereins. Alle drei Ziele der Nachhaltigkeit in ihrer ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension seien hier erfüllt. „Diese Ziele gelten natürlich auch für unsere Bestandsquartiere. Neubauprojekte wie die Ewige Teufe haben den Vorteil, dass man auf einem weißen Blatt Papier anfängt, dafür sind die Ansprüche auch höher“, so Ebrecht. Gesellschaftlichen Nutzen schafft das Projekt zudem, indem es die eingesetzten Fördermittel so optimal wie möglich in hochwertigen Wohnraum mit geringen Mieten umsetzt.

Ob das Projekt die Erwartungen erfüllt, wird der Betrieb zeigen. Als Blaupause für weitere Neubauvorhaben der Spar- und Bauverein Dortmund eG ist es auf jeden Fall gesetzt. „Dass wir ein solch innovatives Projekt im Rahmen unserer moderaten Wachstumsstrategie in diesen turbulenten und schwierigen Zeiten bis zum Spatenstich gebracht haben, ist nach der jahrelangen Vorbereitung ein erster Etappensieg für alle Beteiligten, macht Mut und dient unseren Mitgliedern“, betont Franz-Bernd Große-Wilde.

Komplexe Finanzierung in volatilem Umfeld

Die Bausumme von etwa 15 Millionen Euro kommt auf drei Wegen zusammen: Das Gebäude für die jungen Menschen mit Behinderung ist im Rahmen der Wohnbauförderung NRW über die NRWBank finanziert. Zusatzdarlehen für Barrierefreiheit, Klimaanpassung, standortbedingte Mehrkosten, Verbesserung des Wohnumfeldes sowie für den Effizienzhausstandard 40 plus heben die Kreditsumme auf 2,78 Millionen Euro. Der Tilgungsnachlass beträgt 940.000 Euro.

Die zweite Säule ist die BEG-Förderung der KfW für alle fünf Häuser. Diese war bekanntermaßen im erster Halbjahr 2022 von zahlreichen Änderungen betroffen. „Vergleichbares wie in den letzten sechs Monaten mit abrupten Förderstopps, kurzfristigen Änderungen der Vergabebedingungen ohne Übergangsfrist bei gleichzeitig rasant steigendem Zinsniveau habe ich in zehn Jahren noch nicht erlebt“, sagt Eva Fehringer, Leitung Kaufmännische Portfolioentwicklung und Unternehmensfinanzierung des Spar- und Bauvereins. „Das Projekt Ewige Teufe stand mehrfach auf der Kippe und wir sind froh, es überhaupt umsetzen zu können“.

Da die durchleitende Hausbank den Förderantrag schon bereitliegen hatte und für die Einreichung bei der KfW lediglich auf den Termin des offiziellen Baubeginns wartete, um eventuelle Bereitstellungszinsen zu minimieren, konnte das Förderdarlehen über 6,19 Millionen Euro in einer ad hoc-Aktion aus dem kurzfristig freigegebenen Fördertopf von einer Milliarde Euro gesichert werden. Nachteil war der von 25 auf 12,5 Prozent reduzierte Tilgungsnachlass. „Das bedeutete für uns einen Verlust beim Tilgungsnachlass von 780.000 Euro, die fest in das Projektbudget eingeplant waren“, berichtet Eva Fehringer.

Wie groß die Finanzierungslücke effektiv sein wird, steht nach Beauftragung aller Werkverträge fest. Sie muss voraussichtlich mit einem zusätzlichen Kapitalmarktdarlehen über die als dritte Säule geplanten Kredite hinaus geschlossen werden. „Tilgungszuschüsse sind gerade angesichts der stark gestiegenen Baupreise dringlicher denn je“, verdeutlicht die Finanzexpertin den Zusammenhang. Die Fertigstellung ist für den Sommer 2024 geplant. „So wie der aus dem Bergbau stammende Begriff ‚Ewige Teufe‘die Genehmigung für den Kohleabbau in unbegrenzte Tiefen bezeichnet, so wird die jetzt begonnene Klimaschutzsiedlung für viele Generationen ein nachhaltiges, kostengünstiges und ökologisches Zuhause sein“, ist sich Franz-Bernd Große-Wilde sicher.

 

 

 

 

 

 

 

Karsten Statz

Karsten Statz
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Artikel Blaupause für enkelgerechte Neubauten
Seite 12 bis 15
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